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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Hrsg.]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 1) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47010#0083
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ERSTES BUCH: DIE DENKMÄLER

gesessen habe. Die beiden mittleren Provinzen hatten denn auch, wie sich zeigen wird, die Führung
in der Entwicklung der armenischen Kunst. Dabei ist nicht unwesentlich zu betonen, daß Airarat
die abschließende Bucht eines von Medien her in das armenische Hochland vordringenden persischen
Völkergolfes bildet, also hier die östlichen Beziehungen, nicht die syrischen oder griechischen
entscheidend waren. Dazu kommt die Provinz Siunik, um den Goktschaisee herum, das Land der
sisakanischen Fürsten; sie stand Persien noch näher1). Die Provinz Airarat war noch im 7. Jahr-
hundert die Araxesebene, die im Norden vom Berge Aragats (Alagös), im Süden vom Masis (Ararat)
begrenzt wurde, westöstlich aber siclr etwa von der Einmündung des Achurean (Arpatschai, an dem
Ani und Bagaran liegen) bis in die Gegend von Nachidschewan erstreckte2). Dank der Führung
Thoramanians haben wir dieses entscheidende Gebiet zum größten Teile bereisen können. Angeblich
war es schon 200 v. Chr. durch ein Gesetz von Valarsakes, dem Gründer der Arsakidendynastie, (nach
Moses von Chorene, II, 8 f. Lauer, S. 64 f.) den Königen und Erbprinzen Armeniens Vorbehalten. Die
neuere Kritik, die diese Geschichtsmache nicht anerkennt, läßt die vor 66 n. Chr. regierenden Könige
in Airarat residieren. Heute ist es seit Jahrhunderten wieder der Sitz des nationalen Patriarchates.
In diesem Armenien — man nahm früher auch gern gleich Georgien dazu — sind tausende
von alten Kirchenbauten erhalten, teils noch im Gebrauch, teils in Trümmern. Neuerdings sind auch
Ausgrabungen dazu gekommen. Da nachfolgend bei Vorführung dieser Denkmäler der rein typen-
vergleichende, das heißt der auf die Bauformen gerichtete, nicht der örtliche Standpunkt eingenommen
wird, sei hier einleitend als Beispiel wenigstens für die beiden wichtigsten Denkmal Stätten, für
Edschmiatsin und Ani, das heißt für einen alten geistlichen und einen einst blühenden weltlichen
Mittelpunkt armenischen Lebens, der örtliche Eindruck vorangestellt, damit man sich ungefähr
zurechtfindet, wenn diese Orte immer wieder genannt werden.
Edschmiatsin3). Man faßt unter diesem Namen heute gewöhnlich das Patriarchatskloster und die
daneben liegende Stadt Wagharschapat zusammen, etwa wie man von »Rom« spricht und dabei
den Vatikan ebenso wie die Stadt Rom selbst meint4). Von dem Kloster und seiner Kathedrale war
schon in meinem »Edschmiatsin-Evangeliar«, Seite 1 f., die Rede, die Kirche wird unten als entwick-
lungsgeschichtliches Denkmal ersten Ranges außerhalb des Typenkataloges zu besprechen sein.
Hier ist nur darauf hinzuweisen, daß neben dem Kloster, von diesem in wenigen Minuten erreichbar,
die drei Kirchen der Gajane, Hripsime und (Kapelle und Kirche) Schoghakath liegen. Von der
Hripsime aus wieder ist unfern der Straße nach Eriwan die durch Ausgrabungen freigelegte Kirche
von Zwarthnotz samt dem Palast des Katholikos Nerses zu finden. Alle diese Bauten gehören dem
7. Jahrhundert, bzw. der Gründung nach z. T. einer früheren Zeit an und sind später immer wieder
hergestellt worden. Nur Zwarthnotz sank schon im 10. Jahrhundert in Schutt und Trümmer und
auch die kleine Kapelle bei der heutigen Schoghakathkirche ist bis auf die Grundmauern verschwunden.
Ani. Diese Stadt ist ein Freilichtmuseum armenischer Kunst. Sie wird im Typenkataloge und
im systematischen Abschnitte über Gegenstand und Zweck als Beispiel einer armenischen Stadt-
anlage zu besprechen sein. Hier seien nur kurz die in den verschiedenen Typenreihen vorzuführenden
Kirchen in ihrem örtlichen Zusammenhänge genannt, damit eine Vorstellung von der Reichhaltigkeit
einzelner Städte an Bauten entsteht und man die Denkmäler Anis von vornherein auseinander halten
lernt. Dazu der Plan (Abb. 41), der nach der dem Führer von Orbeli beigegebenen Karte mit
Hinweglassung aller vom Standpunkte des Kunstforschers zunächst unwesentlichen Einzelheiten
gezeichnet ist. Ani läßt sich in gewissem Sinne mit Konstantinopel vergleichen. Es bildet ein
langgestrecktes Dreieck. Sind auch zwei Seiten nicht vom Meere begrenzt, so doch von tief ein-
schneidenden Tälern, die jeden Zugang erschweren. Die dritte, die Landseite, wird durch eine starke
Doppelmauer gebildet. In der Spitze zwischen den Tälern liegt die Burg, während die Stadt sich
gegen die Landmauer hin ausbreitet. Die älteste erhaltene und inschriftlich datierte Kirche von 622
steht auf der Burg (11)5), ich nenne sie die Burgkirche. In der Spitze des Dreieckes jenseits der
’) Hübschmann, S. 263 f.
s) Hübschmann, S. 282.
*) Vgl. Ritter, »Erdkunde« X, S. 514 f., Lynch, »Armenia« I, S. 228 f.
4) Vgl. den Plan bei Alischan, »Airarat«, S. 201 f.
6) Die in Klammern gesetzten Zahlen geben die Nummern, die den einzelnen Denkmälern in dem Stadtplane (S. 64) gegeben sind.
In der später nachfolgenden Beschreibung der Kirchen werde ich immer auch die Nummer anführen, unter der Orbeli, I910, die
einzelnen Bauten in seinem kurzen Führer von Ani (»Ani-Serie«, Heft 4) anführt.
 
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