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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 11.1920

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Schwitters, Kurt: TRAN Nummer 7: Generalpardon an meine hannoverschen Kritiker in Merzstil
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https://doi.org/10.11588/diglit.37133#0007

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dauerlichen Missverständnissen die jüngste
Kunstrichtung Kritiker zu verführen vermag,
die nicht hinter die Oberfläche künst-
lerischen Schaffens zu schauen vermögen.
Bilden Sie sich etwa ein, Sie vermöchten
das?
3.) Und Sie, Herr Dr. ASch. (Adolf Schaer.)
(Hann. Kurier.) Sie schreiben: ,,Was soll
man sagen zu den wunderlichen Schöpfungen
von Kurt Schwitters, der die Weit aufs
neue mit seinen Merzzeichnungen usw. zum
Besten hat? Soli man wirklich aufgekiebte
Papierfetzen und Hosenflicken für ,,Kunst"
hinnehmen? Soll man solche Verirrungen
ernst nehmen? Soll man sie der Uhre
zornigen Widerspruches würdigen? Am
besten ists, man hält sich an den Satz:
„Oer Best ist Schweigen", hoffend, dass
Schweigen am ehesten dem ganzen Unfug
„den Best gibt". Ich stelle die Gegenfrage:
„Soil man wirklich solche Quasselei ernst
nehmen?" Was sie „schweigen" nennen,
das nenne ich nämlich quasseln. (Leistungs-
fähige Bezugsquelle für Tran, weil direkt
aus der Transiederei bezogen.) Kritik ist
ja bekanntlich die Feststellung, mit welcher
Sorte von Pinseln ein Maler gearbeitet hat.
(Achtung! Achtung, Scheuklappen! Achtung!
Patent-Scheuklappen! Patentscheuklappen
sind die leichtesten der Welt, die den
richtigen Winkel, in dem sie stehen, nie
verändern können. Jede Form ist aus einem
Stück gearbeitet und wiegt nurca. lOOGramm
das Paar. Bequemer Sitz. Zu haben bei
den meisten Grossisten und Sattlern.)
Übrigens erlaube ich mir, Sie darauf auf-
merksam zu machen, dass mein Kollege,
Herr Marc Chagall, Sie wissen doch, der
Mann mit dem seelenvollen Bildnis, (edel
sei der Mensch, hilfreich und gut.) den
Sie bereits dreimal Chagall genannt haben,
nicht Max Chagall heisst, sondern Marc
Chagall. (Pferde- und Hunde-Kämme aus
Alluminium sind unerreicht.) Allerdings
ist die Verwechslung des Namens Chagall
begreiflich, denn er stellt zum ersten Male
aus. (Leichenpferdedecken, hervorragende
Neuheit. Verlangen Sie bitte Ansichts-
sendungen.) Ich erwähne dieses besonders,
damit nicht etwa jemand auf den falschen
Verdacht käme, Sie hätten sich bislang erst
wenig mit der Kunst beschäftigt. (Heiterkeit
im Zuschauerraum.) Trotzdem warne ich
Sic, meinen Kollegen immer wieder Max

Chagall zu nennen. Wenn Sic mir nicht
glauben, so fragen Sie die Besitzerin dieses
Chagall, Frau Amalie von Garten (Eugcnic
von Garvens) sonst behaupte ich nächstens,
Sie hiessen August Adalbert von Scheere.
(Hochwertige Qualität.) Dann könnte aber
ein böser Mensch behaupten, August von
Scheere schnitte mit einer adeligen Scheere
aus, was einem August edel erschiene, statt
Kunst zu kritisieren. Und es täte mir
wirklich leid, wenn man „Ihr Treiben der
Lächerlichkeit preisgäbe". (Bhciuisch-
Wcstfälische Zeitung 25. 2. 20.) Ich würde
Ihnen übrigens in Freundschaft raten, in
Zukunft wirklich zu schweigen, und zwar
überhaupt. Zwar haben Ihre Kritiken
„wenigstens noch den Vorzug erheiternd zu
wirken", aber man möchte doch nicht
gern Anlass zum Gelächter geben, ohne cs
zu wollen. (Kutschermäntel, Wagendeko-
rationen, sowie sämtliche Sachen zum
Trauerfuhrwesen liefere in bekannten guten
Qualitäten.)
4.) Und Sie, Herr Hein Wiesen wähl, mehr-
heitssozialistischer Schriftsteller, sagen wir
mal Kunstschriftsteiler für den Hannover-
schen Volkswillen! (das Lieblingsblatt der
Mädchenwelt.) ihre Besprechungen sind
fast zu kindisch, als dass es sich lohnte,
darauf einzugehen. (Die Kuh hat hinten
einen Schwanz, vorn einen Kopf und in
der Mitte einen Pompadour.) Bitte stellen
Sie sich einmal vor, Sie würden als un-
parteiischer dritter sich selbst beobachten,
wie Sie, als erwachsener Mensch, in den
städtischen Anlagen sich laut mit den
Vögeln unterhalten. (Konzenlriertes Besti-
tutions-Fluid extra stark, f. Pferde u. sonstige
Haustiere nach d. Bezept des Hofrossarzt
Fabricius, seit üb. 30 Jahr, bewährt, wirkt
hervorragend gegen Steifwerd., Schulter-,
Kreuzlähme, Verrenkung, Verzerrung, Ver-
stauchung, sowie Schwächen all. Art.) Ich
glaube, Sie würden laut loslachcn. (Wer
fabriziert gut gegerbte Bossleder, zu Kum-
meten geeignet?) Und Sie haben es in
Ihren Kritiken so oft erzählt, dass Sie sich
Ihre Anregung zu Besprechungen der Kunst
in der Unterhaltung mit den Vögeln holen,
dass man es Ihnen, so komisch es an sich
klingt, ohne Weiteres glauben muss. (Lass
dein Pferd nur ruhig Weiterarbeiten, jede
Büchse trägt diese Fabrikmarke.) So etwas
nennen Sie also Kunstkritiken? (Man nimmt

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