herrlichung alles Erbärmlichen. Hundert
Jahre lang brüsten sie sich schon mit der
Anerkennung Heinrich von Kleists. Aber
nach hundert Jahren haben sie das gleiche
Verbrechen begangen. Und hundert Jahre
lang werden sie wehe schreien, dass ein
Genie verkannt wurde. Aber ich will da-
für sorgen, dass in Zukunft nicht zu-
viel gelogen werde. Ich weiss, dass der
Tag kommen wird, da einer den Dichter
August Stramm entdecken will. Ich fordere
diesen mir noch unbekannten Lumpen aber
heute schon auf, sich das zu merken, was da
vorhin über August Stramm zu lesen war.
Und ich fordere den Lumpen auf, nicht zu
vergessen: So schrieb am 7. April 1916 ein
Amerikaner in „Boston Weekly Transcript"
über August Stramm, nachdem schon im
Juli 1914 Henry Ghassin in der Zeitschrift
„Miscellanees" das Wunder der Dichtung
August Stramms verkündet hatte. Und der
kommende Lump soll nicht vergessen, in
seiner Literaturgeschichte dem deutschen
Vaterlande ein Schanddenkmal zu setzen
und daran zu erinnern, dass der Hanno-
versche Courier Ende August des Jahres
1915 dieses Spottgedicht auf August Stramm
gemacht hat:
0
Au
Gust!Dubist
das grösste
Schaf-
fende
dichterisch-
e
Genie des
Jahr-
hunde-
rts!
14
Tage
Schützengraben
würden dich
ku-
rieren.
Dieses hat der Hannoversche Courier ge-
schrieben, wenige Tage bevor August Stramm
nach siebzig Gefechten und Schlachten als
Hauptmann fiel. Ich weiss, dass es keinen
Redakteur und Schriftsteller in Deutschland
gibt, dem nicht vor Scham das Herz still-
steht, wenn er diese Schandzeilen des Hanno- ^
versehen Couriers liest. Aber was haben
Sie getan, alle meine Herren Redakteure,
Journalisten und Schriftsteller des deutschen
Volkes, um diese Schmach loszuwerden?
Um zu zeigen, dass Sie nichts mit dem Ver-
fasser dieses Spottgedichts zu tun haben
wollen, der Ihren ganzen Stand besudelt
hat? Nichts haben Sie getan, meine Herren
deutschen Redakteure, Journalisten und
Schriftsteller. Oder glauben Sie etwa, der
Hannoversche Courier sei die einzige deutsche
Zeitung gewesen, die August Stramm in der
niedrigsten Weise beschimpft hat? Bis Ende
September hat die deutsche Presse das Er-
zeugnis der Roheit und der Dummheit aus
dem Hannoverschen Courier mit Entzücken
und Beifall nachgedruckt. Und wer nicht
für ihn war, war gegen ihn. Alle haben
Sie geduldet, dass das deutsche Volk gegen
seinen grössten Dichter aufgehetzt wurde,
bis dieses Volk anfing, sich selbst ein Urteil
über August Stramm zu bilden.-Aber
ich sehe, Sie werden ungeduldig, Herr West-
heim. Sie wollen wissen, was das alles
Sie, angeht. Ich werde es Ihnen sagen:
Sie sollen den Namen Herwarth Waiden
nicht missbrauchen. Sie sollen nicht mit
dem Namen dieses Mannes ein leuchtendes
Wort in das Dunkel Ihres Gestrüpps bringen.
Herwarth Waiden war der erste und ein-
zige Deutsche, der Herz und Hirn für das
Genie August Stramm hatte. Ihm hat nicht
nur Deutschland, sondern die Welt die
Rettung der Dichtungen August Stramms zu
danken. Verhöhnt auch von denen, die ihm
nahe standen,war er daran, seine Dichtungen
in der Verzweiflung zu vernichten. Der
Sturm war sein letzter Glaube. Und Her-
warth Waiden war die Rettung seiner
dichterischen Seele. Verstehen Sie das,
Herr Paul Westheim? Ich glaube nicht.
Denn Sie wissen nicht, was eine Künstler-
seele ist, die von der Meute der deutschen,
ja der deutschen, der dreimal — deutschen
Presse gehetzt wird. Furchtbar ist die
Niedertracht der Kleinen. Ich will sie er-
sticken.
Ich habe so oft verkündet, was AugustStramm
für den Sturm gewesen ist und bleibt, dass
ich das Recht habe, jetzt zu offenbaren, was
Herwarth Waiden für August Stramm war.
Dieser grosse Tote wird nicht aus dem
Grabe lügen wie jener Eine, an den ich
noclUschmerzvoll rühren werde. Aber ich
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Jahre lang brüsten sie sich schon mit der
Anerkennung Heinrich von Kleists. Aber
nach hundert Jahren haben sie das gleiche
Verbrechen begangen. Und hundert Jahre
lang werden sie wehe schreien, dass ein
Genie verkannt wurde. Aber ich will da-
für sorgen, dass in Zukunft nicht zu-
viel gelogen werde. Ich weiss, dass der
Tag kommen wird, da einer den Dichter
August Stramm entdecken will. Ich fordere
diesen mir noch unbekannten Lumpen aber
heute schon auf, sich das zu merken, was da
vorhin über August Stramm zu lesen war.
Und ich fordere den Lumpen auf, nicht zu
vergessen: So schrieb am 7. April 1916 ein
Amerikaner in „Boston Weekly Transcript"
über August Stramm, nachdem schon im
Juli 1914 Henry Ghassin in der Zeitschrift
„Miscellanees" das Wunder der Dichtung
August Stramms verkündet hatte. Und der
kommende Lump soll nicht vergessen, in
seiner Literaturgeschichte dem deutschen
Vaterlande ein Schanddenkmal zu setzen
und daran zu erinnern, dass der Hanno-
versche Courier Ende August des Jahres
1915 dieses Spottgedicht auf August Stramm
gemacht hat:
0
Au
Gust!Dubist
das grösste
Schaf-
fende
dichterisch-
e
Genie des
Jahr-
hunde-
rts!
14
Tage
Schützengraben
würden dich
ku-
rieren.
Dieses hat der Hannoversche Courier ge-
schrieben, wenige Tage bevor August Stramm
nach siebzig Gefechten und Schlachten als
Hauptmann fiel. Ich weiss, dass es keinen
Redakteur und Schriftsteller in Deutschland
gibt, dem nicht vor Scham das Herz still-
steht, wenn er diese Schandzeilen des Hanno- ^
versehen Couriers liest. Aber was haben
Sie getan, alle meine Herren Redakteure,
Journalisten und Schriftsteller des deutschen
Volkes, um diese Schmach loszuwerden?
Um zu zeigen, dass Sie nichts mit dem Ver-
fasser dieses Spottgedichts zu tun haben
wollen, der Ihren ganzen Stand besudelt
hat? Nichts haben Sie getan, meine Herren
deutschen Redakteure, Journalisten und
Schriftsteller. Oder glauben Sie etwa, der
Hannoversche Courier sei die einzige deutsche
Zeitung gewesen, die August Stramm in der
niedrigsten Weise beschimpft hat? Bis Ende
September hat die deutsche Presse das Er-
zeugnis der Roheit und der Dummheit aus
dem Hannoverschen Courier mit Entzücken
und Beifall nachgedruckt. Und wer nicht
für ihn war, war gegen ihn. Alle haben
Sie geduldet, dass das deutsche Volk gegen
seinen grössten Dichter aufgehetzt wurde,
bis dieses Volk anfing, sich selbst ein Urteil
über August Stramm zu bilden.-Aber
ich sehe, Sie werden ungeduldig, Herr West-
heim. Sie wollen wissen, was das alles
Sie, angeht. Ich werde es Ihnen sagen:
Sie sollen den Namen Herwarth Waiden
nicht missbrauchen. Sie sollen nicht mit
dem Namen dieses Mannes ein leuchtendes
Wort in das Dunkel Ihres Gestrüpps bringen.
Herwarth Waiden war der erste und ein-
zige Deutsche, der Herz und Hirn für das
Genie August Stramm hatte. Ihm hat nicht
nur Deutschland, sondern die Welt die
Rettung der Dichtungen August Stramms zu
danken. Verhöhnt auch von denen, die ihm
nahe standen,war er daran, seine Dichtungen
in der Verzweiflung zu vernichten. Der
Sturm war sein letzter Glaube. Und Her-
warth Waiden war die Rettung seiner
dichterischen Seele. Verstehen Sie das,
Herr Paul Westheim? Ich glaube nicht.
Denn Sie wissen nicht, was eine Künstler-
seele ist, die von der Meute der deutschen,
ja der deutschen, der dreimal — deutschen
Presse gehetzt wird. Furchtbar ist die
Niedertracht der Kleinen. Ich will sie er-
sticken.
Ich habe so oft verkündet, was AugustStramm
für den Sturm gewesen ist und bleibt, dass
ich das Recht habe, jetzt zu offenbaren, was
Herwarth Waiden für August Stramm war.
Dieser grosse Tote wird nicht aus dem
Grabe lügen wie jener Eine, an den ich
noclUschmerzvoll rühren werde. Aber ich
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