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Weber, Gregor [Editor]
Kulturgeschichte des Hellenismus: von Alexander dem Großen bis Kleopatra — Stuttgart: Klett-Cotta, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.45206#0240
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9. Schließlich: Wie die Ägypter die politische und territoriale Zugehörigkeit
unabhängig von der Ethnizität definierten und gegen die auswärtigen Frem-
den abhoben (Hhv-nbwt), so konnten auch die Griechen ihre Zugehörigkeit
unabhängig von der ethnischen Identität (Jdellenomemphiten) verstehen.
Es ergibt sich also ein Katalog von Adaptationsformen, die nicht zwangsläufig
mit kultureller oder ethnischer Vermischung gleichzusetzen sind und die vor
allem in ihrer Intensität nicht paritätisch sind. Unverändert bleibt die Grund-
tendenz einer allgemein prägenden Gräzisierung in den hellenistischen Rei-
chen. Eine umgekehrte Orientalisierung oder Ägyptisierung von Griechen ist
jeweils von den speziellen lokalen Umständen abhängig; sie ist nur vereinzelt
zu fassen und keine Entwicklung kulturübergreifender Prägung, aber: Sie ist als
Phänomen prinzipiell überall vorhanden. Die Entsprechungen in der kulturellen
Adaptation zeigen, daß diese nicht an die Ethnizität gebunden, also nicht an
sich >typisch griechisch< oder >typisch orientalisch sind. Ein Aufeinandertref-
fen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen war nicht grundsätzlich von einer
ethnisch-zivilisatorischen Segregation der Griechen und einer kulturpolitisch
bedingten Adaptationsbereitschaft der Nicht-Griechen gekennzeichnet. Frei-
lich sind die jeweils speziellen regionalen und lokalen Verhältnisse mit ihren
Eigenheiten zu berücksichtigen, welche die Ansiedlung der Griechen und ihr
Zusammenleben mit den Einheimischen wesentlich bestimmten. Daß die frem-
den Einflüsse auf das Griechische im geschickten Zusammenleben kultureller
Parallelität und vereinzelter Vermischung nicht nachhaltig auf das griechische
Mutterland wirkten, ergibt sich allein aus der speziellen Funktion und lokalen
Singularität derartiger Verbindungen. Es stellt sich allerdings mit Blick auf den
Fall des Herodes die Frage, ob in der Tat kein Zugang zur fremden Geisteswelt
beabsichtigt war, oder ob sich dieser nur zu wenig in den uns erhaltenen griechi-
schen Quellen niedergeschlagen hat.141 Ohnehin können gewisse Elemente der
Hellenisierung, wie z.B. die Übernahme fremder Namen und Ethnika, durch
die Dominanz der Quellen einseitig erscheinen.
Neben dem Status der Griechen als Fremdherrscher, deren Oberschicht sich
erst zum Ende des 3. Jh.s v. Chr. für hellenisierte Aufsteiger zu öffnen beginnt,’43
steht die praktische Umsetzung des griechisch-indigenen Zusammenlebens. Die-
ser Aspekt ist vom Verhältnis und dem gegenseitigen Verständnis beider Seiten
maßgeblich beeinflußt. Allerdings ist es schwer, die nicht-griechische Perspek-
tive auf dieses Verhältnis zu erfassen. Wo dies vereinzelt gelingt, zeigt sich aber,
daß die Präsenz der Griechen trotz der Pflege ihrer kulturellen und ethnischen
Identität nicht von einem aggressiven Kulturimperialismus gekennzeichnet war.

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GRIECHEN UND FREMDE
 
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