WELTKUNST
Jahrg. V, Nr. 4 vom 25. Januar 19&
Sammler und Kritiker
VIII.
Ergänzungen
Deutsch-
daß das
Ländern
Kunst-
Ich möchte keineswegs im folgenden die
sachlichen Ausführungen des Herrn Professor
Rudolf Berliner kritisieren oder debattieren,
da ich mir weder diese Aufgabe stellen kann,
noch mich dazu berufen fühle. Mir liegt viel-
mehr daran, mich zu dem Schlußsaß dieser
Ausführungen zu äußern — soweit ich im Zu-
sammenhang damit den Kernpunkt, d. h. den
Krebsschaden des deutschen, journalistisch
11.—13. Juni, die Sensationen des Auktions-
marktes bildeten.
Denn hier stieg der berühmte Tournaier
Bildteppich mit der Darstellung einer Gerichts-
szene (Abb. Nr. 19) auf 420 000 M., — ein
Preis, der von einem ähnlichen Stück, dem
Tournaier Oktaviansteppich, auf einer Ver-
Von Arthur
Goldschmidt, dem
u. 8. Goldschmidt,
wir eine Ztischrifl
liner gerade an die öffentlich ausgestellte
Sammlung Schloß Rohoncz heran? Und wenn
er es als seine vornehmste Aufgabe ansieht,
jedem Gegenstand einer öffentlich ausgestell-
ten Sammlung seine Kritik anzuheften, so
möge er sich doch vorerst mit den in deut-
schem Museumsbesiß ausgestellten öffent-
lichen Sammlungen beschäftigen, denn bei
diesen ist es ja wohl noch wichtiger, daß sie
jeder öffentlichen Kritik standhalten können.
Und wenn er diese Aufgabe gelöst und dann
noch Zeit und Lust hat, glaube ich, daß; er
durch seine Korrekturen so berühmt und als
Nummer darzulegen?
Berliner, durch solche
die Samrnelfreudigkeit
fördern? Glaubt Herr
seine abfälligen Urteile
daß, wenn es heute noch Leute in Deutschland
gibt, die gleichfalls die Mittel besißen, um
großzügig zu sammeln, ihnen das Sammeln
für ihre Generation verleidet ist, wenn sie
die Polemik, die anläßlich der Ausstellung der
Sammlung Rohoncz entstanden ist, kennen
lernen. Warum macht sich Herr Prof. Ber-
Von Herrn Arthur
Mitinhaber der Firma J.
Berlin-Frankfurt, erhalten
zu einem Aufsatz von Prof. Rudolf Berliner
im „Belvedere“ über „Kunstgewerbe und Plastik
der Sammlung Rohoncz“, die wir im Folgen-
den veröffentlichen möchten, da sie den Stand-
punkt des Kunsthandels in prinzipiellen Ein-
wendungen zum Ausdruck bringt. Die Red.
Bronze-Doppelkopf, Rückseite. Chou-Dynastie
Galerie Dr. Otto Burchard, NewYork
Autorität anerkannt sein wird, daß die Privat'
Sammler aus aller Herren Länder sich in Z®'
kunft von selbst zu ihm begeben werden, ul'1
vor allem seine Ansicht über ihre Kunstschätz®
zu hören, ehe sie diese erwerben oder 0ar
öffentlich zeigen.
Aus dem Vorhergegangenen möge man er'
sehen, daß Herr Prof. Berliner durch seine11
Artikel — selbst wenn seine Argumentatione®
richtig wären — der Sammeltätigkeit 111
Deutschland mehr geschadet als genüßt hat
Es ist aber wohl in unserem armen Deutsch'
land wichtiger zu fördern, als anzuklagen.
Elisabethanische Silberschüssel, 1599
Dm. 48 cm — Slg. Lord Delamere — Kat. Nr. 63
Brachte auf der Versteigerung bei Christie, Manson & Woods, London, am
16. Juli 1930: £ 5800 (= 118000 M)
tätigen Kunsthistorikers, sehe. Denn die
„kritische Durcharbeitung der kunstgewerb-
lichen Bestände der Sammlung Rohoncz“
durch Herrn Prof. Berliner ist sicherlich sehr
interessant zu lesen und wird manche wert-
volle Anregung bieten; jedoch stehen ja den
abfälligen Beurteilungen des Herrn Prof. Ber-
liner die Urteile von W. v. Bode, O. v. Falke,
Marc Rosenberg, Leo Plamscig usw. gegen-
über, und es bleibt schließlich jedem ein-
zelnen überlassen, welche Ansicht ihm wert-
voller erscheint und welcher er sich an-
schließen möchte. Es ist ja wohl bei jeder
anderen Materie auch üblich, daß man sich
den Urteilen der allgemein anerkannten Auto-
riiälen unterwirft. Denn sie hätten ihre be-
sondere Stellung nicht erlangt, wenn sie nicht
in der Wissenschaft und in der Praxis den
Beweis erbracht hätten, daß sie das von
ihnen bearbeitete Gebiet, soweit nach mensch-
lichem Ermessen möglich, voll und ganz be-
herrschen.
Am Ende seines Aufsaßes schreibt Herr
Prof. Berliner:
„Es ist 'Jedenfalls eine gigantische Auf-
gabe, die sich der Sammler (Baron Thyssen)
gestellt hat. Möge man einst sagen können,
daß die deutsche Kunsigeschichtsforschung
ihrer Verpflichtung, die ihr daraus erwuchs,
entsprochen hat.“
Leider muß ich konstatieren, daß Herr Prof.
Berliner sich dieser Verpflichtung anschei-
nend nicht bewußt ist. Wer hat Herrn Prof.
Berliner gerufen, um diese Sammlung kritisch
zu durchleuchten? Und wenn er darum an-
gegangen wurde, was hat ihn dazu bestimmt,
seine Meinung öffentlich in einer Kunstzeit-
schriff Nummer für
Glaubt Herr Prof,
öffentlichen Kritiken
eines Sammlers zu
Prof. Berliner, durch
Kunstmäzene und Sammler alter Kunst, die
es noch nicht sind, zu kreieren?
Ich kann mir nicht gut vorstellen, daß in
früheren Jahrhunderten, bei solchen Kritiken,
die Kunstsammlungen der Fürsten des
18. Jahrhunderts entstanden wären. Es ist
nicht gut vorstellbar, daß ein Land wie Eng-
land ein so ungeheures Reservoir an Kunst-
schäßen besessen hätte und noch besäße,
wenn jedesmal in den vergangenen Jahr-
zehnten und Jahrhunderten beim Ankauf von
Kunstgegenständen seitens eines Engländers
gleich eine solche Kritik begonnen hätte. Wo
wären wir mit unseren heutigen Museums-
beständen hingekommen, wenn in vergan-
genen Zeiten beim Ankauf eines einzelnen
oder mehrerer Stücke oder ganzer Sammlun-
gen die Kritik so eingeseßt hätte, wie hier!
Denn es wird wohl niemand bestreiten können,
daß auch bei jenen Ankäufen Kunstwerke er-
worben wurden, die inzwischen sowohl den
Namen des Meisters als auch die Zeitbestim-
mung geändert haben, ganz abgesehen davon,
daß sich darunter auch manches Stück be-
findet, das später als Fälschung erkannt
wurde, und manches Stück, das auch heute
noch, troßdem es als Fälschung erkannt ist,
bewundert wird. Was schadet das? Wir
haben einen Museumsbestand an Kunstwer-
Damenschreibtisch. Mahagoni. Neuwied, um 1800
Bureau, acajou, Neuwied, vers 1800 — Writing-table, mahagony, Neuwied, about 1800
Versteigerung — Vente — Sale: Internationales Kunst-und Auktionshaus, Berlin, 24. Februar 1931
Wandteppiche, die, wie z. B. bei
ersten Figdor-Versteigerung in Wien
pisserien, deren Preise auf dem modernen
Kunstmarkf in die erste Kategorie klassifiziert
werden dürfen. Es sind vor allem die frühen,
der Gotik oder Renaissance angehörenden
der
am
Tapisserien
Eine gesonderte Betrachtung innerhalb der
kunsthandwerklichen Arbeiten erfordern ihres
zahlreichen Vorkommens wegen die Ta-
Goldschmidt
ken in Deutschland, um den uns wohl die
ganze Welt beneiden kann. Ich glaube auch
nicht, daß es je einen Privatsammler gab, der
hauptsächlich im Anfang seiner Sammeltätig-
keit, vielleicht auch später, nicht manches
Stück erworben hat, das er gern zu einem
späteren Zeitpunkt wieder abgesloßen oder
umgetauscht hätte und hat, — dies ist ja
wohl auch der Werdegang einer jeden Samm-
lung von alten Kunstwerken, und diese Läute-
rung einer Sammlung war bisher, meines Wis-
sens, zu allen Zeiten immer möglich und
durchführbar ohne öffentliche Kritisierung und
Herabseßung.
In England, Frankreich und Amerika wird
auf dem Gebiete der öffentlichen Ausstellung
von Kunstsammlungen und Kunstwerken aus
Privaibesiß viel mehr geleistet als in
land (was wohl auch daran liegt,
Material größer ist); auch in jenen
existieren Kunstzeitschriften und
kriiiker. Ich habe jedoch noch nie, weder
in England, noch in Frankreich, noch in Ame-
rika, welcher Art Ausstellung es auch immer
war, solche abfälligen Kritiken gelesen, wie
sie aus Anlaß der Ausstellung der Sammlung
Rohoncz erschienen sind. Sicherlich befindet
sich auch in den Privataussiellungen des Aus-
landes manches Kunstwerk, bei dem zumin-
dest die Zuschreibung nicht immer zutrifft, und
. trotzdem lesen wir in den dazu erscheinenden
Artikeln stets nur die Dankbarkeit für das
Gezeigte und die Bewunderung für das Mäze-
natentum. Sollte diese Erscheinung nicht zum
Nachdenken Anlaß geben? Sollte nicht hierin
gerade die Begründung liegen, daß im Aus-
land mehr gesammelt wird als in Deutsch-
land? Und ist es nicht selbstverständlich, daß,
je mehr gesammelt wird, desto mehr der
Nation hiervon zugute kommt? Dem ganzen
Deutschland der Nachkriegs- und Inflations-
zeit ersteht eine einzige Persönlichkeit, die
sich in großzügigster Weise das Sammeln
alter Kunst angelegen sein läßt, die bestrebt
ist, eine Sammlung zusammenzubringen, die
mit den großen Sammlungen des Auslandes
konkurrenzfähig ist, und mitten im Aufbau
dieser Sammlung, bei ihrem ersten Schritt
in die Öffentlichkeit, seßen Kritiken ein, die
nicht nur das Vertrauen dieses Sammlers zur
Kunstgeschichtsforschung zum Wanken brin-
gen, vielleicht sogar diesem Sammler die Lust
zu weiteren Opfern für die Durchführung
seiner Pläne nehmen. Soweit ich unter-
richtet bin, sammelt Baron Thyssen seit zirka
acht Jahren, und wenn man diese Zeit nur
verdoppelt, bin ich überzeugt, daß eine in
diesen 16 Jahren von ihm geschaffene Samm-
lung einen Bestand von erstklassigen Kunst-
werken aufgewiesen hätte, die mit jeder be-
rühmten privaten, ja sogar öffentlichen Samm-
lung des In- und Auslandes hätte konkur-
rieren können.
Nicht nur, daß durch den Streit der Kunst-
historiker diesem Sammler die Lust am Sam-
meln und das Vertrauen zur Forschung ge-
nommen werden kann, — ich bin überzeugt,
Steigerung in Luzern (21.—23. Aug.) mit 140 00®
Mark nicht entfernt erreicht wurde. Ei|
Brüsseler Teppich um 1500 brachte bei Figdo1
120 000 M. (Abb. Nr. 24), ein Nürnberger Bild'
leppich um 1470 (Abb. Nr. 24) 102 000 M., ei®
noch etwas früherer Schweizer Teppich 72 00®
Mark, während auf der Versteigerung Vieweö
bei Lepke am 18. MäP
für ein kleines Brüs'
seler Altarantependii®’1
um 1530 (Abb. Nr. ® ■
49 000 M., für eine11
Brüsseler Gobelin ul’1
1600 20 000 M. bezahl’
wurden.
Von den spätere®
Tapisserien seien v°f
allem der französisch®
Gobelin um 1700 a®5
der Sammlung Karat'
sonyi genannt, der i®1
Internationalen Kunst'
und Auktionshaus ’®
Berlin am 24. Februa’
60 000 M. brachte (Abb-
Nr. 1), eine flämisch®
Tapisserie des 17. Jahr'
hunderts mit Winter'
landschaft (Christie’5,
20. Febr.) mit 52 600 N*'
ein ebenfalls fläm>'
scher Blumengobeli.®
des 16. Jahrhunderts m®
36 400 M. (Christie'5'
8. Juli) und ein Arras®1
Wandteppich derselbe®
Zeit mit Darstellung
eines Triumphzug5
(Lepke, 2. April) ifl
21 500 M. Es ist selbst'
verständlich, daß hinte®
diesen Preisen di®
große Menge des Mittel'
gutes steht, desse®
schwankende BewetuO®
hier in Einzelpreisen festzuhalten zu we®
führen müßte.
sehentlich ein „Hubertus“ statt des „Heil’Ö y
Hieronymus“ mit 27 000 M. aufgeführt. g
Gleichzeitig seien hier noch zwei weiiei((
außerordentliche Preise nachgefragen, die 0 j
der B o e r n e r sehen Herbstauktion erz1 j
wurden, und zwar die Summen von 27 000 ‘ (
und 14 500 M., die Rembrandts „Darsfell® <'
im Tempel“ (B. 50) und dessen „Drei KreuZ
erbrachten. n
(Fortsetzung des Rückblicks in Nr._. 5. der Weltk'11'1
IX.
Altes Silber
Eine besondere Besprechung verdien®.®
die Silberarbeiten aus der Barockze’
und den folgenden Epochen, die vorwiegen®
in London, aber auch in Berlin zum Ausgeb0
kamen. Für qualitätvolle Silbersachen wurde®
vielfach ganz beträchtliche Preise angelefl1'
Bei Arbeiten des 16. Jahrhunderts gab ma®
in London am 26. März für einen elisabethan’'
sehen Krug (1572): 30 600 M., — am 10. Apr®
für einen niederländischen Nautilus-Poka®
12 240 M., und für einen getriebenen Deckel'
pokal, James I (1619): 67 320 M., — am 26. Ju®,
für eine silbervergoldete elisabethanisch1
Schale (1573), die wir in Nr. 31 abbildefe®'
34 800 M., — am 16. Juli für eine silbervei'
goldefe elisabethanische Platte (1599): 118 0°“
Mark (Abb. oben). Bei Arbeiten des 17. Jahr®'
zahlte man in London auf der Barnet Lew’5
Auktion für einen Molkentopf (1656): 15 570^
Der Verlag der WELTKUNST kauft bis a®i
weiteres die Nr. 2 vom Jahrgang 1927 1)11
Nr. 24 vom Jahrgang 1929 der Kunstauktion ®
gut erhaltenem Zustand mit je 3 M. zurii1®'
und für einen Deckelkrug Charles II. (166^
10 900 M., — am 19. März für eine gravier*
Schüssel (1687): 22 030 M., — am 12. Juni f®
einen Deckelpokal (1655): 30 800 M. — Bei d0^
Stücken des 18. Jahrhunderts brachten ’
London auf der Barnet Lewis-Auktion e®’
Serie von vier Queen Anne-Tischleuchterz
(1702): 22 340 M., — am 19. März ein Toilette®
Service George II. (1729): 75 500 M., und dr®
Deckelbecher von A. Nelme (1713/15): 24 500^'
— am 26. Juni der bekannte Gibraliar-Bech®
von 1705, den wir in Nr. 29 reproduzierte®^
1480 £, — in Berlin bei Ball-Graupe
25. September: zwei französische Deckeltelj
■rinen von 1739 (Abb. Nr. 36): 67 000 M., ®A
zwei Saucieren von Auguste von 1768 (Aot ■
Nr. 37): 63 000 M.
In dem Abschnitt über die „G r a p h >
unseres „Rückblicks auf das Jahr 1930“ (N®'
der „Weltkunst“) ist bei den Dürerstichen veL
c-,.t,+1;^.1^ _« „i„4.i T-
Jahrg. V, Nr. 4 vom 25. Januar 19&
Sammler und Kritiker
VIII.
Ergänzungen
Deutsch-
daß das
Ländern
Kunst-
Ich möchte keineswegs im folgenden die
sachlichen Ausführungen des Herrn Professor
Rudolf Berliner kritisieren oder debattieren,
da ich mir weder diese Aufgabe stellen kann,
noch mich dazu berufen fühle. Mir liegt viel-
mehr daran, mich zu dem Schlußsaß dieser
Ausführungen zu äußern — soweit ich im Zu-
sammenhang damit den Kernpunkt, d. h. den
Krebsschaden des deutschen, journalistisch
11.—13. Juni, die Sensationen des Auktions-
marktes bildeten.
Denn hier stieg der berühmte Tournaier
Bildteppich mit der Darstellung einer Gerichts-
szene (Abb. Nr. 19) auf 420 000 M., — ein
Preis, der von einem ähnlichen Stück, dem
Tournaier Oktaviansteppich, auf einer Ver-
Von Arthur
Goldschmidt, dem
u. 8. Goldschmidt,
wir eine Ztischrifl
liner gerade an die öffentlich ausgestellte
Sammlung Schloß Rohoncz heran? Und wenn
er es als seine vornehmste Aufgabe ansieht,
jedem Gegenstand einer öffentlich ausgestell-
ten Sammlung seine Kritik anzuheften, so
möge er sich doch vorerst mit den in deut-
schem Museumsbesiß ausgestellten öffent-
lichen Sammlungen beschäftigen, denn bei
diesen ist es ja wohl noch wichtiger, daß sie
jeder öffentlichen Kritik standhalten können.
Und wenn er diese Aufgabe gelöst und dann
noch Zeit und Lust hat, glaube ich, daß; er
durch seine Korrekturen so berühmt und als
Nummer darzulegen?
Berliner, durch solche
die Samrnelfreudigkeit
fördern? Glaubt Herr
seine abfälligen Urteile
daß, wenn es heute noch Leute in Deutschland
gibt, die gleichfalls die Mittel besißen, um
großzügig zu sammeln, ihnen das Sammeln
für ihre Generation verleidet ist, wenn sie
die Polemik, die anläßlich der Ausstellung der
Sammlung Rohoncz entstanden ist, kennen
lernen. Warum macht sich Herr Prof. Ber-
Von Herrn Arthur
Mitinhaber der Firma J.
Berlin-Frankfurt, erhalten
zu einem Aufsatz von Prof. Rudolf Berliner
im „Belvedere“ über „Kunstgewerbe und Plastik
der Sammlung Rohoncz“, die wir im Folgen-
den veröffentlichen möchten, da sie den Stand-
punkt des Kunsthandels in prinzipiellen Ein-
wendungen zum Ausdruck bringt. Die Red.
Bronze-Doppelkopf, Rückseite. Chou-Dynastie
Galerie Dr. Otto Burchard, NewYork
Autorität anerkannt sein wird, daß die Privat'
Sammler aus aller Herren Länder sich in Z®'
kunft von selbst zu ihm begeben werden, ul'1
vor allem seine Ansicht über ihre Kunstschätz®
zu hören, ehe sie diese erwerben oder 0ar
öffentlich zeigen.
Aus dem Vorhergegangenen möge man er'
sehen, daß Herr Prof. Berliner durch seine11
Artikel — selbst wenn seine Argumentatione®
richtig wären — der Sammeltätigkeit 111
Deutschland mehr geschadet als genüßt hat
Es ist aber wohl in unserem armen Deutsch'
land wichtiger zu fördern, als anzuklagen.
Elisabethanische Silberschüssel, 1599
Dm. 48 cm — Slg. Lord Delamere — Kat. Nr. 63
Brachte auf der Versteigerung bei Christie, Manson & Woods, London, am
16. Juli 1930: £ 5800 (= 118000 M)
tätigen Kunsthistorikers, sehe. Denn die
„kritische Durcharbeitung der kunstgewerb-
lichen Bestände der Sammlung Rohoncz“
durch Herrn Prof. Berliner ist sicherlich sehr
interessant zu lesen und wird manche wert-
volle Anregung bieten; jedoch stehen ja den
abfälligen Beurteilungen des Herrn Prof. Ber-
liner die Urteile von W. v. Bode, O. v. Falke,
Marc Rosenberg, Leo Plamscig usw. gegen-
über, und es bleibt schließlich jedem ein-
zelnen überlassen, welche Ansicht ihm wert-
voller erscheint und welcher er sich an-
schließen möchte. Es ist ja wohl bei jeder
anderen Materie auch üblich, daß man sich
den Urteilen der allgemein anerkannten Auto-
riiälen unterwirft. Denn sie hätten ihre be-
sondere Stellung nicht erlangt, wenn sie nicht
in der Wissenschaft und in der Praxis den
Beweis erbracht hätten, daß sie das von
ihnen bearbeitete Gebiet, soweit nach mensch-
lichem Ermessen möglich, voll und ganz be-
herrschen.
Am Ende seines Aufsaßes schreibt Herr
Prof. Berliner:
„Es ist 'Jedenfalls eine gigantische Auf-
gabe, die sich der Sammler (Baron Thyssen)
gestellt hat. Möge man einst sagen können,
daß die deutsche Kunsigeschichtsforschung
ihrer Verpflichtung, die ihr daraus erwuchs,
entsprochen hat.“
Leider muß ich konstatieren, daß Herr Prof.
Berliner sich dieser Verpflichtung anschei-
nend nicht bewußt ist. Wer hat Herrn Prof.
Berliner gerufen, um diese Sammlung kritisch
zu durchleuchten? Und wenn er darum an-
gegangen wurde, was hat ihn dazu bestimmt,
seine Meinung öffentlich in einer Kunstzeit-
schriff Nummer für
Glaubt Herr Prof,
öffentlichen Kritiken
eines Sammlers zu
Prof. Berliner, durch
Kunstmäzene und Sammler alter Kunst, die
es noch nicht sind, zu kreieren?
Ich kann mir nicht gut vorstellen, daß in
früheren Jahrhunderten, bei solchen Kritiken,
die Kunstsammlungen der Fürsten des
18. Jahrhunderts entstanden wären. Es ist
nicht gut vorstellbar, daß ein Land wie Eng-
land ein so ungeheures Reservoir an Kunst-
schäßen besessen hätte und noch besäße,
wenn jedesmal in den vergangenen Jahr-
zehnten und Jahrhunderten beim Ankauf von
Kunstgegenständen seitens eines Engländers
gleich eine solche Kritik begonnen hätte. Wo
wären wir mit unseren heutigen Museums-
beständen hingekommen, wenn in vergan-
genen Zeiten beim Ankauf eines einzelnen
oder mehrerer Stücke oder ganzer Sammlun-
gen die Kritik so eingeseßt hätte, wie hier!
Denn es wird wohl niemand bestreiten können,
daß auch bei jenen Ankäufen Kunstwerke er-
worben wurden, die inzwischen sowohl den
Namen des Meisters als auch die Zeitbestim-
mung geändert haben, ganz abgesehen davon,
daß sich darunter auch manches Stück be-
findet, das später als Fälschung erkannt
wurde, und manches Stück, das auch heute
noch, troßdem es als Fälschung erkannt ist,
bewundert wird. Was schadet das? Wir
haben einen Museumsbestand an Kunstwer-
Damenschreibtisch. Mahagoni. Neuwied, um 1800
Bureau, acajou, Neuwied, vers 1800 — Writing-table, mahagony, Neuwied, about 1800
Versteigerung — Vente — Sale: Internationales Kunst-und Auktionshaus, Berlin, 24. Februar 1931
Wandteppiche, die, wie z. B. bei
ersten Figdor-Versteigerung in Wien
pisserien, deren Preise auf dem modernen
Kunstmarkf in die erste Kategorie klassifiziert
werden dürfen. Es sind vor allem die frühen,
der Gotik oder Renaissance angehörenden
der
am
Tapisserien
Eine gesonderte Betrachtung innerhalb der
kunsthandwerklichen Arbeiten erfordern ihres
zahlreichen Vorkommens wegen die Ta-
Goldschmidt
ken in Deutschland, um den uns wohl die
ganze Welt beneiden kann. Ich glaube auch
nicht, daß es je einen Privatsammler gab, der
hauptsächlich im Anfang seiner Sammeltätig-
keit, vielleicht auch später, nicht manches
Stück erworben hat, das er gern zu einem
späteren Zeitpunkt wieder abgesloßen oder
umgetauscht hätte und hat, — dies ist ja
wohl auch der Werdegang einer jeden Samm-
lung von alten Kunstwerken, und diese Läute-
rung einer Sammlung war bisher, meines Wis-
sens, zu allen Zeiten immer möglich und
durchführbar ohne öffentliche Kritisierung und
Herabseßung.
In England, Frankreich und Amerika wird
auf dem Gebiete der öffentlichen Ausstellung
von Kunstsammlungen und Kunstwerken aus
Privaibesiß viel mehr geleistet als in
land (was wohl auch daran liegt,
Material größer ist); auch in jenen
existieren Kunstzeitschriften und
kriiiker. Ich habe jedoch noch nie, weder
in England, noch in Frankreich, noch in Ame-
rika, welcher Art Ausstellung es auch immer
war, solche abfälligen Kritiken gelesen, wie
sie aus Anlaß der Ausstellung der Sammlung
Rohoncz erschienen sind. Sicherlich befindet
sich auch in den Privataussiellungen des Aus-
landes manches Kunstwerk, bei dem zumin-
dest die Zuschreibung nicht immer zutrifft, und
. trotzdem lesen wir in den dazu erscheinenden
Artikeln stets nur die Dankbarkeit für das
Gezeigte und die Bewunderung für das Mäze-
natentum. Sollte diese Erscheinung nicht zum
Nachdenken Anlaß geben? Sollte nicht hierin
gerade die Begründung liegen, daß im Aus-
land mehr gesammelt wird als in Deutsch-
land? Und ist es nicht selbstverständlich, daß,
je mehr gesammelt wird, desto mehr der
Nation hiervon zugute kommt? Dem ganzen
Deutschland der Nachkriegs- und Inflations-
zeit ersteht eine einzige Persönlichkeit, die
sich in großzügigster Weise das Sammeln
alter Kunst angelegen sein läßt, die bestrebt
ist, eine Sammlung zusammenzubringen, die
mit den großen Sammlungen des Auslandes
konkurrenzfähig ist, und mitten im Aufbau
dieser Sammlung, bei ihrem ersten Schritt
in die Öffentlichkeit, seßen Kritiken ein, die
nicht nur das Vertrauen dieses Sammlers zur
Kunstgeschichtsforschung zum Wanken brin-
gen, vielleicht sogar diesem Sammler die Lust
zu weiteren Opfern für die Durchführung
seiner Pläne nehmen. Soweit ich unter-
richtet bin, sammelt Baron Thyssen seit zirka
acht Jahren, und wenn man diese Zeit nur
verdoppelt, bin ich überzeugt, daß eine in
diesen 16 Jahren von ihm geschaffene Samm-
lung einen Bestand von erstklassigen Kunst-
werken aufgewiesen hätte, die mit jeder be-
rühmten privaten, ja sogar öffentlichen Samm-
lung des In- und Auslandes hätte konkur-
rieren können.
Nicht nur, daß durch den Streit der Kunst-
historiker diesem Sammler die Lust am Sam-
meln und das Vertrauen zur Forschung ge-
nommen werden kann, — ich bin überzeugt,
Steigerung in Luzern (21.—23. Aug.) mit 140 00®
Mark nicht entfernt erreicht wurde. Ei|
Brüsseler Teppich um 1500 brachte bei Figdo1
120 000 M. (Abb. Nr. 24), ein Nürnberger Bild'
leppich um 1470 (Abb. Nr. 24) 102 000 M., ei®
noch etwas früherer Schweizer Teppich 72 00®
Mark, während auf der Versteigerung Vieweö
bei Lepke am 18. MäP
für ein kleines Brüs'
seler Altarantependii®’1
um 1530 (Abb. Nr. ® ■
49 000 M., für eine11
Brüsseler Gobelin ul’1
1600 20 000 M. bezahl’
wurden.
Von den spätere®
Tapisserien seien v°f
allem der französisch®
Gobelin um 1700 a®5
der Sammlung Karat'
sonyi genannt, der i®1
Internationalen Kunst'
und Auktionshaus ’®
Berlin am 24. Februa’
60 000 M. brachte (Abb-
Nr. 1), eine flämisch®
Tapisserie des 17. Jahr'
hunderts mit Winter'
landschaft (Christie’5,
20. Febr.) mit 52 600 N*'
ein ebenfalls fläm>'
scher Blumengobeli.®
des 16. Jahrhunderts m®
36 400 M. (Christie'5'
8. Juli) und ein Arras®1
Wandteppich derselbe®
Zeit mit Darstellung
eines Triumphzug5
(Lepke, 2. April) ifl
21 500 M. Es ist selbst'
verständlich, daß hinte®
diesen Preisen di®
große Menge des Mittel'
gutes steht, desse®
schwankende BewetuO®
hier in Einzelpreisen festzuhalten zu we®
führen müßte.
sehentlich ein „Hubertus“ statt des „Heil’Ö y
Hieronymus“ mit 27 000 M. aufgeführt. g
Gleichzeitig seien hier noch zwei weiiei((
außerordentliche Preise nachgefragen, die 0 j
der B o e r n e r sehen Herbstauktion erz1 j
wurden, und zwar die Summen von 27 000 ‘ (
und 14 500 M., die Rembrandts „Darsfell® <'
im Tempel“ (B. 50) und dessen „Drei KreuZ
erbrachten. n
(Fortsetzung des Rückblicks in Nr._. 5. der Weltk'11'1
IX.
Altes Silber
Eine besondere Besprechung verdien®.®
die Silberarbeiten aus der Barockze’
und den folgenden Epochen, die vorwiegen®
in London, aber auch in Berlin zum Ausgeb0
kamen. Für qualitätvolle Silbersachen wurde®
vielfach ganz beträchtliche Preise angelefl1'
Bei Arbeiten des 16. Jahrhunderts gab ma®
in London am 26. März für einen elisabethan’'
sehen Krug (1572): 30 600 M., — am 10. Apr®
für einen niederländischen Nautilus-Poka®
12 240 M., und für einen getriebenen Deckel'
pokal, James I (1619): 67 320 M., — am 26. Ju®,
für eine silbervergoldete elisabethanisch1
Schale (1573), die wir in Nr. 31 abbildefe®'
34 800 M., — am 16. Juli für eine silbervei'
goldefe elisabethanische Platte (1599): 118 0°“
Mark (Abb. oben). Bei Arbeiten des 17. Jahr®'
zahlte man in London auf der Barnet Lew’5
Auktion für einen Molkentopf (1656): 15 570^
Der Verlag der WELTKUNST kauft bis a®i
weiteres die Nr. 2 vom Jahrgang 1927 1)11
Nr. 24 vom Jahrgang 1929 der Kunstauktion ®
gut erhaltenem Zustand mit je 3 M. zurii1®'
und für einen Deckelkrug Charles II. (166^
10 900 M., — am 19. März für eine gravier*
Schüssel (1687): 22 030 M., — am 12. Juni f®
einen Deckelpokal (1655): 30 800 M. — Bei d0^
Stücken des 18. Jahrhunderts brachten ’
London auf der Barnet Lewis-Auktion e®’
Serie von vier Queen Anne-Tischleuchterz
(1702): 22 340 M., — am 19. März ein Toilette®
Service George II. (1729): 75 500 M., und dr®
Deckelbecher von A. Nelme (1713/15): 24 500^'
— am 26. Juni der bekannte Gibraliar-Bech®
von 1705, den wir in Nr. 29 reproduzierte®^
1480 £, — in Berlin bei Ball-Graupe
25. September: zwei französische Deckeltelj
■rinen von 1739 (Abb. Nr. 36): 67 000 M., ®A
zwei Saucieren von Auguste von 1768 (Aot ■
Nr. 37): 63 000 M.
In dem Abschnitt über die „G r a p h >
unseres „Rückblicks auf das Jahr 1930“ (N®'
der „Weltkunst“) ist bei den Dürerstichen veL
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