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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 22 (31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44978#0259
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31. MAI 1931

V. JAHRGANG, Nr. 22

D 1 E


ART»/*WORLD

ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT

ST
LMONDEfcARTS

Das INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT

Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
^erlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin».
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^aag 145512; Paris 118732 ; Prag 59283; Wien 114783; Zürich 8159
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Bisheriger Titel:


Redaktion, Verlag und Leses aal:
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77 • Tel. B 5 Barbarossa 7228

Herausgeber Dr. J. I. von Saxe

Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 50 Pfennig. Quartal für Deutschland inklusive Postzustellung
Mark 4,50; Lieferung durch den Verlag im Umschlag Mark 5,50; für das
Ausland (nur im Umschlag) Mark 5,50; oder: Oesterreich ö. S. 9; Tschecho-
slowakei Kc 45; Frankreich und Belgien fr. Frs. 35; Holland hfl. 3,25: Eng-
land £ /5/6; Schweiz und die nicht angeführten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50

WERTHEIM: das biblographikon
Berlin w 9« leipziger str. Alte Graphik Seltene Bücher Moderne Kunst

Romantische Malerei
* „
in Deutschland und
Frankreich

iurtg.

Vorabdruck aus dem Katalog der Ausstellung,
die die Ludwigsgalerie in München unter
Mitwirkung von Paul Cassirer, Berlin, ver-
anstaltet. Die Red.
, . Es mag als Wagnis erscheinen, wenn die
Münchener Ludwigsgalerie es unter-
!llrnmt, Beispiele deutscher und französischer
Malerei des früheren 19. Jahrhunderts im
pahmen einer Ausstellung gleichsam pari-
,'üisch vorzuführen. Die Befürchtung, daß der
."Ortung heimischer Kunstübung damit ein
"brecht getan werden könnte, tritt mit Nach-
duck auf und bedarf ausführlicher Entkräf-
übg. Um vorschnellem Urteil zu begegnen,
Sfüen der Veranstaltung einige kommentie-
vT'b’de, wie ich hoffe, nicht zu theoretisierende
v/orte beigegeben. Die Hilfe der Theorie er-
list sich hier um so eher als statthaft, ja
Geboten, als die Zusammenfassung sämtlicher
^gestellter Werke unter dem Generalnenner
^'er Romantik ohnedies kommentarlos leicht
mißverständlicher Ausdeutung Anlaß geben
»lag.
.Es ist von vornherein bedenklich, den Be-
ÜDff des Romantischen auf deutsche und frän-
kische Produktion gleichermaßen anzu-
iCUden, vor allem, wenn es sich um Dinge
ver bildenden Kunst handelt. Hier bereits
der Keim zu möglicher Ungerechtigkeit.
le Romantik in Deutschland ist eine der
®r°ßen Tendenzen ihres Zeitalters. Sie wirkt
'CE aus auf allen Gebieten der Geistes-
pjssenschaft, der Poesie, der Musik. Ihre
l’Wel heißen Novalis, Hölderlin, Schelling,
Jbek, Brentano. Daneben stehen vergleichs-
weise bescheiden und ihrer sekundären Be-
I Jätung selbst bewußt die bildenden Künst-
rl: Ph. Otto Runge, das „Auge der Früh-
°biantik", der sein Hauptwerk gleichsam ent-
.p'Uldigend als „eine abstrakte malerisch-
rjQntastisch musikalische Dichtung mit
s hören" bezeichnet; die Nazarener, von denen
9.b.st der mächtige Cornelius sich einen
j l[jener der Dichtkunst“ nennt; die Land-
Jmafter mit Friedrich, Carus, den Olivier,
],°Hmann; der liebliche Wiener Schwind.
f'rkCr aller Wesentlichstes scheint dem Nach-
ären nicht so sehr das einzelne Werk, das
,geschaffen, als vielmehr ihr Anteil an der
rostigen Atmosphäre ihrer Zeit, einer der
A*ürnreichsten deutscher Vergangenheit, deren
^'Wirkungen uns unter allen Umständen, in
r der Form von Wichtigkeit sind. In Frank-
Jcch dagegen findet sich das Höchste, dessen
w'5 Romantik des Landes fähig war, verkör-
in dem Maler Delacroix. Auf ihn fällt
stärkste Glanz, neben dem die Vertreter
k Dichtkunst, ein Müsset, ein Chateaubriand,
ü>st ein Victor Hugo verblassen.
anders liegt das Verhältnis bei dem
q der Romantik als Ausgangspunkt und
(jTbenspiel unlösbar verknüpften, daher auf
'S(‘r Schau mitvertretenen Klassizismus:

auch hier heißt die deutsche Parallele zur
großen Figur des Ingres nicht Carstens oder
gar Genetti, vielmehr Winkelmann. — Nach-
dem dies festgestellt, ergibt sich von selbst
eine gerechtere Verteilung der Gewichte.
Es entsprach der Schichtung der deutschen
Romantik, daß die bildenden Künstler ihre
Befehle von den großen Anregern der anderen
Disziplinen in Empfang nahmen und' ihnen
nach Kräften Form zu geben sich mühten. Wie
die Schranken zwischen Wissenschaften und

die Erfüllung gebracht: davor bewahrt die
deutsche Kunst schon die am Anfang des
Jahrhunderts in aller Bescheidenheit ragende
Figur Caspar David Friedrichs.
Audi Friedrich beabsichtigt zunächst etwas
Gedankliches: das Sichtbarmachen mystisch-
religiöser Begriffe durch das Medium der
Landschaft — doch führt ihn, den wahren
Maler, gerade der fromme Wille, seinen Emp-
findungen die vollendetste Form zu geben,
zum treuen Versenken in die Natur, zu neu-


Rembrandt, Fabius Maximus. 1655
Leinwand — Toile — Canvas, 179:197 cm — Collection Marczell von Nemes, München — Kat. Nr. 334
Versteigerung — Vente —• Sale:
P. Cassirer, H. Helbing und Frederik Muller & Co., München, 16.—19. Juni 1931

Künsten, zwischen Dichtung und Malerei, wur-
den auch die Grenzen des Vaterlandes von
den übermächtigen deutschen Theoretikern
niedergerissen; die französischen Künstler
empfingen, wenn auch minder bewußt, die-
selben — oder doch verwandte — Anregun-
gen: so wurde Ießten Endes die deutsche
romanfisch-klassizistische Geistigkeit in den
deutschen und in den französischen Bildern
der Zeit gleichermaßen zur Gestalt. Bei
dieser Verschränkung ist es kaum verwunder-
lich, daß die Forderungen unserer Theoretiker
nicht selten in Frankreich vollendetere Illu-
strierung finden konnten als im eigenen
Lande. Keineswegs ist jedoch das Verhältnis
schematisch so zu fassen, als hätte Deutsch-
land durchweg nur die Forderung, Frankreich

artiger Beobachtung der Phänomene von Luft
und Licht, endlich zu einem völlig neuen Zu-
sammenhang zwischen Mensch und Natur.
In der Stimmungs- und Empfindungsland-
schaft, dem „malerischen Erdlebenbild“
Friedrichs, wie sein Freund und Deuter Carus
es benennt, fügen sich bei hochgespannter
Forderung Wollen und Vollbringen zu glück-
licher Harmonie. Die romantische malerische
Landschaft siegt damit über die klassizistische
— etwa eines Ph. Anion Koch —, der seine
großgesehenen, hartkonturierten Heroen-
wohnsiße treu nach der Formel des Winkel-
mannklassizismus baut, daß „Wesen und
Grundlage der Landschaft plastisch sey“.
Friedrich hat, dem unseligen Mangel an Kon-
tinuität in der deutschen Kunst entsprechend.

keine Schule gegründet, doch finden sich in
seinem Bannkreis neben Carus der Norweger
C. C. Dahl, der Mecklenburger G. F. Kersting.
Es ist das wesentlich Unterscheidende zwi-
schen Friedrich, den Seinen und der Mehrzahl
der übrigen Maler der Romantik, daß er und
die Freunde, um ihre Ideen zu versinnlichen,
unmittelbar aus der Natur schöpfen, während
jene dem Umweg über die Kunstübung der
Vergangenheit nicht enfraten zu können glau-
ben. Der rückwärts gewandte, gleichsam
antiguarische Zug der deutschen Romantiker-
kunst ist es vor allem, der ihr das Mißtrauen
des späteren 19. Jahrhunderts zugezogen und
eine schlechte Note bei Künstlern wie Kunst-
schriftstellern des „Naturalismus“ und „Im-
pressionismus“ erwirkt hat. In Wahrheit for-
dern die großen romantischen Geseßgeber,
die Friedrich Schlegel, Tieck, Wackenroder,
keineswegs sklavische Nachahmung des zum
Ideal erklärten Mittelalters — etwa wie der
Klassizismus Nachahmung der Antike ge-
fordert hatte: sie erhoffen Wiederer-
weckung der bildenden Künste durch ein
schöpferisches Hineinleben in die Gesinnung
wie in Form, Farbe und Technik der Alten.
„Die Aneignung eines nicht selbsterworbenen
Schönen, sagt Schilling, befriedigt einen
Kunsttrieb nicht, aus dem das Schöne
frei und urkräftig sich wiedererzeugen soll.“
Die Gerechtigkeit gebietet, festzustellen,
daß dem hochgeseßten Wollen zunächst in der
Tat ein Auftrieb deutschen Kunstschaffens
entspricht. Der junge Cornelius, Overbeck,
Fohr, der junge Schnorr zeigen sich der An-
reger würdig. Erst nachdem an die Stelle der
nicht ohne Glück richtunggebenden deutschen
Gotik und des italienischen Quattrocento die
klassische Kunst der Renaissance — eine dem
Deutschen wenig adäquate. Norm — getreten
war, wird Neuschöpfung wirklich zur Nach-
ahmung, die Bewegung mündet am Ende in
dem Klassizismus, den zu bekämpfen sie aus-
gezogen.
Troß aller Ansäße und Bemühungen
liegt die Erfüllung des großen Romantiker-
traums eines Wiederauflebens der Vergangen-
heit auf dem Gebiet der bildenden Kunst in
Frankreich, in dem Werk Eugene Delacroix’.
Wenn Delacroix auch seine Vorbilder anderen
Epochen entnimmt, ist die Art, in der Rubens,
Tizian durch ihn neu erblühen, ganz im Sinne
der großen Theorie: „wir müssen die Kunst auf
ihrem (d. i. der Alten) Weg, aber mit eigen-
tümlicher Kraft wiedererschaffen, um ihnen
gleich zu werden“ (Schelling). In der Ver-
einigung der geistig bedeutenden Inhalte mit
höchster sinnlicher Schönheit des Malwerks,
des Furors der Auffassung mit weiser Bändi-
gung der Komposition ist Delacroix in der Tat
den großen Alten gleichzuseßen: sein Werk
bedeutet Zentrum und Maßstab romantisch-
malerischen Schaffens. Wenn wir, nach
Deutschland zurückblickend, eine Leistung
gleicher Höhe auf den romantischen Lieblings-
gebieten des Aneignens, des Neuformens ver-
gangener Werte suchen, kommen wir, wieder
die Grenzen von Malerei und Dichtkunst über-
tretend, auf den deutschen Shakespeare
Schlegels, auf „Des Knaben Wunderhorn“.
Verkörpert Delacroix den romantischen Künst-
ler kat’exochen, fügt sich der ein Jahr früher
geborene Corot nicht ohne Mühe in den ro-
mantischen Zusammenhang — eines der allzu

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