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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 5 (1. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44978#0059
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W E L T K U N S T

9



BAU
RAUMKUNST

Architekt Andre Lurfat, Frankreich (1925)

Artaria & Schmidt, Schweiz (1928)

Architekten

wirtschaft, muß ein neues

Architekt r. L. Wright, U. S. A.

(1923)

Ernst May, Deutschland (1927)

Architekt

■Architekt J. J. P. Oud, Holland, (1927).

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den
wie
Sie
daß

do-
der
Ar-
die
der

Architekten Le Corbusier & !’. Je’ärfneret, Frankreich (r'92.7)

zu den interessantesten Experimenten in der
Architektur.
Aber erst der Krieg befreit von allen
Bindungen an die Vergangenheit. Plößlich
wurde einerseits der Grad der Desorganisa-
tion der Baiuwelt bewußt, andererseits aber
auch das Ausmaß an neuen Möglichkeiten
durch die Entwicklung der Maschinen, die
ebenso zerstörend wie aufbauend sein sollten.
Und seit 1916 nahm dieses Bewußtsein die
junge Architektenwelt vollkommen gefangen.
Die lebenspendenden technischen Möglich-
keiten sind eine Tatsache. Wie wären diese
Möglichkeiten am schnellsten nußbringend
auszuwerten? — Denn durch immer inten-
sivere Kenntnis der Details, durch immer in-
tensivere Vertiefung in die Zeitprobleme der
Volkswohlfahrt

Leben geschaffen werden können, das Leben
der Gegenwartsgeneration — und daraus ein
neuer Schönheitsbegriff, der dieser Generation
entspricht, der sich organisch und harmonisch
als Quintessenz ergibt.
Zunächst war eine wiederholte Prüfung der
konstruktiven Fortschritte, neuer Bau-
materialien und ihrer Verwertung die erste
Aufgabe, die gewissenhaft erfüllt werden
mußte. Eisenbeton, Stahl oder Eisen, Glas,
Holz und die Vereinheitlichung der Konstruk-
tionsdetails (wie Fenster- und Türrahmen,
Bodenbeläge, Heizanlagen usw.l waren die
Ausgangspunkte der neuen zweckmäßigen
Bauweise. Durch den Eisenbeton ergab sich
jene Freiheit vom Mauerwerk, die gestattete,
Luft und Licht in viel reicherem Maße hygieni-
schen Zwecken dienstbar zu machen. Die
neuen Hilfsmittel der Industrie gewährleisteten

moderne Städtebau. Im Jahre 1928 gibt es
schon eine Unzahl von Bauten nach den neuen
Prinzipien, in Holland, Frankreich, Deutschland,
Österreich, Rußland, Belgien, Schweiz, Italien,
und Amerika. Wie sind aber die Aus-
sichten für größere Baueinheiten, die aus so
verschiedenen Schöpfungen zusammengeseßt
sein werden, wenn sie auch aus einer Grund-
idee resultieren? — Mit der Vergangenheit ist
siegreich gekämpft worden, — aber die Zu-
kunft wird über die Werte der gegenwärtigen
Schöpfungen zu Gericht zu sißen haben.
Es ist selbstverständlich, daß man zunächst
bei der Beobachtung der historischen Reihen-
folge moderner Bauten gewisse ästhetische
Unzulänglichkeiten erkennen wird, die sich
leicht aus der Vorherrschaft der Konstruktion
erklären. Aber auch die Ersten, die dem
Unterricht des Ingenieurs folgten, strebten

einen veränderten Lebensstandard. Und aus
der Möglichkeit, neue Bauformen zu schaffen,
entstand ein neuer plastischer Ausdruck. Das
sind die Vorbedingungen des neuen Baustils;
die Einsicht der Verderblichkeit aller Negation
des Fortschritts, das Bestreben, handelnd mit
seiner Zeit zu leben und an der Schöpfung
adäguater Formen zu arbeiten. Das Ma-
schinenzeitalter ist die Ästhetik des Ingenieurs.
Die jungen Baukünstler haben sich zu-
sammengeschlossen, haben in den einzelnen
Ländern logisch ihren Ehrlichkeitswillen
kumenfiert und erreicht, daß man sie mit
Schaffung von Siedlungen für Bürger und
beiter betraute. Noch nie haben sich
Programme der neuen Bauschöpfungen
einzelnen Länder so genähert. Aus der Ver-
wirrung städtischen Lebens entsteht

nach Erneuerung reiner, klarer Bauformen. Es
ist unerläßlich wichtig, auf die Künstler dank-
bar hinzuweisen, die vorbereitend wirkten und
als erste dem Sturm reaktionären Zornes
standhalten mußten: Tony Garnier und Auguste
Perret in Frankreich, Berlage in Holland, Peter
Behrens in Deutschland, Otto Wagner und
Josef Hoffmann in Österreich, F. L. Wright in
den Vereinigten Staaten. 1913 beendet Perret
das Theätre des Champs Elysees, zur selben
Zeit als Walter Gropius und Adolf Meyer zum
erstenmal der Bau eines Hüttenwerks anver-
traut wird. Von da an ist die Entwicklung
unaufhaltsam. 1927 ist die Stuttgarter Aus-
stellung als erste offizielle, konkrete Demon-
stration von zwanzig europäischen Architekten
ein Beweis für das breite Publikum, wie stark
der neue Geist geworden ist. Von jedem der
zwanzig Baukünstler wurden auf dem Weißen-
hof zwei Einzelhäuser errichtet nach den Prin-
zipien des Zweckbaues. Der Gesamteindruck
ist troß mancher Einzelfehler einheitlich. ■—
Der Juni 1928 vereint im Schloß Sarraz in
der Schweiz die vornehmsten modernen Ar-
chitekten zu einem internationalen Kongreß
der Beratung weiterer Bauziele und -Organi-
sationen. Dieser Kongreß schließt mit folgen-
der offiziellen Erklärung:
,,Die unterzeichneten Architekten bekräftigen
hierdurch, als Vertreter der nationalen Archi-
tektengruppen, ihre Übereinstimmung in
Grundauffassungen moderner Architektur
ihrer Amtspflicht gegen die Gesellschaft,
bestehen besonders auf der Tatsache,
„Bauen“ eine der elementarsten Tätigkeiten
des Menschen ist, der mit der Evolution und
Entwicklung menschlichen Lebens nahe ver-
bunden ist. Die Aufgabe des Architekten ist
deswegen: sich mit der Zeifstimmung ins Ein-
vernehmen zu seßen. Ihre Werke haben dem
Zeitgeist Ausdruck zu verleihen. Sie ver-
weigern daher auf das entschiedenste in ihren
Arbeitsmethoden die Prinzipien vergangener
Gesellschaftsschichten zu verwenden; sie
unterstüßen im Gegenteil die Notwendigkeit
einer neuen Architektur-Konzeption, die den
geistigen, intellektuellen und materiellen
Forderungen des heutigen Lebens gerecht
wird. Wohl bewußt der grundlegenden Ver-
änderungen des sozialen Aufbaues durch
Herrschaft der Maschinen, erkennen sie
unausbleiblichen Zusammenhang zwischen
Umordnungen sozialen Lebens und

die
den
den
der
Architektur. Das Ziel ihrer Vereinigung ist die
Verwirklichung einer Harmonie dieser ver-
schiedenen Elemente, indem sie der Architek-
tur wieder die ökonomische und Soziologe Be-
deutung durch Entfernung aus dem sterilen
Bann konservativer Akademien veralteter
Formen erkämpfen.
In dieser Überzeugung verbinden sie sich
zu wechselseitiger Unterstüßung, um diese ihre
Wünsche moralisch und tatsächlich inter-
national zu verwirklichen."

£ur Entwicklung
Moderner
Architektur
^ach Aufzeichnungen des bekannten frän-
kischen Architekten der neuen Richtung
Andre Lurcat, Paris
„Es könnte überflüssig erscheinen, daß
ein Architekt in einer anderen, als der
Formensprache der Baukunst die Gründe
der Entstehung seiner Schöpfungen erklärt.“
Andre L u r 9 a t.*)
VorVan hat den jungen Architekten oft vorge-
len, daß sie zu viel sprechen, zu viel
fiijkeihen- Aber die Exponenten der Baukunst
i(je erer Epochen haben immer ihre Haupt-
iSf’1''1 schriftlich fixiert. Und ebenso wichtig
Bq,, le. Selbstdokumentierung für die jungen
fö| feister der Jeßtzeit, die gegen so viel
'tiireh Pietät und Neuzeitfeindlichkeif sich
ÜQijZuseßen haben. Mehr als früher ist es
itr‘ endig, vor der breitesten Öffentlichkeit
wieder die Wichtigkeit, die Lebensnot-
r1Jnlcllgkeit der Zweckbauziele und Forde-
kg.n9?n zu erörtern. Was man als richtig er-
hol hat, kann man nicht oft genug wieder-
deJn> Um es durchzuseßen. Und dabei ist in
teu ’-eeterum censeo“ des modernen Archi-
str'pu? hein Zerstörungswille gegen alte unbe-
1 har hohe Werfe, sondern nur gegen ihre
fQs?niei'ende, unproduktive Nachahmung. Seit
hijn u00 Jahren lag die Ausbildung des Bau-
liC|), ers beinahe ausschließlich bei den staat-
Institutionen, die in ästhetischer Tra-

Praktische, aus der forschreitenden
-MS . resultierende Forderungen verriach-
Etlif3en mußten. Eine lange Periode der
Wf<r|: °n, geringen konstruktiven Fortschrittes,
harmonischen plastischen Ausdruckes
das Resultat sein. Und die Bilanz dieser
li'ij’ erschreckender Mangel an baukünst-
Eih-. ,er Organisation im Städtebau wie im
^ttiaus.
^3 versuchte zum ersten Mal Violet le
V°n seinem Lehrstuhl der Ecole des
?iiS| 'Arts aus gegen den hoffnungslosen
hie Front zu machen. Sein Resultat war
Uiitj Gefolgschaft weniger junger Architekten
l|nieraer Verlust des Lehrstuhles. Um 1900
Num^rnen es wieder einige ehrlich suchende
'üriti e>ster in Frankreich, wie 1910 in Deutsch-
immer deutlicher spürbaren Forde-
eiri nach neuem Leben in der Architektur
9?isj Cho zu schaffen. Beide mit großer Be-
eingeleiteten Aktionen mußten an
Orundlegenden Fehler scheitern: an der
Uri}ieSchäßung formaler Konzeption und der
2ihie Schaßung der rein konstruktiven Prin-
■ Man wollte die Fassade ändern, an-
P.Clje pü dem Fundament zu beginnen. Jede
ketl tpoche der Baukunst ist von konstruk-
Erfindungen eingeleitet worden.
einem Jahrhundert hatte sich die
''g, e Situation mit der fortschreitenden
vollkommen geändert. Der Ingenieur
^lchjf ?en Anforderungen gerecht — nicht der
rj t. Das mußte zu einer durchgreifen-
der Auktion in der Baukunst führen. Wieder
Jvq j? die Technik, die die Lösung fand, die
1 ’tän 1 s,en beton erfand, das neue, den
fhiiQ sdrüchen genügende Baumaterial. Und
>whnkers* waren es einige Architekten, die die
!pqfer- ’f besaßen, sich zu Bauzwecken dieses
‘rhgfhL. Zu bedienen. Leicht, von enormer
klee "'Skeit, war es geeignet, neuen Bau-
Biezu di enen, neue Bauideen zu schaffen.
.. '''isp'ii ]a|jre vor dem Kriege gehören
^kßjj'1.anzösisch im Pariser Verlag AU SANS
„Architecture“.
 
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