8
WELT KUNST
Jahrg. V, Nr. 6 vom 8. Februar 193J
(Fortseßung von Seite 3)
Jakob Smits
bedingt abzulehnen. Smits war ein Anbeter
des kalten weißen Lichtes, und nie und
nimmer verfiel er dem Rembrandtschen war-
men Helldunkel.
Ein ungeheurer Wandertrieb, eine stete
Unrast jagte ihn von einem Orte zum an-
deren. Er reiste durch Belgien, studierte in
München, dann in Wien, kopierte, gleich
Rubens, Michelangelo in Rom, um sich dann
endlich, im Alter von 34 Jahren, in Moll in der
Campine, niederzulassen. Und hier, in diesem
gottverlassenen Nest, in innigstem inneren
Zusammenhänge mit dieser flämischen Erde,
die schon so manchem wirklichen . Künstler
seine Ursprünglichkeit und Kraft wiedergab,
hier fand Smits sich selbst und hier schaffte
er bis 1928, allwo er im Alter von 72 Jahren
verschied.
Die kilometerweit vollkommen verlassene,
menschenleere Ebene der Campine ver-
suchte er auf seine Leinwand zu bannen: eine
Mühle (Abbildung unten), ein Baum, in
weiter Ferne ein Heuschober, das ist alles.
Alles? Es könnte nicht
mehr sein: breit, be¬
dächtig sißt jeder Pin¬
selstrich, wieder und
wieder übergangen, ein
Grün, ein Braun, und
all dies überflutet von
weißem, kaltem Licht:
das ist Smits. Er kann
seine Malweise ändern,
er kann einmal in Öl,
Gouache oder Aquarell
arbeiten, er bleibt im¬
mer sich selbst und
seinem weißen Licht
getreu; und diese Bil¬
der atmen die weite
Unendlichkeit, die tiefe
Melancholie dieses
Landstrichs, den man
selbst kennen muß, um
zu wissen, wie einem
ist, wenn Mensch und
Natur zu Einem ver-
schmelzen. — Doch nie
ist er mit sich selbst
zufrieden. Immer sucht
er weiter, eine ver¬
zehrende Sehnsucht ar¬
beitet in ihm, einmal
d i e Formel der Malerei
zu finden, in der sich
alles zusammenfassen
lägt. Einem Freunde
schreibt er: „Si mes
toiles sont lourdes de
couleurs, ils sont aussi sourdes de soucis et
de volonte. Je jalouse mes confreres qui sont
heureux et contents. Je ne le suis jamais.“
Nichts ist charakteristischer für diesen Mann
wie diese wenigen Zeilen. — Er malte auch
Interieurs; genau wie er sie sah bei Gevatter
Klaus und Peter: eine einfache Stube, eine
Ofenbank, auf der die alte Großmutter strickt,
die Mutter das Kind stillt oder der Bauer die
Pfeife raucht. Und immer wieder das kalte
schonungslose Licht, das jedes Detail preis-
gibt und das Smits so unendlich weit, troß
scheinbarer Annäherung des Sujets, von der
alten holländischen Schule entfernt.
Er geht bei den Bauern aus und ein, er ist
einer der Ihren geworden, und keiner schüt-
telt mehr den Kopf, wenn er die Magd im
Stalle beim Melken konterfeit: dieses Thema
scheint er besonders geliebt zu haben; un-
zählige Male, in den verschiedensten Tech-
niken, kehrt es wieder: die Magd, die braun-
gescheckte Kuh und hinten die weiße grelle
Siallwand.
Und noch eines: seine Bilder religiösen
Inhalts. Hie und da sind sie mystisch, da ver-
liert er sich in rein technischen Fragen; doch
vor seiner Verkündigung finden wir ihn ganz
Die ganze Welt der Kunst liest die
WELTKUNST
wieder; die gute Bauernstube, das alte ab-
gearbeitete Mütterchen, das vom Engel, der
in der Tür steht, beim Stricken überrascht
wird; ganz verlegen ist sie, solchen hohen und
ungewohnten Besuch hat sie ja nicht erwartet
. . . und diesem Gast kann man nicht einmal
den Ehrenplaß an der Ofenbank anbieten.
Und der Engel, so wie wir ihn uns vorstellten,
als Großmütterchen uns noch abends, wenn
wir tagsüber brav waren, Märchen erzählte:
im langen weißen Flügelkleid . . . und an der
geöffneten Tür vorbei sieht unser Blick auf
die tageshelle, weite, tiefe Landschaft.
Der Gelehrte mit dem Kindergemüt, ein
Sucher der Wahrheit und des Lichtes im
härenen Gewände des Pilgrims, als solcher
wird er eingehen in die Geschichte der bel-
gischen Malerei. Vielleicht nicht einer ihrer
leuchtendsten Sterne, aber sicher ein Blatt,
das keiner ohne Ergriffenheit umwenden wird.
Petronius
Berliner Secession
Sonderausstellungen
Die am 5. Februar eröffnete Schau der
Secession besteht aus vier Sonderausstellun-
gen, die von je einem Künstler bestritten
werden. Man hat Persönlichkeiten von schar-
fer Eigenart ausgewählt, um sie miteinander
zu konfrontieren, und sicherlich ist es in
hohem Maße anregend, so verschieden ge-
artete menschliche und künstlerische Naturen,
wie sie hier vor uns hingestellt werden, mit-
einander zu vergleichen.
Den auffälligsten Gegensaß bilden Hans
Purrmann und Emy Roeder. Von Hans
Purrmann sind im Hauptsaal Studien und
Bilder von 1930 zu sehen, die durchweg in
Sanary gemalt sind: hell, lebhaft, von größter
Delikatesse in der Farbgebung. Der ganze
Raum wird von dem schmalen Streifen dieser
sehr qualitätvollen Gemäldereihe beherrscht.
Einige ältere Arbeiten Purrmanns zeigen seine
etwas schwerere Art früherer Zeit. Es ist er-
staunlich, wie auch in der leßten Epoche der
Impuls und Griff voll Präzision und Sicherheit
bleibt, troß der so hoch getriebenen Ver-
feinerung der Malweise.
Ist bei Purrmann alles auf Farbigkeit und
Formwerte, auf den Glanz der untadeligen
Oberfläche eingestellt, so bildet Emy Roe-
ders Art wenigstens im Grunde einen
Gegenpol. Monumental und herb, mit diesen
beiden Worten kann man ihre Art wohl am
kürzesten charakterisieren, — handele es sich
um Zigeuner, Bäuerinnen, Fischer usw. Am
reizvollsten sind vielleicht die Tierstudien ge-
lungen, — bei aller Knappheit ihrer Darstel-
lung liegt doch viel von naturhafter Lebendig-
keit in ihren Figuren. Die Plastik ist weniger
stark. Wenn die Zeichnungen aus der plasti-
schen Arbeit der Bildhauerin Kraft und Stärke
gewinnen, so gilt das Gleiche leider keines-
wegs in umgekehrtem Sinne. Es ist vielmehr
so, daß alles Plastische sich bei ihr allzu rasch
zum Ätherischen hin wendet.
Mil einer umfangreichen Kollektion von
Aquarellen ist Wolf Röhricht zur Stelle,
— von 1925 führen sie bis in die ersten Mo-
nate dieses Jahres. Doch bleibt Art und
Qualität sich im allgemeinen gleich. Und nur
einige wenige Blätter reizen zum näheren
Befrachten. So vor allem einige Arbeiten aus
dem Süd-Tessin, wie Hof und Palme in
Ascona, Hafen von Ascona, oder der Göte-
borger Hafen, das beschneite Haus. Der leise
Exotismus, der in seinen meisten Arbeiten an-
klingt, gewinnt in Blättern aus Ägypten eine
stärkere Prägnanz.
Der Oberlichtsaal ist für große Arbeiten
von Erich Waske reserviert, der sich auf
mancherlei großen Bildern mit religiösen u. a.
Motiven recht dramatisch gibt. Seine Mal-
weise, die eine Art Kompromiß zwischen
Fresko, Glasgemälde und Linoleumdruck dar-
stellt, wird hier zu Gewaltleisfungen getrieben,
die weit über seiner Begabung liegen. Manche
Sujets freilich gelingen einer so robusten und
auf das Einfache eingestellten Art, wie der
recht stimmungsvolle Abend am See.
Dr. E. v. S y d o w
Jakob Smits, Mühle
Moulin — Mill
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Palais des Beaux-Arts, Brüssel
Jury fr eie
Wenn Otto Nebel, der bereits vor
einigen Monaten bei Möller ausstellte, unter
eine Reihe von Aquarellen den Titel „Fünf ab-
strakte Malereien“ seßt, so muß dem ent-
schieden widersprochen werden. Es handelt
sich hierbei lediglich um fünf Blätter mit
aquarellierten, geometrischen Formen, die
ebenso wenig mit Abstraktion zu tun haben,
wie seine ganze übrige Produktion. Kubisti-
sche Aibstraktion, wie sie hier beansprucht
wird, bedeutet konsequente Auflösung der
dritten Dimension und ihre Transponierung in
die Fläche. Otto Nebel löst den Gegenstand
nicht auf, sondern zerschneidet und verteilt
ihn, bis die ganze Bildfläche rebusartig und
gleichmäßig mit Formpartikelchen übersät ist,
die im Grunde lauter kleine Naturalismen sind.
Das Resultat ist eine Summe, aber kein Pro-
dukt. Warum bekennt man sich nicht schlicht
zu dem Ornamentiker, der man ist?
Raffaello B u s o n i hat den bravourösen,
akademisch eleganten Schwung und das un-
angenehm eitle Gehaben des Mode-
porträtisten. Eine unter Mitarbeit von Ilse
Rotzoll und Elfriede Glaser von Walter
Bergmann getätigte Folge von Wand-
malereien entbehrt nicht einer liebenswürdigen
Fadheit. Hans Jürgen K a 11 m a n n s riesen-
haften Porfrätköpfen kann man in keiner Hin-
sicht etwas nachsagen. Außer den Genannten
stellen aus: Flans Henningsen, Adolf Gustav
Juß, Kurt von Keudell, Walter Kröhnke-Nari,
Walter Lehner, Hans Meyboden, Friß Stucken-
berg und, mit einer Reihe von Arbeiten, Hans
J ä n i s c h.
Ernst Barlach in Dresden
Die Dresdener Galerie Arnold ver-
anstaltet eine sehr anregende Ausstellung von
Bronzearbeiten und von Handzeichnungen
Ernst Barlachs. Neben den Holzschnißereien
des Güstrower Bildhauers nehmen seine
Bronzegüsse, die er neuerdings hergestellt
hat, eine besondere Stellung ein. Man darf
annehmen, daß Barlach auch auf diesem Ge-
biete eine immer größere Meisterschaft ent-
falten wird. Die hiesige Ausstellung mit ihrem
geschmackvollen Arrangement wird sicherlich
von großer propagandistischer Wirkung sein.
T. G.
Moderne Prager Künstler
Die Galerie Dr. Feigl in Prag,
deren Betätigungsfeld bisher vornehmlich alte
Meister und Impressionisten war, ist am
1. Januar 1931 in größere Räume im Zentrum
der Stadt: Prag II, Jungmannova 38, I. Stock,
übersiedelt und wird von nun ab ihr Augen-
merk auch der internationalen modernen
Kunstproduktion zuwenden. Die Galerie Dr.
Feigl, die momentan eine interessante Aus-
stellung moderner Prager Künstler bringt,
beabsichtigt in wechselnder Folge bedeutende
alte, wie moderne Kunst, Gemälde wie Plastik,
zu zeigen.
Jehudo Epstein
Die Wiener Galerie Neumann &
Salzer hat dankenswerterweise den 60. Ge-
burtstag Jehudo Epsteins zum Anlaß ge-
der soliden Malweise, mit der Epstein den
Dingen sich widmet. Bei den Landschaften
stehen Arbeiten wie die Ansicht von Görz, bei
den Bildnissen seine Selbstporträts und das
von Karl Koutsky in vorderster Reihe. T. N-
LITERATUR
Bücher
Zeitungs-Katalog Rudolf Messe 1931
Der Rudolf Mosse-Zoitungskatalog, dies wichtigst®
Nachschlagewerk des in- und ausländischen Presse-
wesens, liegt uns in seiner 57. Ausgabe vor. D1®
einleitenden Worte geben ein anschauliches Bild vof
der Aktivität und der Expansion der größten An-
noncenexpedition der Welt, die übrigens im Jahr?
1930 eine belgische Tochtergesellschaft mit Sitz P
Brüssel gegründet hat. Mit Recht betont das Vor;
wort die Notwendigkeit einer Qualitätssteigerung d®1’
Reklame, die gleichberechtigt neben der Qualität d®f
Ware stehen sollfeil Es sei Jetzt an der Zeit, die
tionalisierung des Verkaufs in Angriff zu nehmen un®
gute, psychologisch durchdachte Reklame zu treibe®
Der redaktionelle Teil des Katalogs beginnt mi11
einem umfassenden Landkartenmaterial über Deutsch-
land und die übrigen Staaten Europas und bring
dann in mustergültig übersichtlicher Weise alles ffl?.
den Interessenten Wissenswerte über den Anzeige11'
teil der Zeitungen und Zeitschriften in der ganze®
europäischen und außereuropäischen Welt-
Kataloge
Tondeur & Säuberlich, Leipzig
Die Firma Tondeur & Säuberlich'
Leipzig, hat dlrei Kataloge hierausgebracht, vo®
denen der eriste, Nr- 43, Bibliographie, Buch-
wesen und Schriftkundei behandelt.. Wir finden hi®8
da® seltene literarische Museum von 1788 (Nr.
und eine ausgeizeiichnetei Reihe bibliographisch’®“
Arbeiten, darunter ein vollständiges Exemplar vo®
Goedeckes Grundriß zur Geschichte der deutsche®
Dichtung in bearbeiteter zweiter Auflage (Nr. 13®'
Nr. 182 a nennt Burgers; Handexemplar deir ' Moni1'-
menitia Geirmaniiae et It'aliae typoigraphica. Eine b®j
sondere Abteilung behandelt Buchdruck, Buchkunst
Buchhandel und Bucheinband. Dann folgen Werk®
über Bibliothekwissienischaft, Schriftkundei und B®i
Produktionen von Handschriften und zum Schluß
gibt, es eine Serie von Arbeiten zur Zeitungswissc®!
schäft. Die letzte Nummer (551) nennt aus deri
Nachlaß der Dorothea von Kurland zwei, stark®
Bände unter dem. Titel „Recueil de Chansons choisM
en Vaudevilles“, Liederhandechriften, deren Auf-
wertung von erheblichem kulturhistorischem Intet';
esse sein dürfte. —
Deir K a t; a 1 0’ g 44 .des gleichen Antiquariat?
bringt eine Sammlung von 250 wertvollen Ute
schönen Büchern. Er beginnt mit Amerika und nente
hier die deutsche 1679 .erschienene Ausgabe des; EI'
quemelin., das berühmte’ Werk über die amerika®
sehen Freibeuter, dann folgen Werke der Barock-
literatur, amüsante unid interessante' Ciuriosa, Ei®?
bände, französische Werke.. Inkunabeln, Judaic®
Karten. Von den Schriften Martin Luthers, die z”'
summen aufgeführt eindi, sind besonderes bemW
kenswert d’ie Tischreden von 1569 (Nr. .137). Umfang-
reich ist die Reihe der Schriften zur alten Natu1'
geischichte und Technik- —
Katalog 45 von Tondieur & Säuberlich ver-
zeichnet Kuns tg es ch i ch te und verwandt®
Gebiete. Elr beginnt mit. Werken der Architektur; J.®
der zweiten Abteilung sind eine Reihe von Pute!'
kationen der Arundel Society genannt (Nr. 64—7®’
viele moderne gut brauchbare, und für den. Spe-
zialisten unentbehrliche Standardwerke, eine gröl’®
Sammlung seltener und wertvoller Kataloge, Weirk®
über Kunstgeiwerbe und ein schönes Exemplar
berühmten Koistiümjwerkeei „Geschlecht Buch vi’L
Nürnberg“ von 1610 nennt Nr. 467. Zum Schl'1'
kommen schöne illustrierte Bücher, denen ei®1®
Kurfüirstenibibel aus dem Jahre 1768 in einem, be-
sonders wertvollen Bande folgt.
Math. Lempertz, Köln
Mittelalterliche Geschichte enihäb
der umfangreiche, fast 4000 Nummern zählende KafL
log 2.98 von Math. Lempertz in Bonn.
kostbarsten Stücke nennt, der Nachtrag, und zwar d*
vollständige Merianeche Topographie von 1642.—Wte
also mit sämtlichen Teilen in der ersten Auflage u®1
Erich Heckel, In der Tram, 1916.
Ausstellung — Exposition — Exhibition.
J. B. Neumann & Guenther Franke, München
nommen, um dem Schaffen dieses litauisch-
jüdischen Malers eine Kollektiv-Ausstellung
zu widmen. Freilich handelt es sich nicht um
das Werk eines künstlerischen Neuerers.
Sondern Epstein hält sich bewußt in den
Bahnen des Impressionismus. Landschaften
und Porträts geben einen guten Eindruck von
weiter ein vollständiges Exemplar einer altkolori®S
ten Kölner Chronik vom 1499. Im übrigen. beg'te,
der Katalog mit einer vorzüglichen Sammlung jt
ständiger, historisch wichtiger Zeitschriften u. a- ,te
den Veröffentlichungen der Societe des an-cite
textes frangais (Nr. 64). Ohne im einzelnen auf te,
große .Material eingehen zu können, wird der Gelebte)
deir Bibliophile und der historisch interessierte Le®,,
hier sicher auch viel Material finden, das ihm u®u
kannt geblieben sein dürfte.
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WELT KUNST
Jahrg. V, Nr. 6 vom 8. Februar 193J
(Fortseßung von Seite 3)
Jakob Smits
bedingt abzulehnen. Smits war ein Anbeter
des kalten weißen Lichtes, und nie und
nimmer verfiel er dem Rembrandtschen war-
men Helldunkel.
Ein ungeheurer Wandertrieb, eine stete
Unrast jagte ihn von einem Orte zum an-
deren. Er reiste durch Belgien, studierte in
München, dann in Wien, kopierte, gleich
Rubens, Michelangelo in Rom, um sich dann
endlich, im Alter von 34 Jahren, in Moll in der
Campine, niederzulassen. Und hier, in diesem
gottverlassenen Nest, in innigstem inneren
Zusammenhänge mit dieser flämischen Erde,
die schon so manchem wirklichen . Künstler
seine Ursprünglichkeit und Kraft wiedergab,
hier fand Smits sich selbst und hier schaffte
er bis 1928, allwo er im Alter von 72 Jahren
verschied.
Die kilometerweit vollkommen verlassene,
menschenleere Ebene der Campine ver-
suchte er auf seine Leinwand zu bannen: eine
Mühle (Abbildung unten), ein Baum, in
weiter Ferne ein Heuschober, das ist alles.
Alles? Es könnte nicht
mehr sein: breit, be¬
dächtig sißt jeder Pin¬
selstrich, wieder und
wieder übergangen, ein
Grün, ein Braun, und
all dies überflutet von
weißem, kaltem Licht:
das ist Smits. Er kann
seine Malweise ändern,
er kann einmal in Öl,
Gouache oder Aquarell
arbeiten, er bleibt im¬
mer sich selbst und
seinem weißen Licht
getreu; und diese Bil¬
der atmen die weite
Unendlichkeit, die tiefe
Melancholie dieses
Landstrichs, den man
selbst kennen muß, um
zu wissen, wie einem
ist, wenn Mensch und
Natur zu Einem ver-
schmelzen. — Doch nie
ist er mit sich selbst
zufrieden. Immer sucht
er weiter, eine ver¬
zehrende Sehnsucht ar¬
beitet in ihm, einmal
d i e Formel der Malerei
zu finden, in der sich
alles zusammenfassen
lägt. Einem Freunde
schreibt er: „Si mes
toiles sont lourdes de
couleurs, ils sont aussi sourdes de soucis et
de volonte. Je jalouse mes confreres qui sont
heureux et contents. Je ne le suis jamais.“
Nichts ist charakteristischer für diesen Mann
wie diese wenigen Zeilen. — Er malte auch
Interieurs; genau wie er sie sah bei Gevatter
Klaus und Peter: eine einfache Stube, eine
Ofenbank, auf der die alte Großmutter strickt,
die Mutter das Kind stillt oder der Bauer die
Pfeife raucht. Und immer wieder das kalte
schonungslose Licht, das jedes Detail preis-
gibt und das Smits so unendlich weit, troß
scheinbarer Annäherung des Sujets, von der
alten holländischen Schule entfernt.
Er geht bei den Bauern aus und ein, er ist
einer der Ihren geworden, und keiner schüt-
telt mehr den Kopf, wenn er die Magd im
Stalle beim Melken konterfeit: dieses Thema
scheint er besonders geliebt zu haben; un-
zählige Male, in den verschiedensten Tech-
niken, kehrt es wieder: die Magd, die braun-
gescheckte Kuh und hinten die weiße grelle
Siallwand.
Und noch eines: seine Bilder religiösen
Inhalts. Hie und da sind sie mystisch, da ver-
liert er sich in rein technischen Fragen; doch
vor seiner Verkündigung finden wir ihn ganz
Die ganze Welt der Kunst liest die
WELTKUNST
wieder; die gute Bauernstube, das alte ab-
gearbeitete Mütterchen, das vom Engel, der
in der Tür steht, beim Stricken überrascht
wird; ganz verlegen ist sie, solchen hohen und
ungewohnten Besuch hat sie ja nicht erwartet
. . . und diesem Gast kann man nicht einmal
den Ehrenplaß an der Ofenbank anbieten.
Und der Engel, so wie wir ihn uns vorstellten,
als Großmütterchen uns noch abends, wenn
wir tagsüber brav waren, Märchen erzählte:
im langen weißen Flügelkleid . . . und an der
geöffneten Tür vorbei sieht unser Blick auf
die tageshelle, weite, tiefe Landschaft.
Der Gelehrte mit dem Kindergemüt, ein
Sucher der Wahrheit und des Lichtes im
härenen Gewände des Pilgrims, als solcher
wird er eingehen in die Geschichte der bel-
gischen Malerei. Vielleicht nicht einer ihrer
leuchtendsten Sterne, aber sicher ein Blatt,
das keiner ohne Ergriffenheit umwenden wird.
Petronius
Berliner Secession
Sonderausstellungen
Die am 5. Februar eröffnete Schau der
Secession besteht aus vier Sonderausstellun-
gen, die von je einem Künstler bestritten
werden. Man hat Persönlichkeiten von schar-
fer Eigenart ausgewählt, um sie miteinander
zu konfrontieren, und sicherlich ist es in
hohem Maße anregend, so verschieden ge-
artete menschliche und künstlerische Naturen,
wie sie hier vor uns hingestellt werden, mit-
einander zu vergleichen.
Den auffälligsten Gegensaß bilden Hans
Purrmann und Emy Roeder. Von Hans
Purrmann sind im Hauptsaal Studien und
Bilder von 1930 zu sehen, die durchweg in
Sanary gemalt sind: hell, lebhaft, von größter
Delikatesse in der Farbgebung. Der ganze
Raum wird von dem schmalen Streifen dieser
sehr qualitätvollen Gemäldereihe beherrscht.
Einige ältere Arbeiten Purrmanns zeigen seine
etwas schwerere Art früherer Zeit. Es ist er-
staunlich, wie auch in der leßten Epoche der
Impuls und Griff voll Präzision und Sicherheit
bleibt, troß der so hoch getriebenen Ver-
feinerung der Malweise.
Ist bei Purrmann alles auf Farbigkeit und
Formwerte, auf den Glanz der untadeligen
Oberfläche eingestellt, so bildet Emy Roe-
ders Art wenigstens im Grunde einen
Gegenpol. Monumental und herb, mit diesen
beiden Worten kann man ihre Art wohl am
kürzesten charakterisieren, — handele es sich
um Zigeuner, Bäuerinnen, Fischer usw. Am
reizvollsten sind vielleicht die Tierstudien ge-
lungen, — bei aller Knappheit ihrer Darstel-
lung liegt doch viel von naturhafter Lebendig-
keit in ihren Figuren. Die Plastik ist weniger
stark. Wenn die Zeichnungen aus der plasti-
schen Arbeit der Bildhauerin Kraft und Stärke
gewinnen, so gilt das Gleiche leider keines-
wegs in umgekehrtem Sinne. Es ist vielmehr
so, daß alles Plastische sich bei ihr allzu rasch
zum Ätherischen hin wendet.
Mil einer umfangreichen Kollektion von
Aquarellen ist Wolf Röhricht zur Stelle,
— von 1925 führen sie bis in die ersten Mo-
nate dieses Jahres. Doch bleibt Art und
Qualität sich im allgemeinen gleich. Und nur
einige wenige Blätter reizen zum näheren
Befrachten. So vor allem einige Arbeiten aus
dem Süd-Tessin, wie Hof und Palme in
Ascona, Hafen von Ascona, oder der Göte-
borger Hafen, das beschneite Haus. Der leise
Exotismus, der in seinen meisten Arbeiten an-
klingt, gewinnt in Blättern aus Ägypten eine
stärkere Prägnanz.
Der Oberlichtsaal ist für große Arbeiten
von Erich Waske reserviert, der sich auf
mancherlei großen Bildern mit religiösen u. a.
Motiven recht dramatisch gibt. Seine Mal-
weise, die eine Art Kompromiß zwischen
Fresko, Glasgemälde und Linoleumdruck dar-
stellt, wird hier zu Gewaltleisfungen getrieben,
die weit über seiner Begabung liegen. Manche
Sujets freilich gelingen einer so robusten und
auf das Einfache eingestellten Art, wie der
recht stimmungsvolle Abend am See.
Dr. E. v. S y d o w
Jakob Smits, Mühle
Moulin — Mill
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Palais des Beaux-Arts, Brüssel
Jury fr eie
Wenn Otto Nebel, der bereits vor
einigen Monaten bei Möller ausstellte, unter
eine Reihe von Aquarellen den Titel „Fünf ab-
strakte Malereien“ seßt, so muß dem ent-
schieden widersprochen werden. Es handelt
sich hierbei lediglich um fünf Blätter mit
aquarellierten, geometrischen Formen, die
ebenso wenig mit Abstraktion zu tun haben,
wie seine ganze übrige Produktion. Kubisti-
sche Aibstraktion, wie sie hier beansprucht
wird, bedeutet konsequente Auflösung der
dritten Dimension und ihre Transponierung in
die Fläche. Otto Nebel löst den Gegenstand
nicht auf, sondern zerschneidet und verteilt
ihn, bis die ganze Bildfläche rebusartig und
gleichmäßig mit Formpartikelchen übersät ist,
die im Grunde lauter kleine Naturalismen sind.
Das Resultat ist eine Summe, aber kein Pro-
dukt. Warum bekennt man sich nicht schlicht
zu dem Ornamentiker, der man ist?
Raffaello B u s o n i hat den bravourösen,
akademisch eleganten Schwung und das un-
angenehm eitle Gehaben des Mode-
porträtisten. Eine unter Mitarbeit von Ilse
Rotzoll und Elfriede Glaser von Walter
Bergmann getätigte Folge von Wand-
malereien entbehrt nicht einer liebenswürdigen
Fadheit. Hans Jürgen K a 11 m a n n s riesen-
haften Porfrätköpfen kann man in keiner Hin-
sicht etwas nachsagen. Außer den Genannten
stellen aus: Flans Henningsen, Adolf Gustav
Juß, Kurt von Keudell, Walter Kröhnke-Nari,
Walter Lehner, Hans Meyboden, Friß Stucken-
berg und, mit einer Reihe von Arbeiten, Hans
J ä n i s c h.
Ernst Barlach in Dresden
Die Dresdener Galerie Arnold ver-
anstaltet eine sehr anregende Ausstellung von
Bronzearbeiten und von Handzeichnungen
Ernst Barlachs. Neben den Holzschnißereien
des Güstrower Bildhauers nehmen seine
Bronzegüsse, die er neuerdings hergestellt
hat, eine besondere Stellung ein. Man darf
annehmen, daß Barlach auch auf diesem Ge-
biete eine immer größere Meisterschaft ent-
falten wird. Die hiesige Ausstellung mit ihrem
geschmackvollen Arrangement wird sicherlich
von großer propagandistischer Wirkung sein.
T. G.
Moderne Prager Künstler
Die Galerie Dr. Feigl in Prag,
deren Betätigungsfeld bisher vornehmlich alte
Meister und Impressionisten war, ist am
1. Januar 1931 in größere Räume im Zentrum
der Stadt: Prag II, Jungmannova 38, I. Stock,
übersiedelt und wird von nun ab ihr Augen-
merk auch der internationalen modernen
Kunstproduktion zuwenden. Die Galerie Dr.
Feigl, die momentan eine interessante Aus-
stellung moderner Prager Künstler bringt,
beabsichtigt in wechselnder Folge bedeutende
alte, wie moderne Kunst, Gemälde wie Plastik,
zu zeigen.
Jehudo Epstein
Die Wiener Galerie Neumann &
Salzer hat dankenswerterweise den 60. Ge-
burtstag Jehudo Epsteins zum Anlaß ge-
der soliden Malweise, mit der Epstein den
Dingen sich widmet. Bei den Landschaften
stehen Arbeiten wie die Ansicht von Görz, bei
den Bildnissen seine Selbstporträts und das
von Karl Koutsky in vorderster Reihe. T. N-
LITERATUR
Bücher
Zeitungs-Katalog Rudolf Messe 1931
Der Rudolf Mosse-Zoitungskatalog, dies wichtigst®
Nachschlagewerk des in- und ausländischen Presse-
wesens, liegt uns in seiner 57. Ausgabe vor. D1®
einleitenden Worte geben ein anschauliches Bild vof
der Aktivität und der Expansion der größten An-
noncenexpedition der Welt, die übrigens im Jahr?
1930 eine belgische Tochtergesellschaft mit Sitz P
Brüssel gegründet hat. Mit Recht betont das Vor;
wort die Notwendigkeit einer Qualitätssteigerung d®1’
Reklame, die gleichberechtigt neben der Qualität d®f
Ware stehen sollfeil Es sei Jetzt an der Zeit, die
tionalisierung des Verkaufs in Angriff zu nehmen un®
gute, psychologisch durchdachte Reklame zu treibe®
Der redaktionelle Teil des Katalogs beginnt mi11
einem umfassenden Landkartenmaterial über Deutsch-
land und die übrigen Staaten Europas und bring
dann in mustergültig übersichtlicher Weise alles ffl?.
den Interessenten Wissenswerte über den Anzeige11'
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europäischen und außereuropäischen Welt-
Kataloge
Tondeur & Säuberlich, Leipzig
Die Firma Tondeur & Säuberlich'
Leipzig, hat dlrei Kataloge hierausgebracht, vo®
denen der eriste, Nr- 43, Bibliographie, Buch-
wesen und Schriftkundei behandelt.. Wir finden hi®8
da® seltene literarische Museum von 1788 (Nr.
und eine ausgeizeiichnetei Reihe bibliographisch’®“
Arbeiten, darunter ein vollständiges Exemplar vo®
Goedeckes Grundriß zur Geschichte der deutsche®
Dichtung in bearbeiteter zweiter Auflage (Nr. 13®'
Nr. 182 a nennt Burgers; Handexemplar deir ' Moni1'-
menitia Geirmaniiae et It'aliae typoigraphica. Eine b®j
sondere Abteilung behandelt Buchdruck, Buchkunst
Buchhandel und Bucheinband. Dann folgen Werk®
über Bibliothekwissienischaft, Schriftkundei und B®i
Produktionen von Handschriften und zum Schluß
gibt, es eine Serie von Arbeiten zur Zeitungswissc®!
schäft. Die letzte Nummer (551) nennt aus deri
Nachlaß der Dorothea von Kurland zwei, stark®
Bände unter dem. Titel „Recueil de Chansons choisM
en Vaudevilles“, Liederhandechriften, deren Auf-
wertung von erheblichem kulturhistorischem Intet';
esse sein dürfte. —
Deir K a t; a 1 0’ g 44 .des gleichen Antiquariat?
bringt eine Sammlung von 250 wertvollen Ute
schönen Büchern. Er beginnt mit Amerika und nente
hier die deutsche 1679 .erschienene Ausgabe des; EI'
quemelin., das berühmte’ Werk über die amerika®
sehen Freibeuter, dann folgen Werke der Barock-
literatur, amüsante unid interessante' Ciuriosa, Ei®?
bände, französische Werke.. Inkunabeln, Judaic®
Karten. Von den Schriften Martin Luthers, die z”'
summen aufgeführt eindi, sind besonderes bemW
kenswert d’ie Tischreden von 1569 (Nr. .137). Umfang-
reich ist die Reihe der Schriften zur alten Natu1'
geischichte und Technik- —
Katalog 45 von Tondieur & Säuberlich ver-
zeichnet Kuns tg es ch i ch te und verwandt®
Gebiete. Elr beginnt mit. Werken der Architektur; J.®
der zweiten Abteilung sind eine Reihe von Pute!'
kationen der Arundel Society genannt (Nr. 64—7®’
viele moderne gut brauchbare, und für den. Spe-
zialisten unentbehrliche Standardwerke, eine gröl’®
Sammlung seltener und wertvoller Kataloge, Weirk®
über Kunstgeiwerbe und ein schönes Exemplar
berühmten Koistiümjwerkeei „Geschlecht Buch vi’L
Nürnberg“ von 1610 nennt Nr. 467. Zum Schl'1'
kommen schöne illustrierte Bücher, denen ei®1®
Kurfüirstenibibel aus dem Jahre 1768 in einem, be-
sonders wertvollen Bande folgt.
Math. Lempertz, Köln
Mittelalterliche Geschichte enihäb
der umfangreiche, fast 4000 Nummern zählende KafL
log 2.98 von Math. Lempertz in Bonn.
kostbarsten Stücke nennt, der Nachtrag, und zwar d*
vollständige Merianeche Topographie von 1642.—Wte
also mit sämtlichen Teilen in der ersten Auflage u®1
Erich Heckel, In der Tram, 1916.
Ausstellung — Exposition — Exhibition.
J. B. Neumann & Guenther Franke, München
nommen, um dem Schaffen dieses litauisch-
jüdischen Malers eine Kollektiv-Ausstellung
zu widmen. Freilich handelt es sich nicht um
das Werk eines künstlerischen Neuerers.
Sondern Epstein hält sich bewußt in den
Bahnen des Impressionismus. Landschaften
und Porträts geben einen guten Eindruck von
weiter ein vollständiges Exemplar einer altkolori®S
ten Kölner Chronik vom 1499. Im übrigen. beg'te,
der Katalog mit einer vorzüglichen Sammlung jt
ständiger, historisch wichtiger Zeitschriften u. a- ,te
den Veröffentlichungen der Societe des an-cite
textes frangais (Nr. 64). Ohne im einzelnen auf te,
große .Material eingehen zu können, wird der Gelebte)
deir Bibliophile und der historisch interessierte Le®,,
hier sicher auch viel Material finden, das ihm u®u
kannt geblieben sein dürfte.
LE GOUPY
SELTENE GRAPHIK
ZEICHNUNGEN * GEMÄLDE
KUNSTWERKE
PARIS
28, Champs-Elysees
5, Boulevart de la Madeleine
The FINE ART SOCIETY Ltd.
148, New Bond Street, W. 1, LONDON
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Lagerkatalog, Meister des XV. bis XIX. Jahrhunderts
Rembrandt-Katalog
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Zusendung auf Wunsch Telegramme: Finart, London
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BERN (Schweiz), Amthausgasse 16