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rg- V, Nr. 21 vom 24. Mai 1931

DIE WELT KUNST

11






Der Maler-Dichter Ringelnatz
Ringelnatz: „Matrosen“. 246 Seiten mit 120
Abbildungen. Verlag Internationale Bi-
bliothek G. m. b. H., Berlin 1928.
r »Wenn Ihr diee.es Buch als ein Bilderbuch und ein
bii u llcb- °,(ler a'5 ein Notizbuch und ein Skizzen-
; für gut .befindet, dann seid Ihr die Leser, die
w1 mir gedacht habe.“ Mit diesem für das ganze
g„.erkehen charakteristischen Satz schließt der Dichter
oh ^orwort- ist eben ein Bilderbuch mit und
One Bilder, in der typisch bizarren, oft tiefen und
«eh. oft recht leichten Art des malenden Poeten und
j,ch.tenden Malers. Die Leiden und Freuden dee
Atrosen .schildert Ringelnatz, weil er sie kennt wie
t emand unter den Schriftstellern, in Prosa und Dich-
üjbg, englisch und deutsch. Grotesker Humor und
w n 6r Ernst sind die musterhaft beschriebenen
o 6Uenlängen de® in steter Todesgefahr schwebenden
eemannslebens.

Sjnage dieses Handbuches zeugt für den praktischen
lei? ves Herausgebers. Denn es enthält im ersten
die genaue Anschrift, Telephonverbindung. Tele-
[j “^madresse, Postschecknummer von rund 3300 An-
der Welt in 750 Städten, sowie — was be-
aAlders begrüßenswert ist — ausführliche Hinweise
Kip' u"0 Spezialgebiete. Der zweite Teil bringt die
gmchen Firmen nach Ländern und Städten geordnet,
liou dritte Teil führt ihre Namen nach ihren Spezia-
Wn.ten auf’ — hier sind 5000 Firmen unter 400 Stich-
n,°rten zusammengefaßt. — Ein einleitender biogra-
kmscher Essai ist Otto Harrassowitz (1845—1920), dem
Wunder der bekannten Leipziger Antiquariats- und
ei'lagsbuchhandlung, gewidmet.

tut dem Eindruck seiner Arbeiten Eintrag.
Aber auch ohne solche gefährliche Konkur-
renz würden die Bilder ohne nachhaltige
Wirkung bleiben. Ihr Liniengefüge ist nicht
elastisch und spannungsvoll genug, um die
allzu großen Flächen der dumpfen und aus-
drucksschwachen Farben tragen und beleben

lateinische Kultur bezeichnen darf, — dazu
der Einfluß Picassos und der anderen Pariser
Modernen. Doch ist hier etwas Eigenes er-
standen: groß, lebhaft bewegt, umschwebt von
anziehenden lyrischen Geheimnissen. Die Ent-
wicklung wird zeigen, ob es sich um rein
subjektivistische und individuelle Willkürlich-

Fachmann.) sattelfest ist und seine Gedanken
so griffbereit hat, daß die Diktion improvisiert
scheint, während sie in Wirklichkeit sehr
durchdacht und das Resultat jahrzehntelanger
Auseinanderseßung mit den Problemen der
Gegenwart .ist. Im Verlauf des Vortrags, der
das Grundthema des Buches „Leben und Ge-
staltung“ interpretierte, prägte Ozenfanf den
Begriff „une guantite de qualite“ als Forde-
rung an die moderne Kunst.
Die gleichzeitig in der Galerie Neumann-
N i e r e n d o r f stattfindende Ausstel-
lung von Werken Ozenfants gibt einen guten
Überblick, weist die Geradlinigkeit, den inne-
ren Zusammenhang der Entwicklung, die or-
ganische Einheit von Theorie und Praxis in
diesem besonderen Falle auf. Diese Bilder
stellen, obgleich sie sich unmittelbar an das
Auge wenden, durch ihre reine und herbe Hal-
tung Anforderungen an die Verarbeitung
durch den Betrachter. Sobald aber der Kon-
takt zu ihnen, hergestellt ist, seßt sich ihre
formale und ideelle Überzeugungskraft durch
(Abbildung unten). K.
Handzeichnungen
alter Meister

Cassirer, Berlin

Otto Mueller

damals bahnbrechen-
Nouveau“ (1920—25),
Corbusier herausgab.


und
vibrierende

Jean Lurcat
Ausstellung Lurgats ist nicht die
Deutschland. Im Jahre 1923 hat die

keit handelt, oder um ein Phänomen allge-
meinerer Gültigkeit. Ehrliches Virtuosentum
kann Lurgat nicht bestritten werden.
E. v. S y d o w

Amadee Ozenfant, Das schöne Leben
La belle vie — The beautiful life
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Neumann-Nierendorf, Berlin

In der Ausstellung alter Handzeichnungen,
die das Antiquariat Art Anden,
Zürich, von Mitte Mai bis 5. Juni veran-
staltet, ist eine prachtvolle Auswahl von erst-
klassigen Handzeichnungen zu sehen.
Es sind nicht nur die großen Namen der
flandrischen, holländischen und
italienischen Meister vertreten, sondern
die Künstler, welche hier figurieren, zeigen be-
sonders interessante und schöne Arbeiten.
Um einiges aus dem vielen Schönen heraus-
zuheben: eine zarte große Studie von Peru-
gino zu einem HL Sebastian, durchsichtige
großgesehene Sepiaskizzen von Tiepolo und
Guardi, nicht zu vergessen eine Gewandstudie
von Tizian. Das ergreifendste vielleicht, eine
in nervösen Schwüngen hingeschriebene
Federzeichnung Rembrandts, seine
Gattin Saskia auf dem Totenbette. Gemälde-
studien von van Dyck und Rubens, welche weit
über dem stehen., was man gewöhnlich im
Handel zu sehen bekommt.
Dr. Rudolf B e r n o u 11 i

Freiheit gediehen: in _
erheben sich Körper und Schiffe und Städte.
Eine Verbindung von Monumentalität und Be-
schwingtheit dokumentiert sich hier, die
rade in unseren Breitengraden, in denen
numentalität sich nur allzu gern schwer
lastend gibt, lehrreich und anregend
kann. Sicherlich spricht
lateinische Tradition mit,
überhaupt Erhabenheit in
Größe und Beschwingtheit


Max Liebermann, Eingang zum Landhaus (1930)
Entree de la villa — Entrance of the country house. 73 : 92 cm
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Bruno ~

ge-
Mo-
und
sein
hier die ganze
— wie man denn
jenem Sinne von
als typisch für die

Otto Mueller, Zwei Mädchen (Pastell)
Deux jeunes filles — Two girls
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Neumann-Nierendorf, Berlin

„Leben und Gestaltung“ bei Müller
Kiepenheuer, Potsdam, erschienen ist.
Buch, das die Bilanz unserer Zeit, das Fazit
des bisher Erreichten zieht und das Er-
strebenswerte formuliert. Ein Werk, das be-
reits in das geistige Leben der Gegenwart
eingegangen ist und bleiben wird.
Vor kurzem hielt Ozenfant im Freun-
deskreis der Staatlichen Kunstbibliothek
einen V o r t r a g über das Thema „Art et
Vie“. Ozenfant ist ein vorzüglicher und ein-
drucksvoller Redner, der seine Hörer in Atem
hält, ihnen, seine Ideen mit einer ihm eigenen
Selbstverständlichkeit übermittelt und sie
gleichzeitig durch seine bewegliche pointierte
und geistreiche Vortragsweise (die Gestik
einbegriffen) amüsiert. Man spürt die innere
Disziplin dieses Geistes, der in allen Gebieten
des Lebens (auch in der Technik, und zwar als

Altvenezianische
Malerei aus deutschem
Kunsthandelsbesitz

Diese
erste in
Kestnergesellschaft in Hannover eine Reihe
früher Arbeiten gezeigt, die einen intensiven
Trieb ins Abstrakte bezeugten. Die gegen-
wärtige Schau bei Al-
fred F 1 e c h t h e i m ,
Berlin, zeigt einen
außerordentlichen Fort-
schritt gegenüber den
Bildern der damaligen
Zeit: Figuren, Städte,
Schiffe ... an Stelle
des reinen Stillebens,
dramatische Spannung
statt der ehemaligen
Ausgeglichenheit
hellere
Farben an Stelle der
etwas schwerflüssigen
Farbgebung jener Zeit.
Doch ist die Kontinui-
tät des Zusammen-
hangs deutlich, und
auch in so frei kon-
struierten Dingen, wie
dem Bilde der „Akro-
polis“ (Abbildung in
Nr. 20 der „Weltkunst“),
ist der innerste Impuls
der gleiche wie vor
acht Jahren. Doch ist
dieser Antrieb zu einer
bewundernswerten
prächtigem Aufschwung

großen Kompositionen „Wahrheit“ und „Jüng-
ling vom Weibe bewundert“, vermehrt wor-
den. Die neugeordnete Sammlung wurde am
10. Mai in Gegenwart des Regierungspräsi-
denten von Zürich und der Mitglieder der
Krmstgesellschaff der Öffentlichkeit über-
geben.
Direktor W a r t m a n n erinnerte in seinem
Vortrag an die jahrelangen Kämpfe der 90er
Jahre um den Entwurf der Marignano-Fresken
für das Zürcher Landesmuseum. Damals fand
Hodler in Zürich seine leidenschaftlichsten
Gegner — heute bildet die Hodler-Sammlung
in Zürich, die diejenigen von Genf und Bern
längst überholt hat, den eigentlichen Kern des
Kunsthauses. — Der Katalog umfaßt mehr als
80 Nummern: Tafelbilder und Fresken aus bei-
nahe allen Jahrgängen Hodlers; daran
schließen sich die Zeichnungen und gegen
tausend Blätter knapper Notierungen zu
Kompositionen und Pausen des „Hodler-
Archivs“. — Das Gesamtwerk, die Einheitlich-
keit der künstlerischen Entwicklung des
großen Schweizer Malers zu erfassen, bietet
die Hodler-Sammlung in Zürich eine einzig-
artige Gelegenheit.
G. Heider-Hartog (Zürich)

Das graphische Werk Otto Muellers
hat die Galerie Ferdinand Möller,
Berlin, zu einer umfassenden Ausstellung
vereinigt, über 100 Blätter zeugen von der
großen Produktivität Muellers und stellen eine
Gedächtnisschau besonderer Art dar, die man
gern wiederholt besucht. Freilich ist der Um-
kreis seiner Themata nicht groß. Aber die
lyrische Essenz, die er graphisch zu destil-
lieren wußte, hat vielfach einen großen Reiz.
Und auch manche seiner Blätter,, wie das
Porträt Maschka Mueller (1908), die farbigen
Lithos mit Zigeuner-Motiven haben auch in
formaler Hinsicht eine bemerkenswerte Stärke.
— In Verbindung mit der Schau der National-
galerie im ehern. Kronprinzenpalais ergibt sich
eine Veranschaulichung der Lebensarbeit Otto
Muellers, wie man sie umfassender sich nicht
wünschen könnte.
*
Im ehern. Kronprinzenpalais veranstaltet
die Berliner Na t i o n a 1 g a 1 e r.i e eine
Gedächtnisschau, die am 21. Mai eröffnet
worden ist. Wir werden darauf noch zurück-
kommen.

zu können. Immerhin ist die Ausstellung als
Dokument eines abseitigen volkstümlichen
Osterreichertums jenseits modischer Eleganz
nicht ohne Interesse. Sie wird von Berlin
über Holland nach Amerika gehen. — o w.

t °6ziigiger Linienkonstruktionen. Bald ist
der Krieg, bald ein Thema, wie der Toten-
dann epische Vorwürfe, wie „Familie",
Mensch“ usw., die ihm Anregung für
bip^tige freskohafte Darstellungen geben,
f'ihl ehrliche Uberzeugungstreue und der Ge-
Qels.gehalt mancher Kompositionen hat etwas
rjj'y'nnendes an sich. Doch das rein Künstle-
Tq he hat leider nicht die gleiche Intensität wie
U Inhaltliche. Die Parallele zu Hodler, den
yer-Lienz s. Zt. leidenschaftlich bekämpfte,

Ozenfant
schreibt, spricht, malt
Ozenfant ist der Initiator, der praktische
Theoretiker der modernen französischen
Kunstbewegung. Er seßt das Werk eines
Adolf Loos unmittelbar fort. Man könnte ihn
das Gewissen der modernen Kunst nennen.
Seine Theorien haben noch immer die Probe
aufs Exempel bestanden. Wir kennen ihn vor

Zürcher Hodler-Sammlung
Die Hodler-Sammlung des Zürcher
Kun s thaus es, die bereits im vorigen Jahr
mit den Bildern: „Grindelwaldgletscher“ 1914,
Bildnis des Schriftstellers Martin, 1916, und
„Landschaft bei Gaux mit aufsteigenden
Wolken“, 1917, aus dem Vermächtnis der Kol-
lektion Rütschi einen bedeutenden Zuwachs
erfahren hat, ist neuerdings um zwei bisher in
Wiener Privatbesiß befindliche Fassungen der

allem als Begründer der
den Zeitschrift „L’Esprif
die er zusammen mit Le
und als Autor des zusammenfassenden und
eine neue Ästhetik begründenden Buches
„Art“, das im künstlerischen und geistigen
Frankreich starken Widerhall fand und kürz-
lich ins Deutsche übertragen unter dem Titel
■und
Ein

Egger-Lienz
i Der Verein Berliner Künstler hat
j seinem alten Haus in der Bellevue-
fHaße dem Tiroler Maler Egger-Lienz (1868
1926) eine in ihrer Art imposante Ge-
^phtnisausstellung bereitet. In über 40 Ar-
se*Ien, z. T. großen Formates, wird eine Uber-
s-c ’t über das Werk Eggers gegeben, wie man
bisher nicht gehabt hat. Es überwiegen
Gemälde, neben denen die wenigen
e.Qridzeichnungen und Steinzeichnungen nur
kleinen Raum beanspruchen. Die Ten-
zur Monumentalmalerei verschwistert mit
J hl Sinn für das Volkstümliche ist der
e,9enfliche Antrieb seiner Kunst. Große und
flache Sujets dienen ihm zur Durchführung

Diese Sonderschau wird nicht nur ein Er-
^l9nis werden für die Münchener Saison,
?ondern auch eine nachhaltige Bedeutung
P?ben fjjr unsere Kenntnis der venezianischen
palerei des 15. bis 18. Jahrhunderts. Das Ma-
er*al ist so reichhaltig, daß es die beiden
i,ro6en Galeriesäle des Böhlerschen
^aüses an der Briennersfraße füllen wird.
Ie Qualität der Bilder ist durchwegs außer-
pNentlich. Die Mehrzahl stammt von der
xiF.iTia Böhler selbst, das übrige aus dem
Uchen er und Berliner Kunsthandel.
bleute seien in diesem Vorbericht nur einige
HiTien genannt: Domenico Veneziano,
yr'Velli, Carpaccio, Mansueti, Vivarini, Paolo
I eronese, Tizian (vier! z. T. bezeichnet), Tin-
^r'etto, Cima da Conegliano, Bassano, Paris
.rx°rdone, Palma Vecchio, Cariani, Tiepolo,
^ürdi, Belotto, Amigoni, Longhi u. a.
]: Besonders herausgegriffen sei der herr-
nhe, späte Hl. Hieronymus von Tizian, —
einzige bekannte Bildnis von der Hand
■pSs Jacopo Barbari (signiert mit dem
A?.duceus), darstellend den jugendlichen
'brecht von Brandenburg aus dem Jahre 1508,
? die Altartafel der Cornaro, ein Hauptwerk
jys Jacopo Tintoretto und ein schönes
^'Id eines bisher unbekannten Meisters mit
er Signatur Philippo Veroneses.
Man sieht, es handelt sich um eine Aus-
peUung, wie sie nur eine Firma ganz großen
..'''rriafes veranstalten kann. Dabei hat sie
^chf nur einen künstlerischen, sondern auch
Ulen charitativen Zweck: der gesamte Erlös
»IJs Eintritt und Katalog wird ohne Abzug der
vDesen der Münchener Armenhilfe über-
lesen. L. F. F„
 
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