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DIE WELTKUNST

Jahrg. V, Nr. 22 vom 31. Mai

Der Deutsche Dünstlerlur.c!
(Fortsetzung von S. 3)
ernsten Willen, dennoch nicht untätig und un-
produktiv zu sein. Das mag die Veranstal-
tung dieser Ausstellung zeigen. Die Ange-
legenheiten unseres geistigen Lebens im Rah-
men der heute gegebenen Möglichkeiten zu
pflegen und zu fördern wird den deutschen
Städten schon aus der Tradition heraus immer
ein besonders ernst empfundenes Anliegen
sein. Dazu gehört, daß eine solche Schau
nicht nur Angelegenheit der Kenner bleibt,
sondern daß sie hineinwirkt in möglichst breite
Volkskreise.“ — Regierungspräsident Berge-
mann, Düsseldorf: „Wenn auch die dies-
jährige Ausstellung noch bedingt ist durch eine
Vergangenheit, die im wesentlichen nur das in-
dividuelle Bild kannte und schälte, so besteht
doch, wie ich höre, die äußerst begrüßens-
werte Aussicht, daß der Künstlerbund für die
Zukunft eine Erweiterung seines Ausstellungs-
programms anstrebt, um den aus der Zeit
heraus geborenen Aufgaben gerecht zu wer-
den. Man will das Programm dahingehend
erweitern, daß jede Art des bildnerischen Wir-
kens — Mosaik, Wandgemälde, Glasfenster,
Gobelin, Bauplastik usw. — in Zukunft auf den
Künstlerbundausstellungen vertreten sein
soll.“ — Reichskunsiwarf Dr. R e d s 1 o b: „Das
Wort Paul de Lagardes: Möge Deutschland
nie glauben, daß man in eine neue Periode
des Lebens treten könne, ohne ein neues
Ideal, verpflichtet. Der Nüßlichkeitsstand
punkt in den Künsten ist nicht so wichtig wie
die Erfüllung einer Idee. Es kommt nicht auf
das Subjekt, sondern auf das Prädikat der
Dinge an, auf ihre SYmbolkraff. Heutige
Kunst will nicht Wiederholung der Wirklich-
keit sein, sondern Erfassung eines Sinnbildes.
Nicht die Dinge selbst gilt es zu kopieren,
sondern ihr Inhalt und Geist müssen erspürt
werden.“
342 Bilder und 82 Plastiken
260 Künstler, zumeist Mitglieder des
Künstlerbundes, haben die Ausstellung be-
schickt. Dazu vorweg einige kritische Ein-
wände. Würde es nicht genügen, die großen
Namen nur mit je einem Werk vertreten sein
zu lassen? Sie haben doch während des
Jahres genügend Gelegenheit, ihre neuen
Werke auf Einzelausstellungen zu zeigen.
Wichtiger erscheint uns die Förderung der
zahlreichen Unbekannten. Ihnen könnte man
zwei bis drei Katalognummern zugestehen.
Man braucht das nicht schematisch und starr
zu handhaben, aber als richtunggebendes
Prinzip sollte man diesen Vorschlag doch
nicht außer acht lassen. Weiter fällt diesmal
auf, daß die wortwörtliche Gefolgschaft der
Hofer, Beckmann u. a. zahlreich vertreten ist.
Auch das könnte unterbleiben. Der Schüler,
der sich restlos seinem Meister unterordnet
und in sklavischer Gefolgschaft steht, ist uns
unwesentlich. Es gibt sicher in irgendwelchen
deutschen Winkeln junge Unbekannte, die
Eigenwuchs vorzuweisen haben, die aber
keiner aufstöbert. Also einmal Verdichtung
und zum andern ein noch eindringlicheres
Suchen. Es könnte sein, daß im Gesicht dieser
Ausstellungen sehr frische und unverbrauchte
Robinson Crusoe
u. die Robinsonaden
Zum 200jährigen Todestage
von Daniel Defoe
Gleich bei seinem Erscheinen im Jahre
1719 hatte der Robinson Crusoe einen solchen
Erfolg beim Publikum, daß der Verleger des
großen englischen Journalisten Daniel Defoe
noch im gleichen Jahre drei weitere Auflagen
herausbringen konnte, und zwar erschienen
die Auflagen in folgenden Abständen: Die
Erstausgabe am 25. April, die zweite Auflage
am 6. Mai, die dritte am 6. Juni und die vierte
am 8. August. Noch vor dem Ausgabetag der
vierten Auflage war ein Nachdruck er-
schienen, in dem der Text allerdings erheblich
zusammengesfrichen war. Schon am
20. August ließ Defoe den zweiten Band des
Robinson folgen und vom 7. Oktober 1719
bis zum 20. Oktober 1720 (also über ein volles
Jahr) wurden beide Bände des Romans in der
Zeitschrift „The Original London Post or
Healhcote’s Intelligence“ wie wir heute sagen
„unter dem Strich“ als Feuilleton nach-
gedruckt.
Die Aufnahme im Auslande war nicht
weniger günstig. Während des Jahres 1720
erschienen in Holland und in Deutschland die
ersten überseßungen. Die erste deutsche
tlberseßung wurde in Hamburg „gedruckt
bey Sehlig Thomas von Wierings Erben bey
der Börse im güldenen ABC 1720“, und zwar
erschienen beide Bände mit rot und schwarz
gedruckten Titelblättern, je einem Titelkupfer
und einem interessanten Anhang „Erklärung
etlicher See und anderer Wörter“. August
Kippenberg vermerkt in seiner Bibliographie,
die den Anhang zu der ausgezeichneten Ar-
beit „Robinson in Deutschland bis zur Insel
Felsenburg in Hannover 1892" bildet, daß ein
Exemplar von Teil I in Weimar, ein Exemplar
von Teil II in Hamburg vorhanden ist. Neben-
bei bemerkt erstreckt sich die Seltenheit nicht
nur auf die frühen Originalausgaben und
überseßungen, sondern sogar auch auf die
in Weimar 1898 erschienene umfassende
Robinson-Bibliographie von Hermann Ullrich,
die heute so gut wie kaum auffindbar ist.
Wiering druckte im Jahre 1721 eine zweite
Auflage der tlberseßung, die auch einen
großen Plan der Insel enthält, worauf auch im
Titel hingewiesen wird. Die dritte hambur-
gische Auflage wurde bei Wiering 1731 ver-
legt. tlberseßer war der Privaigelehrie und

Züge auffauchen würden.
Gesamteindruck: Starke Verfesti-
gung im Formalen wie in der technisch hand-
werklichen Durchführung. Es wird diszipli-
niert und ernsthaft gearbeitet. Das triebhaft
Malerische wie das intellektuell Konstruktive
— Überschneidungen sind mehrfach feststell-

Doch sind auch jene noch immer vertreten, die
beanspruchen, die Kunst unserer Zeit allein
gepachtet zu haben. Grosz hat recht, wenn er
ihr verkrampftes Bemühen so charakterisiert:
„Diese Kunst ist blaß, ein Kind mit einem
allzu großen Kopf und einer Hornbrille. Natur
und Wirklichkeit abgewandt, schafft es aus


Otto Mueller, Selbstbildnis (Litho, 1920)
Portrait de l'artiste par lui-meme — Portrait of himself
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Ferdinand Möller, Berlin

in Essen gezeigten Bilder, Prozession 1111 f
Kirche, haben große Form. — Karl H o fc&
experimentiert zur Zeit, Kirchner utl.
Schmitt -Rottluff suchen im barbarisö
Derben weitere Vereinfachung!, Otto Muel'
1 e r s Selbstbildnis mit dem Hahn läßt
wehmütig des verstorbenen Schlesiers 9e'
denken. Sehr weich und milde ist Enc
Heckel in seinen Landschaften geword611’
Max Beckmann, Klee, Kandinsky sind rl,l_
einigen charakteristischen Arbeiten gut ver
treten. Sehr diszipliniert und konseguent in
Durchdenken abstrakter Gestaltung ist de
jeßt in Frankfurt lebende Stuttgarter W1!*
Baumeister. Schlemmer verliert sich 11
eindrucksloser Spielerei. Pechstein sireh
in eine neue monumentale Form. In schaffe11'
der Stille ist Werner Heuser erstaunlich <3e',
wachsen, die Kollektivschau in Düsseldor
war dafür ein nachhaltiger Beweis. Mens
gibt überzeugend deutsche Tradition, die von
der romantischen Landschaft ausgeht (Fried'
richt, um in den Bereichen Picassos zu mün'
den. Ein suggestives Bild die Schwange1*
von D i x; freundlich die Stilleben des Georg
Grosz, der sich zur Zeit in dieser Id.V1
sehr wohl zu fühlen scheint. Kraft und man11'
liehen Charme hat das Bildnis Meier-Graefe
von Leo von König. Prächtig das strah'
lende Gladiolensfilleben Annots.
Von den Münchnern interessieren U- s'
die beiden Caspar, Karl und Maria, ferne
Zerbe, E. von Kreibig und der Bildhauc
Geibel. Die Dresdner Albiker, BöcksiieS
und Hegenbarth übersieht man nicht.
Der Betrachter stößt weiter au,f Neues 0l1’
dem rheinischen Bezirk. Da sind Ahler5'
Hestermann, F. M. Jansen, Seewald, Chad1'
pion, Pankok, Pfeiffer-Wafenpfuhl, J30^
Adler, Davringhausen, Nauen, H. Schn1'1"’
Räderscheidt, die Hegemann, A. Povörin9,
R. Camphausen, Helmuth Macke, J. P. Schm1-
u. a. Jeder trägt seine Weise so vor,
man gern zuschaut. Bei allen das Bestrebe J
lebendig zu bleiben, sich nicht in Manier
verrennen. Leistungsunterschiede sind nat'ur
lieh vorhanden.
Einige schöne Erlebnisse hat man bei de"
Bildhauern. Erstaunlich die Reife y
jungen Arno Breker. Scharff ist *
souveräne Meister, Kolbe der instinktsicher
Könner, Haller ein nerviger Gestalt’
Hensel mann sehr gesammelt, Ko9®,.
lyrisch besaitet. Albiker enttäuscht nid1’’
Belling mit seinem neuen Nafuralismlly’
C. Beckmann, C. M. Schreiner und Minßeri
berg bleiben in der Erinnerung haften. 1
H. Ginze

bar — sind die beiden Haupfäste des heutigen
bildnerischen Schaffens. Aus innerer Be-
sessenheit phantasiert man über das Erlebnis
der Farben und ihre Symbolwerte. Mit ge-
spanntester Konseguenz wird an neuer Bild-
form gearbeitet. Schlagworte klingen ab.
Man hört wieder stärker auf das eigene Drän-
gen. Auch den Schwingungen des Gefühls ist
freier Lauf gelassen worden. Das Erstar-
rende, Kühle, vom Ich Distanzierte, Versach-
lichende strebt vom leblos Gößenhaften fort.

Informator Magister Ludwig Friedrich Vischer,
von dem die interessante Liste der See-
mannsausdrücke am Ende jeden Bandes
stammt.
Die zweite Ausgabe der Tlberseßung von
1721 nennt übrigens Vischers Namen nicht
mehr unter der Vorrede. Er scheint in-
zwischen gestorben zu sein, wie er ja auch
in der Vorrede zum zweiten Band der tlber-
seßung in der Erstausgabe bemerkt, daß er
schon bejahrt und Robinson wohl seine leßte


Titelkupfer der I. Ausgabe
von Daniel Defoe: Robinson Crusoe (1719)

Arbeit sei, darum habe er sich auch beson-
dere Mühe bei der tlberseßung gegeben. Er
sagt in dieser Vorrede aber auch, daß ein
„fleißiger obwohl eigennüßiger Nachdruck“
erschienen sei. Gegen den Nachdruck wen-
det sich auch der Verleger selber in der
zweiten Auflage des ersten Bandes der
tlberseßung von 1721 und meint damit einen
Nachdruck, der bei Johan Christian Martini in
Leipzig erschienen war. Dieser Nachdruck
hatte außer einer Karie sogar 12 Illustrationen

sich heraus exakte Kreise und mathematisch
scheinende Figuren und nimmt all dies un-
geheuer ernst.“
Der Villa-Romana-Preis wurde diesmal
Xaver Fuhr (Mannheim) zugesprochen. Man
freut sich über den Entscheid, seßen doch
nach wie vor alle Kunstfreunde auf diesen
Maler große Hoffnungen. In der milden Luft
der Stadt am Arno steht eine herbe Architektur.
Malerisches und streng Formales wird ihn
hier gleichermaßen anpacken. Seine beiden

von Brühl und Krügener. Der Vermerk in
einem Exemplar des Jahres 1720 „die viierdte
Auflage“ kann natürlich nichts als ein Schwin-
del sein, der die Anziehungskraft vermehren
sollte. Bei dem Nachdruck des „anderen
Teils“, der im gleichen Jahre bei Martini er-
schien, ebenfalls einen großen Plan und
12 Kupfer aufweisi, die mit „S. C." signiert
sind, wird keine Auflageziffer genannt. Im
Jahre 1720 erschien ein weiterer Nachdruck
der Tlberseßung in Frankfurt und Leipzig, an-
geblich in „fünfter Auflage“. Eine weitere
Robinson-Übertragung, die Weidmann in
Leipzig im Oktober 1720 herausgebracht hat,
ist aus der französischen Uberseßung ins
Deutsche übertragen und sehr mangelhaft, da
bereits die französische überseßung das
Original arg verstümmelt hatte. Die Geschichte
der Nachdrucke nach dem Iahre 1720 aus-
einanderzuseßen ist nicht mehr von Interesse.
Der Robinson wurde nicht nur sofort über-
seßf, sondern auch gleich in allen anderen
Ländern nachgeabmt, in keinem Lande aber
mehr als in Deutschland, wo die des Lesens
kundigen Kreise, soweit sie selbst nicht dem
höheren Adel angehörien, unter tausend
Despoten ein wirtschaftlich und geistig beeng-
tes Dasein führten, aus dem sie nur das
phantastische Buch entführen konnte. Manche
dieser Robinsonaden führen den Namen
„Robinson“ nicht im Titel wie die hervor-

Die Triennale
nach Mailand verlegt
Mussolini hat soeben sich von gran uff- Rrg
Barella das Programm der nächsten Trienn,a_
der dekorativen und industrialen Kunst v°
legen lassen. Diese internationale Aussle f
lung, die bisher in Monza stattfand, ist a
Anregung des italienischen Akademikers U’j
Ojetti nach Mailand verlegt worden 11 s_
wird bis zum Bau eines besonderen Au

die
ragendsie aller deutschen Robinsonaden, „
„Insel Fefeenburg!“ von Schnabel, die e
1731 bis 1743 in vier Teilen erschien; and
führen den Namen „Robinson“ völlig zu 11 ,
recht, da es sich um Abenteurergeschid'
handelt, in denen das Zentralmotiv des f
der Kultur isolierten Menschen überha1 ,g
nicht vorkommt. Schließlich halte fast )eol1
deutsche größere Provinz ihren Robin5
und außer dem sächsischen, thüringisch J
preußischen, nordischen usw. Robinson ?
es nun auch Berufs-Robinsone wie den Oe’s ,
liehen Robinson (1723), den Medizinischen £
binson von 1732, den Buchhändlerischen C e
binson von 1728 und außerdem noch . f
„Jungfer Robinsone“ von 1724, die zu e‘r’
ganz zünftigen Pornographie ausfl
wachsen ist. g(1
Einen wirklich neuen Aufschwung nah111 g
die Robinsonaden durch die Bearbe1^'
Campes für die Kinderwelt. Der R°E’ir’ße[i
dürfte seit mehr als 100 Jahren wohl
Menschen der Kultursprachen kaum aI);
als auf Grund der deutschen Bearbeite 3
Campes bekannt geworden sein. Wäh1’ z
nicht nur die englische Originalausgabe, 5 z
dern auch die früheren deutschen überseP|etl
gen kaum aufzutreiben sind, sind die vl‘j',,rz
reizenden Robinson-Ausgaben der Kind n<j.
weit heute ein beliebter Sämmelgegensm y
Dr. A. B e s s m e r1

„Oh alte Grafen-Herrlichkeit . .

Ein bescheidener Handwerker trift etwas
ängstlich und unbeholfen bei uns ein. Er will
eine Bilderangelegenheit besprechen, wie er
sagt.
Aber er kommt sozusagen auf Zehen-
spißen, und eine Atmosphäre von Geheimnis
umgibt ihn: Wem die Bilder gehören, — wer
ihn beauftragt hat, — wo man die Bilder
sehen kann — pst, pst — alles Geheimnisi
Nur eine lange Bilderliste gibt er schließ-
lich preis, mit guten und schlechten Maler-
namen bunt durcheinander und ganz phan-
tastischen Preisen für beide.
Ein Name ist darunter — einer unter vieler
Spreu — der mich elektrisiert. Das Bild —
das Bild eines großen, berühmten norwegi-
schen Malers der Romantikerzeit müssen wir
haben! Noch ist der Preis, den er dafür
nennt, ein unmöglich hoher, aber schließlich
wird sich doch auch hier wie überall verhan-
deln lassen.

k5z
Ich sage also dem biederen HandWer.erJ
mann, daß die Sammlung mich interes5
und frage, wo sie besichtigt werden kann-
„Besichtigt werden? Ach ... ist das d
nötig? So einfach ist das nicht ..." . en
„Einfach oder nicht ... u n g e s e 11 j
kann ich die Bilder nicht kaufen. Ich n
wissen, wo sie zu sehen sind und wem 5ie-pen
hören, sonst hat unsere Besprechung n5t
Zweck!“ Und um ihm keinen Zweifel am
meiner Worte zu lassen, stehe ich auf- .er
Da geht er endlich ein wenig aus sich Lfjn
aus: Es ist die Sammlung einer Reichst ^j]l
— alter Uradel — höchste Kreise — mem^f’s
er erst nicht sagen, aber schließlich
wie bei Nestroy: „Meinen Namen will ich efl"
nicht nennen — aber ich bin der Kaiser J3|| /
Nun weiß ich also endlich Nam’ und A £jfi
es ist ein erster Name, den er mir nerlEgrii'1’
großer Besiß in der Umgebung von y jeH
und wir verabreden ein Rendezvous flir
nächsten Tag.
 
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