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DIE WELT KUNST

Ja-hrg. V, Nr. 24 vom 14. Juni 1931

Kunst auf der Pariser Kolonialausstellung
Von

schenk der Bürgerschaft. Die Bepflanzung des
Gartens unterstüßte s. Zt. die deutsche Regie-
rung durch Schenkung von, Bäumen aus den
Weimarer Parkanlagen, die über das Meer

verpflanzt wurden. — Ein Gipsabguß der
Heine-Büste befindet sich in der gegenwär'
tigen Großen Berliner Kunstausstellung i111
Schloß Bellevue.

Dr. Alfred Salmony

Mittelalterliche Miniaturen in München

Auf eine besondere koloniale Kunstaus-
stellung hat man in Paris verzichtet. Was
hätte man auch zeigen sollen? Wie schlecht
unbeschäftigte Damen in den Kolonien malen?
Ihre Produkte hängen in den Gängen der
Pavillons. Was heute den, Eingeborenen vor
allem im indischen Kulturgebiet auf Kunst-
gewerbeschulen der Regierung beigebrachi
wird? Ja, darauf ist man freilich sehr stolz.
Bei den technisch meist einwandfreien Ar-
beiten gibt man sich eine schreckliche Mühe,
in der alten Tradition zu bleiben. So ent-
stehen sinnlose Imitationen, die von den Kolo-
nien nachdrücklich zur Anschauung gebracht
werden. Immerhin kann man zugeben, daß
ein indisches Rankenmuster die Zigaretten-
dose besser ziert als eine bunte Witwen-
verbrennung. Also Neger- oder Südsee-
kunst? Man braucht sie zur Dekoration, auf
daß die außen so treu in Architektur umge-
seßte, von ihren eigenen Söhnen bewachte
Kolonie auch innen sinnfällig in Erscheinung
trete. Manches ethnographische Museum
wird die Dinge, die da herumsfehen, mit Neid
betrachten. Die Franzosen haben sich die
Sache immerhin sehr leicht gemacht. Daß
außer ihnen noch andere Leute mit Interesse
für Kunst und Kultur kolonisiert haben, be-
merkt man in Paris nur noch bei den Hollän-
dern. Sie stellen in ihrem prächtigen Bau
die alte Kunst Javas aus allen Epochen und
die Arbeiten aller Inseln des malaiischen Ar-
chipels aus. Sie verzichten dabei auf wissen-
schaftliche Anordnung, aber der Besucher
kann mit bescheidenen Vorkenntnissen einen
guten Überblick gewinnen.
Nur einmal hat man Kolonie und alte
Kunst ernsthaft verbunden. Die Franzosen
besißen ein Stück Land, auf dem ein einst,
künstlerisch bis zur Genieleistung begabtes
Volk noch heute lebt, wenn es auch unter den
Segnungen der westlichen Zivilisation schnell
zu völliger Impotenz gekommen ist. Es heißt
Cambodgia, heute ein klangvolles Wort in den
Reisebüros. Die Reklame spricht von der
versunkenen Vergangenheit, von den zier-
lichen, in den Urwald gebetteten Tempeln, der
süßen und geheimnisvollen Plastik. Den
Hauptteil des schönsten Monuments Angkor
Vat in Zement abzugießen und seine über
und über ziselierte Steinfassade nicht gerade
genau, aber doch in etwa richtig kopiert
zwischen Treppen, Baumbüsche und Himmel
zu stellen, das war schon eine Ausstellungs-
idee. Zu Angkor Vat drängen sich bei Tage
die Massen der Besucher. Um den bunt be-
leuchteten Komplex geistern bei Nacht kolo-
niale Träume. Man ahnt, wie großartig die
Khmer des 12. Jahrhunderts mit Vegetation
und Landschaft komponieren, konnten. Innen
hat man der Kunstgeschichte endlich und zum
einzigen Mal erlaubt, sich auszutoben. Mit
ihrer etwas weniger geschminkten Schwester-
wissenschaft, der Philologie, besißt sie ein
großartig ausgebautes Zentrum in Hanoi, die
Ecole Frangaise d’Exfreme-Orienf, ein vom
Ruhm meisterhafter Denkmalpflege, Boden-
forschung und Inschriftenlesung seit mehr als
drei Jahrzehnten bestrahltes Institut. Es ist im
Angkor-Bau von Paris Hausherr. Alle Mani-
festationen der Kunst auf dem Boden der
Kolonie Indochina marschieren in den Räumen
auf. Die Khmer, die Cham, die Laos, die

machen. Cambodgia herrscht natürlich vor.
Wenn der Besucher vom Staub der unfertigen
Gebäude, vom Rummel der unter französischer
Herrschaft so glücklichen Farbenskala Mensch

Das Antiguariat Jacques Rosen-
thal hat eine Ausstellung mittelalterlicher
Miniaturen veranstaltet, die wohl das Edelste


Lucas Cranach'd. Ä., Männerbildnis
Portrait d’homme — Portrait of a man
Holz-Bois-Panel, 50 : 36,5 cm — Collection Marczell von Nemes, München — Kat. Nr. 72
Versteigerung — Vente — Sale:
P. Cassirer, H. Helbing & Frederik Muller & Co., München, 16.—19. Juni 1931

nennen wir eine rheinische Miniatur mit
der Taufe Christi und Anbetung der hl. drei
Könige in bester Erhaltung der Farben und
mit lebhaften, ausdrucksvollen Gebärden. Das
14. Jahrhundert zeigt bereits die Reflexe von
Wand- und Tafelmalerei, vor allem an einer
toskanischen Miniatur in der Art des
Lor. Monaco, eine Initiale V, das Totenbett
des hl. Benedict einschließend. Hervorragend
schön dann einige französische Minia'
turen aus einem Livre d'Heures, unter welchen
eine originelle Darstellung des hl. Johannes
auf Patmos von der mystischen Phantasie des
Mittelalters beredtes Zeugnis ablegt. Zu den
wenigen Blättern, die sich mit einem Künstler'
namen in Verbindung bringen lassen, gehört
eine wunderschöne Miniatur des Matteo di
Ser Cambio aus Umbrien, welche eine
hl. Martha unter einem Torbogen zeigt. Ein
besonderes Juwel aus dem frühen 15. Jahr'
hundert lernen wir in einer französischen
Miniatur, dem hl. Christophorus mit dem
Christkind, kennen, welche nach Winkler als
eine Arbeit des berühmten Paul von Lim'
bürg gelten darf, desselben Meisters, von
welchem die „Tres riches heures du Duc de
Berry" in Chantilly stammen, „eines der
schönsten Kunstwerke aller Zeiten“.
Wie herrlich die reichen, aufs beste er'
haltenen Goldgründe mancher Blätter wirken,
sei vor allem an einer italienischen Miniatur
des Belbello da Pavia aus dem
15. Jahrhundert demonstriert, einer Initiale md
disputierenden Heiligen. Als Gipfel der ita'
lienischen Illuminierkunst kann man dann
wohl eine ganz außerordentliche Seltenheit
bezeichnen, nämlich eine Anbetung der Kö'
mge, ursprünglich zu dem Sforza Book of
Hours des British Museum gehörig. Dieses
Sfundenbuch, welches für die Witwe des Oa'
leazzo Maria Sforza, für Bona von Savoyen
etwa 1490 in' Mailand .ausgeführt wurde, hatte
eine höchst komplizierte Geschichte du'rchzu'
machen, da es nicht seiner eigentlichen ße'
Stimmung als Hochzeitsgabe dienen konnte,
sondern durch Erbschaft endlich in den BesiB
Karls V. überging; jedoch war bereits ein Drit'
tel des ursprünglichen Manuskripts verloren'
gegangen. Die fehlenden Blätter wurden efw11
1520 durch flämische Miniaturen erseßb- E5
handelt sich nun bei dem vorliegenden Bist'
um eines der kostbaren Originalblätter, wa5
seine Bedeutung wohl hinlänglich erläutern
dürfte. Einen bestimmten Illuminatoren nm
Namen zu nennen, ist bisher noch nicht end'
gültig gelungen, doch ist dieses einzigartig
Stück in einer Zeit entstanden, wo gleichzeitig
ein Leonardo da Vinci und ein Bramante in
Mailand! wirkten, in einer Epoche höchst“1
künstlerischer Leistungen also, denen sich auch
diese Äußerung eines außerordentlich kuH1'
vierten künstlerischen Empfindens ebenbürtig
anschließt. F. M

Moderne Meister


K. Harald Isenstein
Bronze, H. 82,5:45 cm
Cleveland (Ohio) USA.
Annamiten und die chinesischen Zuwanderer
sind nach künstlerischem Verdienst bedacht.
Der Wechsel. von Originalplastik, Abguß,
Architekfurplan, Photo und Buchveröffenf-
Iichung wirkt anregend und beweist, daß die
Existenz des Kunstwerks nicht genügt, der
Gelehrte muß erst darauf aufmerksam

Anläßlich von Hein-
rich Heines 75. Todestag
hatte sich in Cleveland
(Ohio) U. S. A. eine
Heine -Memorial-Com-
mission konstituiert, die
sich die Errichtung eines
Heine - Denkmals zum
Ziel setzte. Sie be-
schloß, die Ausführung
dem Berliner Bildhauer
K. Harald Isenstein
zu übertragen. Isenstein
schuf einemonumentale,
etwa doppelt lebens-
große Bronzebüste, die
wir auf dieser Seite abbilden. Sie wird heute,
am 14. Juni, unter großen Feierlichkeiten sei-
tens der gesamten Bürgerschaft der Stadt im
Deutschen Dichtergarfen zur' Aufstellung ge-
langen, in dem bereits die Büsten Goethes,
Schillers und Lessings stehen. Dieser 1
„Deutsche Dichtergarten“ ist übrigens ein Ge- I

Heinrich Heine-Büste

genug hat, dann erwartet ihn im Tempel-
abguß eine Göttin aus Stein, ein Wunder wie
der Engel von Reims. Sie kniet mit zurück-
gelehntem Oberkörper
und stammt aus dem
12. Jahrhundert. Ihre
nackte Brust ist in den
zartesten Übergängen
modelliert, und nach
Schluß der Ausstellung
muß sie in den Louvre.
Uber ihr Gewand brei-
tet sich das feinste
Ornamentneß, und was
sie eigentlich vorstellt,
hat man noch nicht her-
aus. Wenn die Leute
sich um sie kümmerten,
würde sie die Venus
von Angkor heißen.
Kolonialaussiellungen
und Kolonien gehen
vorüber, diese Plastik
wird bleiben.

Deutsch-
amerikanisches
Heine-Denkmal

an Kunst und Kultur vorführt, mit dem der
Gourmand unter den Sammlern seinen Kunst-
sinn zu befriedigen vermag und die mit ihren
auserwählten Säßen ein seltenes Ereignis für
München bedeutet. Die Aussteller haben den
herrlichen Miniaturen eine vorzügliche
Auswahl kostbarster Miniatur-Manu-
skripte gleichsam als Kommentar beige-

in München
Die Galerie 1. B. Neumann & Oü c'
ther Franke (Graphisches Kabinett) hat al,s
eigenen Beständen eine Sommer-AusstellunÖ
eröffnet, die den Juni über, also zur Zeit de1,
Nemes-A.uktion, die München für einige Ze11


Ballonaufstieg bei den Lappländern
nach — d’apres — after: Clarke, „Powells Travels“, London, 1810—:23
Versteigerung — Vente — Sale:
H. Götz, Hamburg, 22. Juni 1931

legt, um so das Wesen dieser vornehmen
Frühkunst zu illustrieren. Von den frühesten
Miniaturen, denen des 12. Jahrhunderts, ist als
wertvollstes ein doppelseitiges Blatt, viel-
leicht Elsässisch, mit der Darstellung
des hl. Gregor als Schreiber und einem
messelesenden hl. Bischof zu nennen, das in
seiner monumentalen Gestaltung und form-
schönen Ausführung einen hervorragenden
Künstler ahnen läßt. Aus dem 13. Jahrhundert

ei'1

in den Vordergrund des international
Kunstlebens rücken wird, dem Besuche °ta,
steht. Die schönen intimen Räume der -n
lerie an der Brienner Straße sind wie a
kleines Museum zeitgenössischer Kunst v

qualitativer Erlesenheit eingerichtet. u
Höhepunkte der sehr anregenden
stellen einige der schönsten Werke
Lembruck in durchweg guten 'rUv-i:
Güssen (Kunststein) dar. Man sieht
 
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