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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 37 (13. September)
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2

D I E W E L T K U N S T.

Jahrg. V, Nr. 37 vom 13. September 1931

für die Ästheien dar; weil sie alles anderen
lebendigen Sinns entleert sind, sind sie zum
Ideal reif geworden, nichts stört an ihnen,
man findet in ihnen in äußerster Reinheit,
was man ausschließlich sucht, das Ästhetische.
Ohne dieses . würden jene Kultbilder oder
Porträts wertlos geworden und zugrunde ge-
gangen sein wie zahllose andere; ihr ästheti-
scher Wert gleicht Flügeln, die einzelnen Wer-
ken nach ihrem Tode wachsen und sie hin-
dern, gleich den anderen Kadaver zu werden.
Aber die Muschel muß sterben, die die Perle
hergibt; erst die spätere Zeit tötet die
anderen Fäden ab, die das Kunstwerk zu
seiner Zeit mit dem Leben verbanden, und
reduziert es auf das Ästhetische.
Es ist ein Fürwiß, diese Auslese, die die
Nachwelt übt, schon an den Erzeugnissen der
Gegenwart vorzunehmen; es ist schlimmer als
das, einen ganzen Zweig menschlicher — und
im Grunde schöpferischer — Tätigkeit auf
Sinnlosigkeit seines Tuns aufzubauen. Daß sie
diese Sinnlosigkeit systematisch großziehen,
ist der Fehler der Akademien und nicht
irgendein Mangel der Unterrichtsmethode; ob
weniger Genies aus ihr hervorgegangen sind
als aus irgendeiner anderen Art von Schulung
ist ganz belanglos, denn statistisch sind die
Genies mit den anderen verglichen immer in
einer verschwindenden Minderheit, sodaß sie
gegenüber dem Durchschnitt unendlich klein
wird. Diesen Durchschnitt mit Ideen zu er-
füllen, die von den Genies abgeleitet sind,
ist das Verbrechen der Akademie, die es ihren
Zöglingen schwer macht, ihren künftigen
Zweck zu erfüllen und Dinge zu erzeugen,
die man im Leben braucht; erkennbare Bild-
nisse, angenehme Flecken an der Wand, einen
vergänglichen Schmuck des Daseins und ähn-
liches und nur in Ausnahmefällen ein Stück
Spiel und Traum, Vergessenheit und Be-
kenntnis. Denn immer leben noch genug,
denen dies in der Kunst zu finden lebendiges
Bedürfnis ist; es sind die Erben einer Ein-
stellung, die stark genug war, in Einzelnen
noch lange nachzuwirken.
Aber diese Abseitigkeit gibt ihnen nicht
das Recht, sich besser zu dünken als die
anderen; auch die anderen, die von Bildern
oder Skulpturen nichts wissen wollen, sind
keineswegs des ästhetischen Bedürfnisses be-
raubt. Es ist nur anders geworden, man kann
nicht sagen, daß es — eins ins andere ge-
rechnet — schlechter sei. Waren die Ge-
nerationen, die in einem grauenhaften Trödel
zu leben vermochten, aber sich Abgüsse der
Tageszeiten Michelangelos auf das Bücher-
spind stellten, dem neuen Geschlecht wirk-
lich ästhetisch überlegen, das auf Bilder
pfeift, aber in klar proportionierten und sinn-
voll durchleuchteten Wohnungen zu leben be-
gehrt; war es so viel ästhetischer, mit
Schweißfüßen und hohen Schultern anbetend
vor die Venus von Milo zu treten als aus
seinem Körper so viel an Kraft und Schönheit
herauszuholen, wie er hergelben kann? Ich
sehe ein ästhetisches Bedürfnis, das nicht
kleiner, sondern nur anders ist als früher;
mehr aktiv als passiv; mehr aus dem Leben,
das wir leben, hervorgegangen, als von
Ästheten und Künstlern hineingetragen.
Das Bedürfnis nach dem Ästhetischen ist
vorhanden wie immer; die Aufgabe ist zu
versuchen, wie weit ihm die Kunst — im bis-
herigen Sinn — zugänglich werden kann. Wir
haben bisher sehr wenig getan, dieses ver-

Inhalt Nr. 3 7

Hofrat Prof. Dr. Hans Tietze :
Kunst und Kitsch ...1/2
Dr. A. Neumeyer:
Museum und Schule.2
Alte Meister für Bremen.2/3
Auktionsvorberichte (m. 5 Abb.) ... . . . . 3
Auktions-Kalender.3
Ausstellungen der Woche . . . . 4
Literatur — Preisberichte — Kunst im Rundfunk 4
Versteigerungserfolge in Luzern.5
Arthur Bryks (m. Abb.).5
Ausstellungen (m. 2 Abb.).5/6
Große Berliner — Japanische Malerei —
Frauenbildnisse — Juryfreie
Nachrichten von Überall.6
Unter Kollegen .6

änderte Bedürfnis zu erfassen und zu be-
friedigen; wir haben immer nur versucht, die
große Menge zu dem zu nötigen, was der
kleinen Menge entspricht. Wir können im
Grunde auch nicht viel anderes tun, denn das
Bedürfnis wird, wenn es stark genug ist, sich
seinen Weg selbst bahnen; vielleicht bahnt
es sich ihn schon, wir können es nur noch

nicht merken. Denn schließlich gehören ja
auch wir zu der Minorität, an deren Werten
wir interessiert sind; es ist für uns persön-
liches Lebensrecht und Lebenspflicht zu ver-
teidigen, woran wir glauben. Vielleicht retten
wir auf diese Art doch etwas von dem, was
war und schön war, auch in die Zukunft her-
über.

Museum und Schule

Von Dr. Alfred Neumeyer

„Museum und Schute“ heißt das Buch, das,
vom Zentralinslitut für Erziehung
und Unterricht herausgegeben, die Vor-
träge der Tagung gleichen Namens vom April
1929 enthält. Dazu wie ein frischer Blumen-
strauß 16 Abbildungstafeln mit Schülerzeich-

nungen aus der Studiengemeinschaft und der
Schule Prof. Philipp Franck.
Das Buch ist wertvoll, weil es einmal alle
die Vorschläge zusammenfaßt, die im Lauf
der leßten Jahre laut geworden sind und die
zum Teil auch der Verwirklichung entgegenge-
führt werden können.
Während die meisten Autoren das Problem
bei Schüler und Lehrern beginnen lassen, for-
dert Dr. Alfred Kuhn (nochmals in den
„Sozialistischen Monatsheften") einen anderen
Typ Museum — das kulturhistorische
Typenmuseum und glaubt, durch eine
solche Sammlung, in der das heute vorherr-
schende ästhetische und stilgeschichtliche
Moment zurücktritt, von vornherein einer stär-
keren Wirkung beim modernen Menschen
sicher zu sein. Mit diesem Vorschlag geht die
Tatsache zusammen, daß das Kölner Kunst-
gewerbemuseum durch seinen Direktor Karl
With soeben nach verwandten Gesichts-
punkten völlig neu geordnet wird. Man muß
das Resultat abwarten. Ganz gewiß fordern
die Erkenntnisse der Vorgeschichtswissen-

schaft und Völkerkunde dazu auf, das
brüchige Schema Alterfum-Mittelalter-Neuzeif
einzureißen und die Kunst unter menschheits-
geschichtlichen Perspektiven zu betrachten. Es
wird nur ein Gewinn für die Museen sein,
diesen universalgeschichtlichen Gedanken bei
der Aufstellung einzel-
ner Musterräume nach-
zugehen. Gefährlich
aber scheint es mir,
Kunstwerke überhaupt
nur als „Typen“, d. h.
als Belegstücke auszu-
werten, denn das mu-
seale Ethos besteht
gerade darin, troß der
Fülle aufgespeicherten
Kunstgutes die Ein-
zigkeit des echten
Kunstwerkes durch
sachgemäße Behand-
lung und richtige Auf-
stellung zu gewähr-
leisten. Der Vorschlag
von Kuhn wird also nur
da richtig angewendet
werden, wo es sich um
Hervorbringungen han-
delt, in denen das indi-
viduelle Moment hinter
dem typenmäßigen an
und für sich zurücktritt;
Einen besonderen
Klang haben auch die
Forderungen, die Adolf
B e h n e in seiner Ab-
handlung „Kunst und
lebendige Gegenwart“
anmeldet. Mit vollem
Recht erklärt er, daß
Kunstbetrachiung nicht
an der Stelle zu be-
ginnen habe, wo es
nachweisbar „Kunst“
gibt — im Museum
also —, sondern dort,
wo die Kunst am wei-
testen in den Bezirk
des eigenen, schon er-
fahrenen Lebens hin-
übergreift; bei einer
Siedelung und nicht bei
Rembrandt, bei einem
Schaufenster und nicht
bei einer griechischen
Plastik. Andernfalls
wird der Museums¬
besuch in vielen Fällen zur „konven-
tionellen Lüge“, wie wir das zu beobachten
täglich Gelegenheit haben. Doch auch der
Behnesche Vorschlag ist nicht die Lösung,
sondern nur eine Station auf dem Wege. Liegt
bei Kulm die Gefahr nahe, das Kunstwerk nur
mehr als Typus zu werten, so bei Behne die
Gefahr einer Überbewertung der sozialen
Funktion des gestalteten Gebildes. Behne
geht aus von der Anschauung „Kunst und
Leben“, aber von hier aus hätte der Unter-
richt heranzuführen an die Einsicht, daß es
auch eine Seite am geformten Gebilde gebe,
die man nennen könne „Kunst contra Leben“.
Und an dieser Stelle tut sich eine gewisse
Problematik am „Museum“ auf: Zwar ist das
Kunstmuseum ein soziales Gebilde, das der
Öffentlichkeit gehört und ihr soweit als nur
irgend möglich zugänglich und verständlich ge-
macht werden muß, zugleich aber hat es nicht
nur die Einzigkeit des großen Werkes in der
Aufstellung zu garantieren, sondern es ent-
hält auch eine Fülle asozialer Hervorbrin-
gungen, die der Gesellschaft und dem „Zeit-


Schwäbischer Meister um 1530, Damenbildnis
Maitre de Souabe vers 1530, Portrait de dame
Swabian master about 1530, Portrait of a lady
Versteigerung — Vente — Sale: H. Bukowskis Konsthandel
Stockholm, 24.—25. September 1931

geist“ zum Troße errichtet wurden. Deswegen
hat Kunstbetrachtung zwar da zu beginnen, W°
das Werk einen möglichst weiten „biolog1'
sehen Raum“ besißt, aber dahin zu führen,
das Kunstwerk „in sich selber selig“ ruht-
Erst in dieser Schicht beginnt die echt „revo-
lutionäre“, d. h. umwälzende Wirkung der
Kunst.
Die anderen Beiträge fordern teils Er-
ziehung zum eignen Sehen — hier tritt das
Freizeichnen in den Vordergrund — oder sie
bringen Beispiele und Anregungen zu wirk-
samer Museumspropaganda. So be-
richtet Oberschulrat Hilker sehr interessant
vom „extension Work“ der amerikanischen
Museen, dem gewaltigen Ausleihverkehr des
Metropolitan-Museums und vom Schulmuseum
in Rochester, das im Winterhalbjahr 1926/2?
von 62 000 Personen besucht war.
Wie das für Deutschland zu verwirklichen
sei, dafür gibt Frau Prof. Schott müller
wichtige Hinweise: Gipsmuseum und Nachbil-
dungssammlung sowie eine Diapositivzentrale
wären in einem Hause als Zentralstelle
für den Kunsiunterrichi zu vereinigen,
die neben dem Unterricht an Ort und Stelle
auch den Ausleihverkehr (vor allem an die
Provinz) übernehmen müßte. Solange dies
aber nicht zu ermöglichen ist, sei den Museen
eine pädagogische Abteilung, ein Unterrichts-
amt, anzugliedern. So sehr man den Gedan-
ken einer Zentralstelle für den Kunstunter-
richt (nicht Zeichenunterricht) begrüßen muß,
der leßte Vorschlag erfordert gewisse Ein-
wendungen. Unterscheiden wir uns in Deutsch'
land doch dadurch von Amerika, daß wir
nicht eine neue Organisation, ein neues
„Department“ schaffen, sondern daß jede Ab-
teilung eines Museums vom pädagogischen
Geist erfaßt werde! Nicht neben den übri-
gen Abteilungen, sondern i n den Abteilungen
muß die erzieherische Arbeit geleistet werden-
Wo nicht ständig neuer Anschauungsstou
und neues historisches Material zuströmt, be-
steht sonst die Gefahr einer Erstarrung 111
„pädagogischen Betrieb“, in volkstümliche
Suada.
Alle die hier zur Frage gestellten Probleme
aber vereinen sich in dem obersten — def
sachgemäßen Ausbildung der Lehrer füf
den Kunstunterricht. Es ist das nächste und
das dringendste Problem.

Neuerwerbungen
alter Meister für Bremen
Nachdem der Galerie-Verein im vorig,en
Jahre der Kunsthalle zu Bremen für ihre Ab'
teilung der alten Gemälde ein sehr farbige’
Werk des Jan Lys — eine tlberseßung de
Komposition des bekannten Stiches B. 157 des
Lucas van Leyden in den Malstil des sieb'
zehnten Jahrhunderts — geschenkt halte,
buchte die Direktion der Kunsthalle im erste'
Halbjahr 1931 zwei Neuerwerbungen aus d‘etI
großen Gemäldeauklionen in Berlin und Mün'
eben: auf der Versteigerung Wendlan
(24. April) glückte ihr der Ankauf eines in de
Malerei sehr brillanten Studienkopfes eine
bärtigen Mannes mit freilich etwas mürrischem
Gesichtsausdruck. Troß Bestimmung von Ge'
heimrat Friedländer auf Antonis Moro Wj1
das Bildchen, das in dem Kabinett de
früheren niederländischen und deutsche
Meister wohl am Plaße ist, jeßt als Werk d^
Frans F 1 o r -i s (de Vriendt) ausgestellt. Da
neben bleibt das großformatige Bild „Vct’1-1^
und Amor“ eines holländisch^
M ,■ ! I rt- rl t 1 l> v r- ll r'l l n I A t

M.& R. STORA


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