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^hrg. V, Nr. 37 vom 13. September 1931

DIE W E L T E U N S T

5


\ ersteigerungserfblge
in Luzern

Sammlung H. - B e r 1 i n
Luzern, Nacht. 1. u. 5. Sept.
(V-oirb. in Nr, 29 ui. 31)
v Nach dem Erfolg der gemischten Sommer-
I ^Steigerung der Galerie Fischer in
^ern war die Spannung des internationalen
JNnsfmarktes naturgemäß auf die beiden fol-
t'-'nden Hauptauktionen, die der Sammlung
I •> Berlin, und der Sammlung Alfred
Nfschi-Ziiridi, gerichtet. Der Verlauf beider
Mnsfereignisse hat den Pessimisten Unrecht
he9eben: das den bedeutenden Objekten zu
,Ncht entgegengebrachte Interesse drückte
M in einem Preisniveau aus, das für die
:tigen Zeitverhältnisse überraschend hoch
und das wiederum den Beweis für die
^ertbesfändigkeit hochrangiger Kunstobjekfe
bei schwerster wirtschaftlicher Depres-
^°n erbrachte. Eine Berechnung der auf den
Jje'den Auktionen getätigten Umsäße muß auch
/h Skepfizisten von dieser Tatsache Über-
zügen.
. Über die wichtigsten Ergebnisse der Ver-
lagerung H ..., die in Gemeinschaft mit dem
prliner Hause Paul C a s s i r e r am 1. S e p-
fember durchgeführf wurde, haben wir be-
u'fs in Nr. 36 berichtet. In Ergänzung unse-
|er dortigen Angaben können wir heute mit-
ten, daß Grecos „Gastmahl im Hause des
pkieon“ (Nr. 5, 150 : 104 cm, Abb. in Nr. 29
„Welfkunst“) für 220 000 sfr. in Lausanner
Jivatbesiß, die schöne Roger-Madonna (Nr. 1,
^■22 cm, Abb. in Nr. 29) in amerikanischen
Jivatbesiß überging. Grecos Hlg. Franzis-
j115 (Nr. 6, 81 : 57 cm) gelangte für 4600 sfr.
i. den Luzerner Kunsthandel, Goyas Frauen-
l^'dnis (Nr. 7, 21 : 15 cm) für 2800 sfr. in den
n.üriser Handel. Das Harvard-Museum
? S. A.) erwarb für 10 500 sfr. die Olskizze
Ärkules und der Löwe“ von Rubens (Nr. 10,
: 40 cm), ein Berliner Sammler dessen „Jagd
Diana“ (Nr. 11, 27 : 40 cm) und ein Schwei-
Jr Kunstfreund van Dycks Jünglingsbild
v- 13, 43 : 27 cm) für 11 100 bzw. 10 500 sfr.
.. Von den modernen Werken erzielte Dau-
ners Federzeichnung „Der Zuhörer“ (Nr. 15,
/: 33 cm) die stattliche Summe von 6300 sfr.;
Jsselben Meisters Gemälde „Bettler“ (Nr. 17,
h : 74 cm, Abb. in Nr. 27) und „Putten“
üb 18, 30:34 cm) kamen für 42 000 und
500 sfr. in den Pariser Kunsthandel. Das
i Sicher Kunstbaus sicherte sich Renoirs lichte
^üdschaff (Nr. 21, 44 : 65 cm) für 9500 sfr ., ein
[Ritscher Sammler Munchs „Mondschein“
27, 71 : 56 cm) für 3500 sfr. — Von den
l('ülpturen gingen die Tänzerin und das „Ga-
vüpierende Pferd“ von Degas (Nr. 35/36) für
1^0 und 1200 sfr. nach Amerika, Maillols
lyDdervoller Frauentorso in Blei (Nr. 39) für
/ 300 sfr., also etwa zum selben Preis, wie
vor Jahren der Berliner Nationalgalerie an-
^boten war, an einen Schweizer Privatmann.
Or> den Werken Barlachs erwarb eine Dres-

Arthur Bryks
Der jeßt in Paris lebende Maler Arthur
Bryks hat bisher Ausstellungen in Deutsch-
land, in der Schweiz, in Holland, Palästina
und Amerika gehabt.
Man liebt bei jüdischen Künstlern auf das
Ahasverische und Zerseßende hinzuweisen.
Haben wir nicht manchmal unrecht, das
Ahasverische so ohne weiteres abzulehnen?
Der ewige Jude ist auch das Mysterium vom


Arthur Bryks, Komposition

Suchen nach dem Erlebnis. Es ist das Sym-
bol vom Nicht-stehen-bleiben-dürfen, vom
Niemals-erlöschen in dem Erschauten,, nichts
von den Landschaften und Städten haben,
durch die man von einem unbarmherzigen
Schicksal getrieben wird. Ich kenne manchen
jüdischen Maler, der nichts Ahasverisches in
seiner Kunst hat, und dazu gehört auch Arthur
Bryks.
Wenn man Bryks über sich sprechen hört
und seine Malerei betrachtet, dann fühlt man,
daß er nicht nur die Freude verkörpert, son-

Sammlung A. Rütschi-Zürich
Das wohlverdiente Ansehen, das die
Sammlung A. R ü t s c h i in internationalen
Sammlerkreisen genoß, trat nochmals an deren
Versteigerung zutage, die am 5. Septem-
ber von Theodor Fischer in Luzern
durchgeführt wurde. Die Beteiligung war
wiederum ansehnlich. Lebhaft begehrt waren
die romanischen Kupferschmelz-Arbeiten. Ein
Paar Hostienbüchsen (Nr. 9/10) wurden vom
Museum in Toledo (ll.S.A.) für 1450 sfr. er-
worben, ein emailliertes Weihrauchschiffchen
(Nr. 15) erzielte 2200 sfr., das Kästchen für
die heiligen Ole (Nr. 16) ging für 14 100 sfr.
in den Pariser Handel und das Religuienkäst-
chen (Nr. 17) für 14 900 sfr. an einen schweizer


Edvard Munch und deutsche Kunst
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Alfred Flechtheim; Düsseldorf, Königsallee 34/I.

'kn ■ ■ .
er Kunsthandlung die „Alte Frau mit
(Nr. 40) für 6600 sfr., das Züricher
Cnst‘haus die Holzfigur „Der Ekstatiker“
V 42) für 4100 sfr., ein deutscher Sammler
’'^arrnherzigkeit“ (Nr. 45) für 3300 sfr.;
Amerika wandert die „Frau mit unter-
hgC] Ipgerien Armen" (Nr. 47) für 4200 sfr. und
1 München der „Mann mit dem Mantel"
^■48) für 4000 sfr,. Fast alle der zahlreichen
Muren von A. Gaul und der Kleinbronzen
fyjg Sintenis konnten, die ersteren zwischen
Sff^lOOO sfr., die leßteren zwischen 200—300
■r^' abgeseßt werden; Ausnahme der „Esel
Seelow“ von R._ Sintenis, der erst bei
k Mr. für Amerika zugeschlagen wurde.

Sammler. Nach Paris geht für 7500 sfr. die
Grulbenschmelzplatte (Nr. 22) und nach Holland
für 16 000 sfr. das Religuienkästchen mit der
Ermordung des Thomas A. Beckett (Nr. 23,
Abb. in Nr. 31 der „Weltkunst“), eine limou-
siner Arbeit aus dem frühen 13. Jahrhundert.
Der bedeutende Reliquienschrein mit figür-
lichem Relief (Nr. 30), ehemals in der Samm-
lung Ducatel, wurde für 33 000 sfr. von einem
schweizer Sammler ersteigert, ebenso die be-
sonders schön erhaltene Chasse aus der
Sammlung Trivulzio für 36 000 sfr.. Die
emaillierte Krummstabspiße mit Lilie, Nr. 35,
geht zu 6500 sfr. nach Paris, ein ähnliches
Stück (Nr. 36) bleibt für 6000 sfr. in der

dem mit seiner Malerei auch für die Freude
wirken will. Er geht in seinem Suchen danach
sogar soweit, daß er sich nur mit Menschen
befreunden kann, die sich freuen können.
Die Mystiker haben viel über flehende
Hände gesprochen,, uncl aus dieser Atmo-
sphäre heraus ist es zu verstehen, daß Bryks
immer wieder Hände zeichnet und malt. Auf
jedem seiner Bilder sticht uns in spontan ein-
prägsamer Form die Hand ins Auge. Dieser
versucht wie ein Handschriftdeuter das Myste-
rium der Hände zu enträtseln, und die ganze
Komposition eines Bildes geht bei ihm wie
eine kultische Handlung von der Formung der
Hand aus. Die Hände geben seinen Bildern
die Lichtausstrahlung. In der Farbe, die leicht
aus dekorativen Gründen zur Abstraktion und
zu Ueberflüssigkeiten verleitet, vertuscht der
Künstler das Gedachte. Bryks ist ein guter
Zeichner, aber in jeder Linie merkt man, daß
bei ihm die Zeichnung nur ein organischer
Weg zur Malerei ist.
Mit schöpferischer Liebe gestaltet Bryks
in den Gesichtern, die er malt, eine kosmische
Selbstzufriedenheit. Er hat Menschen aus
allen Gesellschaftsschichten porträtiert, aber
manchmal sucht er sich Gestalten aus Menil-
montant, einem der dunkelsten Viertel von
Paris, und malt ihre Gesichter zu einem freu-
digen Dasein, und in ihre Kleider hinein malt
er ein lustiges Rot, daß man das traurige
Milieu vergißt, aus dem diese Gestalten
stammen.
Bryks hat viele Landschaften in Holland,
Italien und in der Schweiz gemalt. Diese
Landschaften sind immer in gedämpfte Halb-
töne gehüllt und wirken dadurch wie stille
harmonische Winkel. Und wenn er in die
Landschaften Gestalten hineinkomponiert,
dann sehen diese Bilder wie moderne
Schwinds aus.
Bei Bryks’ Kompositionen spricht der
Intellekt und seine Weltanschauung mit. Sein
Blick endet nicht beim Objekt, das er malt,
sondern er konstruiert ihm eine Perspektive.
Er läßt sich nicht von der Natur überrumpeln,
sondern siebt das Geschaute mitwebend in
die sentimentale Art seines Schauens. Er
sucht in allem eine moralische Geseßmäßig-
keit zu gestalten. Mit seinen Kompositionen
will er eine Weltidee in der Bildgestaltung
sichtbar machen. Am meisten merkt man
diese Tendenz in seinen religiösen Bildern,
die manchmal sogar wie Predigten anmuten.
E. S. (Paris)

Schweiz. Das emaillierte Hostienciborium
(Nr. 37) geht für 9500 sfr. in den amerikani-
schen Kunsthandel.
Regem Kaufinteresse begegneten auch die
romanischen Goldschmiedearbeiten.
Ein rheinisches Armreliquiar (Nr. 39) geht für
3000 sfr. und ein Armreliquiar mit „Email
brun“ (Nr. 40) für 1700 sfr. in Pariser Privat-
besiß über. Die frühe, wahrscheinlich alpen-
ländische, sißende Marienfigur (Nr. 41) kam
bei 17 000 sfr. in den deutschen, die Kupfer-
platte mit Grubenschmelz, Christus am Kreuz
(Nr. 42) bei 7800 sfr. in den Pariser Kunst-
handel. Für den Einband einer Evangelien-
Handschriff (Nr. 58), silbergetriebene, mit
Wachs gefüllte Reliefs oberrheinischer Arbeit,
zahlte ein Pariser Privatmann 25 000 sfr., für
den ravennatischen Einband einer Sakra-
mentar-Handschriff des 11. Jahrhunderts (Nr.
59, Abb. in Nr. 31) ein New-Yorker Kunst-
händler 34 000 sfr.
Bei den gotischen Arbeiten gelangte das
silberne Kopfreliquiar des hl. Januarius
(Nr. 70, Abb. in Nr. 31) für 8900 sfr. in
schweizerischen Privalbesiß. Das Reliquien-
gehäuse (Nr. 81) erwarb ein deutscher Kunst-
händler für 9000 sfr.; das Almsegen-Reliquiar
mit Hochrelief-Figuren, u. a. dem Siadtpatron
von Luzern, ging zum Preis 7600 sfr. an einen
Luzerner Sammler. Das interessanteste Stück
dieser Abteilung, der emaillierte Affen-
be ch er, burgundische Arbeit aus der Mitte
des 15. Jahrhunderts (Nr. 89) kam für 95 000 sfr.
an einen schweizer Sammler; dasselbe Stück
hatte auf der Versteigerung der Kölner
Sammlung Thewalt 1903 98 000 M. erreicht.
Ein Meisterstück spanischer Renaissance, der
tempeiartige silberne Hausaltar (Nr. 116) ging
für 19 000 sfr. in den deutschen Kunsthandel
über.
Ausführliche Preisberichte auf Seite 4 und
in der folgenden Nummer.
Große Berliner
Kunstausstellung II
Es dürfte für jeden künstlerisch empfinden-
den Menschen ein beinahe unmögliches Unter-
fangen bedeuten, irgendeine positive Einstel-
lung zu dem wahllosen Gemenge von Sonder-
ausstellungen, von Gemälden, Aquarellen und
Graphiken, der verschiedensten Künstlerver-
bände zu. gewinnen, das als zweiter Teil der
Großen Berliner Kunstausstellung im Schloß
Bellevue etabliert wurde. Es mag möglich
sein, daß die Rücksicht auf einzelne Künstler-
vereine und deren, Mitglieder eine Auswahl
erschwerte: aber ist es notwendig, jeden
künstlerischen Gesichtspunkt bei der Hängung
vermissen zu lassen, jeden Akzent zu vermei-
den, der dieser an sich unliebsamen Schau
von vornherein jedes Rückgrat nimmt? An
sich wertvolle und begrüßenswerte Sonder-
veransfalfungen wie „Alte und neue Exlibris“
oder die mit einigen gelungenen neuen Mo-
dellen vertretene Berliner Porzellanmanufak-

fur wirken völlig zusammenhanglos im ver-
schwommenen Rahmen des Ganzen. Gute
Einzelleistungen, deren man mehrere zu ent-
decken glaubt, werden erdrückt in dem Wust
des völlig Belanglosen und Dilettantischen.
Diese Große Berliner ist das Äußerste, was
man sich bisher an Schädigung des Ansehens
der modernen deutschen Kunst geleistet hat,
und man kann das noch vorhandene Interesse
für unsere junge Kunst bei Publikum und, Kri-
tik kaum sicherer ertöten als durch eine der-
artige Veranstaltung, die hoffentlich die leßfe
in dieser ehrwürdigen Reihe bleiben möge.
D.
Japanische Malerei
Unter dem Titel „Bilder der Ukiyo-
E - M e i s t e r" bringt die Berliner Kunsthand-
lung Tikotin eine kleine, von feinsten ge-
schmacklichen Gesichtspunkten geleitete Aus-
stellung japanischer Malereien des 17. bis
19. Jahrhunderts, jener großen Malerschule,
aus der, wie Friß Rumpf im Katalog-Vorwort
auseinanderseßf, die bedeutenden Meister des
japanischen Farbenholzschniftes hervorgegan-
gen sind, ohne daß eine Identität von Maler
und Holzschneider angenommen werden
dürfte. In ihrer kalligraphischen Schönheit
und farbigen Feinheit stehen diese Gemälde
mindestens in einer Reihe mit den Spißen-
leistungen des Farbenholzschnitts. Dinge wie
die Geisha von Kökasai Fujimaro (Abbil-
dung unten), der „Fürstensohn mit Ge-
folge“ von Kigugawa Eizan oder die „Geisha
mit Sake-Schale“ von Utagawa Kuninaga ge-


Kökasai Fujimaro, Geisha. Ca. 1800
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Bilder der Ukiyo-E-Meister
Tikotin, Berlin
hören zweifellos zum Allerbesten, was heute
an japanischer Malerei in Europa gezeigt wer-
den kann. Diese Ausstellung, in ihrer Intimi-
tät wie ihrer künstlerischen Einheit ein Erleb-
nis für den wirklichen Kunstfreund, bildet eine
Oase in der Wüste des Berliner Kunst-
sommers. Wr.
Frauenbildnisse
Die Ausstellungen des Vereins Ber-
liner Künstler haben immer ein mög-
lichst allgemeines Motto, das sich wie ein
weiter Mantel über die inkoherenten Elemente
ausbreitet, die in diesen Räumen Wandnach-
barn werden. So auch dieses Mal, wobei
eine früheren Ausstellungen gegenüber an-
zuerkennende, verhältnismäßig geschlossene
Wirkung zusiandegekommen ist. Die Frau
unserer Zeit, hier hängt sie, in der Gesell-
schaftsrobe, im Straßenkleid, im Pyjama und
als Halbaki, als Dame in Schwarz und Dame
in Grün, mit und ohne Hintergrund und sex
appeal, bieder, hoheitsvoll, nachdenklich, un-
schuldig, sportlich, hingebungsvoll und dämo-
nisch, einheimisch und exotisch. Liebermann,
Purrmann, Slevogt, Pechstein, Kaus, Orlik,
Fritsch, Scheurig, Herbig, Karsch, Isenstein und
viele andere haben sich zum Lobe des
schwachen Geschlechtes vereinigt. Aus der
Reihe anonymer Bildnisse der Frau lösen sich
die Sintenis, -die Betgner, die Thimig und
Kafhinka von Kardorff-Oheimb. Zwischen
den Porträts ab und zu Blumenstilleben,
offenbar als zarte Huldigung gedacht. Der
Gesamfeindruck bleibt schwach und konven-
tionell. Die Mona Lisa, die Belle Jardiniere,
die Helene Fourment unserer Zeit: hat sie
denn niemand gemalt? K.

GALERIEN FLECHTHEIM
^ULIN W1O, LÜTZOWUFER13 KÖNIGSALLEE 34, DÜSSELDORF
 
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