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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 39 (27. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44978#0396
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2

DIE WELTKUNST

Jahrg. V, Nr. 39 vom 27. September 1931


GALERIEN FLECHTHEIM

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Das III. Quartal 1931 läuft mit
Nummer 39 ab. Wir bitten Sie, uns die
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Eine Zahlharte liegt dieser Nummer bei.
WELTKUNST-VERLAG

Das Führungswesen, soweit es überhaupt
schon organisiert ist, wird meist nebenamtlich,
als unerwünschtes Anhängsel neben der
wissenschaftlichen Tätigkeit, geleistet. Wo
aber gibt es zum Beispiel schon einen
Führungstechniker oder Führungsspezialisten,
wie es solche zu Duzenden über jedes aus-
gefallenste „wissenschaftliche“ Detailgebiei
gibt?
Oder wo gibt es einen Ausstellungs- oder
Aufstellungsspezialisten? Es soll nicht ver-
langt werden, daß ein Kunstmuseum genau so
aufgestellt wird wie eine moderne Ausstellung
über Hygiene, Sport, Wohnungswesen oder

Als Reaktion auf die bis vor kurzer Zeit
allgemein übliche Methode, die Wohn- und
vor allem die „Repräsent-ations“-Räume mit
Bildern auszuschmücken und dabei zu über-
laden, kam aus den Kreisen der modernen
Architektenschaft der Ruf nach der bilder-
losen Wand. Eine kurze, sachliche Darlegung
der Ursache und Berechtigung dieses Stand-
punktes mag deshalb geeignet sein, manchen
Meinungsstreit über diese Frage aus dem
Wege zu räumen.
Die Wohnungsarchifektur ist in erster Linie
eine sogenannte „Zweckkuns t“, d. h. ihre
ästhetischen Möglichkeiten liegen in einer
klaren Organisation und Gestaltung der
durchaus profanen Wohnzwecke. Diese Ge-
staltung kann aber nicht in einer „Aus-
schmückung“ der Bauglieder verstanden wer-
den, sie soll auch nicht auf eine Ergänzung
durch Bilder oder Plastik unbedingt ange-
wiesen sein! Die Kunst des Bauens besteht
einzig und allein in der Gestaltung der
Räume: zweckmäßig nach ihrer praktischen
Verwendung hin und ästhetisch in ihrer Raum-
und Ausdehnungswirkung.
Diese erste und lebte Aufgabe der Archi-
tektur soll an sich vollkommen und eigen-
wertig gelöst sein! Und die Wirkung dieser
Lösung wird unmittelbar jedem verständigen
Beschauer um ihrer selbst willen genügen und
ihn befriedigen. Daher will sie mit Recht jede
Ausschmückung entbehren.
Nun hat sich daraus die falsche Auffassung
ergeben, der moderne Raum dürfe überhaupt
nicht mit Bildern oder mit freier Kunst aus-
gesfaft-et sein. So ist aus der berichtigenden
Einsicht führender Architekten eine sogenannte
grundsäßliche „Bilderfeindschaft“ konstruiert
worden, die von den Mitläufern der neueren
Architektur mehr genährt wird als sie von den
Führern vertreten wird. Daraufhin hat dann
eine, allerdings erfolglose Gegenbewegung
mit Protesten gegen die kahle Wand ein-
geseßt. Deshalb erfolglos, weil sich zwangs-
läufige Entwicklungen — und um eine solche
handelt es sich bei der neuen Baukunst —
weder durch Protestkundgebungen umbiegen,
noch auch durch Entschließungen von Inter-
essenverbänden aufhalten lassen.
Aber abgesehen davon sind die Proteste
auch gar nicht nötig. Das Verhältnis des
Raumes zur freien Kunst, zum Bilde also und
zur Plastik, bleibt sich immer gleich. Die
„freie“ bildende Kunst kann- nie nur zur Aus-
schmückung eines Raumes herangezogen
werden, ohne daß sie in ihrem innersten
Wesen vergewaltigt würde. Sie ist eben kein
„Schmuckgegenstand“, sondern entweder hat
sie ihren geistig-künstlerischen Wert an sich
oder sie hat ihn nicht. In diesem leßferen
F-alle werden ihre Dekorationsdienste besser
von der Tapete oder von einem Wandbehang

Inhalt Nr. 3g
Dr. Ferdinand Eckhardt:
Volksmuseum oder Gelehrteninstitut? . . ... 1/2

F. C. V a 1 e n t i e n:
Das Bild in der modernen Wohnung .... 2
Eine Schweizer Galerie französischer Malerei
(m. 2 Abb.) .... 2
G. R e i n b o t h :
Neuordnung der Pinakothek zu Palermo . . 2/3
LyonelFeininger.3
Deutsche Dichter als Maler und Zeichner ... 3
Auktionsvorberichte . . ..3,5
Auktions-Kalender .3
Ausstellungen der Woche . . . . 4
Literatur — Preisberichte — Kunst im Rundfunk 4
Dr. P. Grotemeyer:
Die neuen Münzen des vatikanischen Staates
(m. 2 Abb.) ...... .5
Garten-Architektur und -Gestaltung (m. 2 Abb.) 5
N a c h r i c h t e n v o n Ü b e r a 11.6
Unter Kollegen.'.6

Elektrizifät, aber lernen könnten unsere
Museumsmänner doch sehr viel von den
großen Ausstellungen.
Haben sich unsere Museumsfachleufe (zu-
mindest an unseren großen Museen) in den
leßten Jahren wieder einmal mit der Technik
der Beschriftungen befaßt, wie es dringend
nötig wäre? Und wo ist die vermittelnde Rolle
der Ortspresse zwischen der Aktivität der
Museen und dem „populus" (ich meine dem,
mit goldenen Lettern geschriebenen!) ent-
sprechend ausgenußt worden?
Aber, da.könnte ich auf ein Gebiet stoßen,
dessen Behandlung seinerzeit schon viel un-
liebsames Aufsehen erregt hat, weil eben die-
jenigen, die für einen Absolutismus der
„Wissenschaftlichkeit“ in unseren Museen sind,
hinter dem Schlagwort „Propaganda“ eine
unwillkommene Konkurrenz befürchtet haben
und deshalb von vornherein dagegen waren.
In Wirklichkeit handelt es sich aber weder um
„Museumspropaganda“ noch um irgendein
anderes Schlagwort, sondern darum, die
Museen aus einem eingeschlagenen Geleise
zu reißen, in dem sie nie die Aufgabe, die
ihnen eigentlich zukommt, erfüllen können.
Wir leben seit zwölf Jahren in einem demo-
kratisch verwalteten Staat, aber keine Re-
gierung hat es der Mühe für wert befunden,
mit einem überholten System scheinbarer
Wissenschaftlichkeit aufzuräumen und die
Museen dem Zweck zuzuführen, -dem sie als
Allgemeingut des Staates eigentlich gehören
sollten. Dr. Ferdinand1 Eckhardt

erfüllt. Wenn dagegen ein Bild oder eine
Plastik mehr als dekorative Bedeutung haben,
dann beanspruchen sie von sich aus schon
einen entsprechenden Plaß. Sie fordern sogar
einen ausreichenden Plaß im Raum, der so an-

geordnet sein muß, daß ihrer Auswirkung eine
würdige Umgebung entspricht, eine Umgebung,
d-ie die gesammelten Eindrücke verweilen und
ruhen läßt. Dazu muß der das Bild um-
gebende Raum gestaltet sein, d. h. die Maß-
verhältnisse und die farbige Behandlung der
Wände sollen ästhetisch gelöst sein.
Als leßt-e Konsequenz dieser Eigenbedeu-
tung der freien Kunst wird deshalb für die
Sammlung von Bildern und Plastik ein eigener
Aufbewahrungsraum gefordert, aus dem man,
wie aus der Bibliothek das Buch, je nach der
Muße und dem Bedürfnis das Bild hervor-
zieht, um es in seiner näheren Umgebung zu
haben. Wie die Büchersammlung je nach Um-
fang einen- Bibliofheksra-um beansprucht oder
nur einen Bücherschrank, kann man sich auch
für die Kunstsammlung mit einem Bilderschrank
begnügen, in dem man die von Zeit zu Zeit
ausgewechselten -Bilder aufbewahrt.
Auf diese Weise schließt sich die so ge-
fürchtete Überladung der Räume mit Bildern
von selbst aus. Dann fällt aber auch die so
oft vermeinte Unvereinbarkeit eines histori-
schen Gemäldes mit einer neuzeitlichen Raum-
umgebung fort. Wenn ein altes Bild Qualität
hat, dann fügt es sich gut einem Zimmer von
gleichem r-aumkünstlerischen Niveau ein. Wie
sich Bilder auch der entlegensten Stile und

Schulen durch Qualität verbinden, wie eine
gute Barockzeichnung leicht die Nachbarschaft
aushält mit einem -Meisterwerk der modernen
oder auch der chinesischen Kunst, so läßt sich
ein Kunstwerk von.ansehnlichem- Wert immer mit
einem gu-tgelöst-en Raum vereinigen, einerlei,
welcher Stilperiode dieser angehört. Das
Unterscheidende, -der Stil, bezieht sich nur auf
die äußere Form, die nicht allein entscheidend
ist, sondern durch die innere Qualität gebun-
den wird.
Jedenfalls braucht man bei sinnvoller Ein-
stellung zur Baukunst wie zur freien. Kunst
nicht ratlos werden mit seinen Kunstschäßen.
Die Baukunst wünscht sich verständige Bau-
herren, die Sinn und Empfindung haben für
ihre -Leistungen, und die freie Kunst wünscht
sich solche Besißer und Beschauer ihrer
Werke, die den tatsächlichen Wert aus-
schöpfen und die Bilder nicht als Dekoration
benußen, wenn sie -andere Werte in sich haben.
„Protestieren“ braucht man dann jedenfalls
nicht, und darnach werden solche Proteste
wohl meistens die Folge eines schiefen Ver-
hältnisses entweder zur Baukunst oder zur
freien Kunst sein. F. C. V a 1 e n t i e n

Eine
Schweizer Galerie
französischer Malerei
Unter den der breiten Öffentlichkeit
weniger bekannten Privatsammlungen neuerer
Kunst nimmt die Galerie französischer
Meister des 19. Jahrhunderts im Hause
E. Staub-Terlinden, Männedorf
bei Zürich, durch die seltene Qualität des hier
vereinten Ensembles eine hervorragende
Rangstellung ein. Ein Jahrhundert französi-
scher Malerei, von Delacroix bis Picasso,

wird in seinen Marksteinen abgegrenzt, wo-
bei der persönliche Geschmack des kulti-
vierten Sammlers deutliche Akzente seßt. Von
den vier hier vertretenen Arbeiten Dela-
croix’ sind am bemerkenswertesten eine
späte Fassung der „Tanzenden Derwische"
von 1853 und die studienhafte Ariosfszene „An-
gelica mit dem verwundeten Medor“, die ehe-
mals eine Zierde der Sammlung Döllfus
bildete. Das früheste der vier Gemälde von
Corot bildet die klare, silbrige Landschaft
„Honfleur“ von 1830, während die beiden
Eigurenbilder, deren eines wir auf Seite 1
reproduzieren, in ihrer farbigen Verfestigung
und melancholischen Schwermut auf die
Späfzeit des Meisters deuten. Cour bet
repräsentiert sich mit einer „Schafherde am
Abend“, D a u m i e r u. a. mit dem wundervoll
tonigen, erlesen schönen Gemälde „Les re-
gardeurs d’images“ von 1860, Manet mit
einem „Austernstilleben“, Monet mit dem
zauberhaft atmosphärischen, energie-ge-
ladenen „Bahnhof St. Lazare“ von 1877 und
einigen weiteren Stücken, Sisley mit der
strahlenden Landschaft „Pont d’Argenteuil“
(Abbildung oben), Renoir mit1 der köst-
lich frischen frühen Jersey-Landschaft von
1841 und der reifen „Baigneuse“ von 1905.
Endpunkte dieser Entwicklungsreihe, bilden

zwei Stilleben von Bracgue und Picasso so-
wie die träumerische Improvisation einer
Landschaft des leßteren aus dem Jahre 1924.
Neuordnung der
Pinakothek in Palermo
Die s-izilian-ische Malerei des Quattrocento
ist mit ihrer mehr oder weniger tiefen Beein-
flussung durch byzantinische Formen, durch
sienesische, flämische, umbrische, venezani-
sche und catalanische Maler immer noch eine
so große Terra Incognita, daß die Neuordnung
der Pinakothek von Palermo und die dabei
geäußerte Absicht, „endlich die Malerei Sizi-
liens als eine geschlossene Regionalkunst
darzustellen, ebenso interessant wie gefährlich
werden mußte. Die Zuschreibungen, die bis-
her gemacht worden waren, wurden bei dieser
Neueinteilung der Sammlung durchweg in
Frage gestellt und so dem „Zuschreibungs-
fieber“ auch in dieser südlichen Provinz des
Kontinents ein wenig zu viel Raum gewährt-
Die Neuordnung der Pinakothek von Pa-
lermo hat -auf den Arbeiten- Brun-ellis basiert,
wurde aber durch eine Mitarbeiterin vollendet,
die sehr selbständig weiterarbeitete, aber im
Grunde doch jenen Leitsaß Brunellis heraus-
brachte, „der Pin-akofhek den Charakter der
Regionalsammlung wiederzugeben, der ihr
durch die natürlichen Bedingungen zufällt, und
alle Anstrengungen zu machen-, daß in der
Sammlung nunmehr auch wirklich d-as Beste
der sizilianischen- Malerei vereinigt werde,
selbst auf die Gefahr hin, keine Kontinuität
und keine Lösung des sizilianischen Malerei-
problems zustandezubringen“. Gesehen von
diesem Standpunkte aus kann die -Neuord-
nung von Palermo befriedigen. Die sizilia-
nische Malerei steht durchaus im Vordergrund,
und in den Vordergrund geschoben ist -gerade
jene Ouattrocenfomalerei, die nunmehr -ein
Gegenstand des- leb-
haften Krieges gewor-
den ist.
Der sehr vorsich-
tige und kluge Dr. Mei
greift mit Mut und ohne
jede polemische Hef-
tigkeit die Zuschreibun-
gen -an, die man be'1
der Neuordnung ver-
sucht hat. Damit- aber
wird nicht weniger ge-
sagt — und es scheint
uns mit Recht —, als
daß die Neuordnung
der Pinakothek die
Frage der Quattro-
centomalerei Siziliens
nicht nur um keinen
Schritt vorwärtsge-
bracht hat, sondern s-i'e
eher noch weiter ver-
wirrte. Man kann rein
sachlich fesfstel-len-, daß
d-ie von Meli angegrif-
fenen Zuschreibungen
kaum ’ziu- halten sind-
Der neue Pinakothek-
Katalog enthält Schu-
len und Namen mit
traumwandlerischer
Sicherheit, von denen
man bisher nichts oder
beinahe nichts wußte-
M-an findet diese Na-
men an Werken, di'e
vorher als sicher gaP
ten. Um nur ein Bei-
spiel zu nennen: das
von Venturi und D1
Marzo übereinstimmend
dem Tomas-o de Vigil'3
zugeschriebene Werk
gehört nun plößlich
dem ohne irgendeinen
ersichtlichen Grund 111
Palermo aufgefauchfen
ligurisch ~ nizzardischen
Maler Giacomo Du-
randi. Die drei De
Pesaro, an denen
kaum ein Zweifel bestand, sind einer an"
deren und verschiedenen Herkunft bezichtigt’
Man könnte die Liste noch lange weiterführen-
Wenn also die Neuordnung der pal-ermifa'
nischen Pinakothek ein Gutes gehabt, nämlj“1
di-e sizilianische Malerei überhaupt wieder in3
Licht gerückt zu haben-, sie aus dem Wust der
Überlagerungen in den- Sammlungen heraus''
geschält zu haben, so ist doch gleichzeitig
festzustellen-, daß der Wert der NeuzuschreK
bungen zum mindesten fragwürdig ist, und daß
man gut tun wird, wenn man sich -auf d-!e
vielleicht ein wenig- übereilt, vielleicht auch, W>e

M.& R. STORA
GOTHIQUE
KT
RENAISSANCE

33 BIS BOULEVARD HAUSSMANN
PARIS

Das Bild in der modernen Wohnung

Alfred Sisley, Pont d’Argenteuil
Collection E. S t a u b - T e r 1 i n d e n , Männedori-Zürich

BERLIN W1O. LÜTZOWUFER 13

KÖN IQ SALLE E 34.
 
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