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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 41 (11. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44978#0410
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2

DIE WELTKUNST

Jahrg. V, Nr. 41 vom 11. Oktober 1931

ihnen Vorbild zu sein! Nichts kann m. E.
verhängnisvoller sein, als wenn die Museen
sich aus „Vorsicht“ und „Rücksicht“ die Teil-
nahme an den gegenwärtigen Versuchen zu-
kunftsvoller Kunst verbieten wollten. —

Die Krisis wird überstanden sein, wenn die
Kunst in irgend einem, heute noch nicht deut-
lich zu machenden Verstände wieder sinn-
licher geworden sein wird, und — wenn die
Leute wieder mehr Geld haben werden!

Aus Holländischen Museen
Von Dr. G. Knüttel (den Haag)

1. Museum B o y m a n s , Rotterdam
Es wäre schwer, den so heterogenen
Sammlungen dieses eigenartigen Museums
ein bestimmtes Programm für Neuerwerbun-
gen zu unterlegen. Ohne wissenschaftliche
Rücksichten zusammengebracht, ist es ein be-
sonderer Reiz dieses Museums, so Verschie-
denartiges in so kleinem Bezirk vereinigt zu
sehen. F. Schmidt-Degener, der frühere
Direktor, hat seiner Galerie immer den
Charakter einer mit feinem Geschmack zu-
sammengestellten Privatsammlung' zu be-
wahren versucht, und sein Nachfolger, D. Han-
nema, befolgt, mit feiner Empfindlichkeit für
Qualitätswerte, dieses selbe System, das ihm
ermöglicht, dem Museum den Stempel seines
Geschmackes aufzudrücken. Insbesondere
werden dabei zwei Gebiete mehr als früher
bevorzugt: die Plastik und die Kunst von
heute.
Der Jahresbericht 1930, mit guten Ab-
bildungen, veranlaßt zu folgenden Notizen:
Die wichtigste Erwerbung des Jahres
1930 liegt auf dem Gebiet der älteren
Malerei: das Interieur der Utrechter Johannis-
kirche von Pieter Saenredam (Ab-

Her c ul es Seghers zugeschriebene
Landschaft (Blick auf Montobaur im Lahntal),
ein sehr hübsches Blatt von W. B u y t e -
w e g h (Blick auf Scheveningen) und ein toter
Christus des A. van Dyck.
Für die moderne Abteilung schenkten Dr.
G. H. H-inßen eine sehr schöne, späte Land-
schaft von J. B. Jongkind, La Ciotat, von
1880 (Abbildung unten); auch wurde ein
„Stilleben mit Taube“ von Gino Severini
erworben, ferner ein Pastell von Boudin,
eine Kreidezeichnung von Pu vis de Cha-
vannes (Geschenk Cassirer, Berlin),
Zeichnungen von Toorop und Kolbe,
Graphik von Re nee Sintenis, Ernesto
de F i o r i, Maurice de V 1 a m i n c ky
,H. F. Bieling, Charley Toorop u. a.
J. H. van Hasselt schenkte eine Terrakotta-
figur von Ernesto de Fiori und das
Porträt Flechtheims von Belling ; ein nicht-
genannter Kunstfreund eine Holzfigur von
Torna Rosa n die.
*
Im Februar 1931 wurde mit dem Bau des
neuen Rotterdamer Museums nach Entwürfen

bis auf weiteres verschoben). Das Haager
Gemeinde-Museum kann in seiner provisori-
schen Filiale für moderne Kunst, in der
Galerie des Panorama Mes-dag, schon seit
vielen Jahren nur einen kleinen Teil seiner
Schabe zeigen und entbehrt jeder besonderen
Räume für Ausstellungen. Man kennt die
grandiosen Museumspläne Berlages von 1919.
Vor kurzem hat nun auch hier der Neubau be-
gonnen, nach ganz neuen, stark reduzierten
Plänen Berlages, die jedoch museumtechnisch
wieder besondere Vorzüge zeigen. Diese
Probleme wurden vom Architekten in Zu-
sammenarbeit mit Dir. Dr. van Gelder gelöst.
Auch hier wird ein neues System der Be-
leuchtung — schon verschiedentlich publiziert
— angewandt werden.
Dieses neue Museum wird im Grundstock
die stadfhistorische Kunstsammlung (Re-
genten- und Schüßen-Sfücke, alte Porträts,
Bilder von Haager Künstlern), jeßt im Ge-
meinde-Museum, die allmählich sehr aus-ge-
breifete Sammlung von altem Kunstgewerbe
(an erster Stelle Keramik von Früh-China bis
zu den Porzellanen des 19. Jahrhunderts), einige
bedeutende alte, vollständig erhaltene „Stil-
kammern“, das Kabinett für moderne gra-
phische Kunst und die Bibliothek enthalten.
Die Einverleibung von zwei sehr bedeutenden
Sammlungen auf Spezialgebieten des Kunst-
gewerbes ist außerdem nahezu gesichert. Die
moderne Kunst (Gemälde, Plastik und Kunst-
gewerbe) kommt im ersten Stock zur Auf-
stellung. Der Eingangsbau wird Büroräume,
Hörsaal usw. enthalten.
P. S. Wie das Organ des Vereins der „Freunde
Asiatischer Kunst“ meldet (Oktober-Nummer des
Maandblad vw.r Beeidende Künsten), wird die all-
mählich sehr bedeutende Sammlung dieses Vereins
demnächst in eigenen Räumen des Amsterdamer
Stedelyk-Museum zu ständiger Ausstellung kommen.

Richard Gerstl

J. B. Jongkind, La Ciotat. 1880
Neuerwerbung 1930
Museum Boymans, Rotterdam


bildung Seite 1), ein erstklassiges Werk
dieses seltenen „Neu-Sachlichen“ des
XVII. Jahrhunderts, für den aber Tillichs
Terminologie dieser besonderen Kunst-
strömung „religiöse Objektivität“ zutreffender
wäre. Das Bild überrascht durch die fast
kapriziöse, sehr ungewöhnliche Komposition
und fesselt durch die einheitliche und feine,
jede Trockenheit vermeidende Durchführung
der gewissenhaft konkreten Gestaltung.
Das Museum besaß bereits vom selben
Künstler den großen Blick auf die Marien-
kirche in Utrecht. Es wäre falsch, zu meinen,
daß die Anwesenheit eines Bildes des seltenen
Meisters ein zweites, für ein kleines Museum
überflüssig, jedenfalls nicht an erster Stelle
erwünscht machen sollte. Im Gegenteil: das
Nebeneinander dieser zwei Bilder veran-
schaulicht erst richtig das besondere Wesen
des Künstlers — und somit auch seiner Kunst.
Das Bild kam als Geschenk von D. G. van
Beuningen, A. J. M. Goudriaen und' Fr.
Koenings an das Museum.
J. Goudstikker stiftete eine Flagellanten-
szene des Gerard Terborgh, eines der
seltenen Bilder, die von dem Aufenthalt dieses
Künstlers in Spanien zeugen. Durch das
Thema, die romantische Beleuchtung und ge-
spenster,hafte Ausführung bringt es von selbst
den Namen Goyas in Erinnerung.
An älteren Zeichnungen wurden u. a. er-
worben eine nicht ganz überzeugend dem

des Arch. Jr. A. von der Steur in Zusammen-
arbeit mit Dir. Hannema begonnen. Vor-
her wurden ausgedehnte Beleuchtungsproben
gemacht, wobei man ein neues System ge-
funden hat, dessen Beschreibung einem
späteren Jahresbericht Vorbehalten bleibt.
In wenigen Jahren wird Rotterdam also
sein würdiges Museum haben, so daß endlich
die seit Jahren aufgespeicherten Schaße
dieser Sammlungen auf würdige Weise ge-
zeigt werden können.
2. Neubau des Haager Museums
Ähnlich liegen die Dinge im Haag (auch
das städtische Museum in Amsterdam be-
dürfte seit langer Zeit einer Erweiterung,
um so mehr, als seit kurzem die große van
Gogh-Sammlung des Jr. Vincent van Gogh, des
Sohnes Theos, als vieljährige Leihgabe das
Museum außerordentlich bereichert hat. Ein
Erweiterungsbau, zu dem die Pläne schon
fertig waren, wird wegen der Not der Zeit

Posthume Ausstellung einer
unbekannten Begabung
Im Mittelpunkt des Interesses des Wiener
Aussfellungsherbsfes stehen die Gedächtnis-
ausstellungen zweier Künstler, die freiwillig
aus dem Leben geschieden sind. Der eine,
der Maler Richard Gerstl, hat sich, noch ein
Jüngling, mitten im künstlerischen Aufstieg
(1908) das Leben genommen, verkannt, miß-
achtet, da er sich der Konvention nicht fügen
wollte. Der andere, der Bildhauer Franz
Barwig (1868—1931), über dessen Selbstmord
wir an dieser Stelle berichtet haben, war ein
längst anerkannter, im Handwerklich-Volks-
tümlichen verwurzelter und so der Allgemein-
heit verständlicherer Künstler, der den, Höhe-
punkt seines Lebens und seines Schaffens
hinter sich hatte, als er sich den Tod gab. So
wirkt denn auch das Ende Richard Gerstls,
dessen starke und umfassende Begabung zu
den größten Erwartungen berechtigte um
vieles tragischer. Handelt es sich hier doch
um ein echt österreichisches Künstlerschicksal,
ähnlich den Schicksalen Romakos und Makarts.
Gerstl wurde 1883 in Wien geboren. Nach
Vollendung des Untergymn-asiums gelangte er
an die Akademie der Bildenden Künste, wo
erst Griepenkerl, von dem er das rein Hand-
werkliche seines Berufes lernte, sein Lehrer
wurde. Zu einem engeren künstlerischen, ge-
schweige denn menschlichen Kontakt ist es
zwischen Lehrer und Schüler weder in diesem
Falle, noch später, als Gerstl im Atelier Hein-
rich Leflers arbeitete, gekommen. Seine Ab-
sicht, Bilder Gerstls im Hagenbund auszu-
stellen, hat Lefler in der Befürchtung, durch
ihre Schaustellung öffentliches Ärgernis zu
erregen, bald wieder aufgegeben. So daß
erst jeßt, nachdem auch von anderer Seite
geplante Ausstellungen von Gerstls Werk
nicht zustande kamen, sein Schaffen von dem
Inhaber der Neuen Galerie (Dr.
O. N i r e n s t e i n) zum erstenmal der Offent-

ALT-CH INA
STÄNDIGE AUSSTELLUNG
ALTCHINESISCHE KUNST
NEUERWERBUNGEN AUS CHIN/

DR. OTTO BURCHARD & CO.
G.M. B.H.
BERLIN - PEKING - SHANGHAI - NEW YORK
BERLIN W 9, FRIEDRICH-EBERT-STRASSE 5 NEW YORK, 13, EAST 57* STREET

Inhalt Nr. 41
Dir. Dr. G. F. H a r 11 a u b :
Kunstkrisis der Gegenwart.1/2
Dr. G. Knüttel (den Haag):
Aus holländischen Museen (m. 2 Abb.) ... 2
Dr. St. Po glay en-Neu wall (Wien):
Richard Gerstl (m. 2 Abb.).2
Dr. A. Bessmertny:
Trance-Malerei .2/3
Auktionsvorberichte.3
Auktions-Kalender .3
Ausstellungen der Woche.4
Preisberichte — Kunst im Rundfunk.4
L. F. Fuchs (München):
Sammlung Bernt Grönvold (m. 2 Abb.) ... 5
Dr. E. v. S y d 0 w :
Grosz und Lindgens (m. Abb.).5
Dr. A. Kuhn :
Junge kroatische Kunst (m. 2 Abb.) .... a
Literatur . 6
Nachrichten von überall.6
Unter Kollegen . 6

lich'keit zugänglich gemacht wird (A b b i U
düngen unten und Seite 3).
Die künstlerische Entwicklung Gerstls hat
sich, wenn auch anfangs von Klimt beeinflußt»
hauptsächlich im Zeichen des französischen
Impressionismus und Nachimpressionismus
vollzogen,. Manet, Seurat, van Gogh sind
seine eigentlichen Lehrmeister gewesen. Auch
der Einfluß Munchs macht sich bei ihm geltend-
Doch überwiegt der Eindruck einer starken,
künstlerisch selbstbewußten Persönlichkeit, die
alle Einflüsse spielend in sich aufnimmt und
verarbeitet, um etwas Neues, Eigenes aus
ihnen zu gestalten. Seine Bildnisse, die den
eigentlichen Kern von Gerstls Wesen ent'
hüllen, sind bei aller Schlichtheit und Selbst'
Verständlichkeit der Auffassung von, einer Ein'
dringlichkeit, der sich niemand entziehen- kann,
dabei von einer Noblesse in der Haltung und
Farbengebung, die bisweilen geradezu alt'
meisterlich wirkt.
Daß der künstlerisch wenig fortschrittlich
gesinnte Wiener Bürger für die Kunst Richard


Richard Gerstl, Porträt
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Neue Galerie (Dr. O. Nirenstein), Wien
Gerstls nichts erübrigte, ist freilich keid
Wunder. Sein Hauptwerk, ein wundervoll ge"
maltes Akt-Selbstbildnis, mußte der damal5
herrschenden Prüderie ein Schlag ins Antlili
sein; auch konnte seine impetuose, skizzen'
haft anmutende Malerei, die sich mit der Ar’
des späten Corinth und reifen Kokoschka ver'
gleichen läßt, als etwas für die damalige Ze1*
ganz Unerhörtes schon aus diesem Grunde i”
Wien kein Verständnis erwarten.
Dr. St. P o g I a y e n - Neuwall

M.& R. STORA

GOTHIQUE
KT
RENAISSANCE

Tran ce-Malerei
Im „Kunstraum“ in Berlin, Wichmann'
siraße 24, zeigt Herr Voigt eine interessant2
Zusammenstellung von Trance-Malereien. E5
wäre sehr zu wünschen, wenn sich die zünf“
figen Kunstinieressenten auch einmal m1
diesen Dingen- mehr beschäftigen wollten, w2"
hier die Urquellen jeder Kunst in seltsam2’
Form zutage treten. Es ist natürlich völW
irrig, wie manche „Förderer“ dieser soQe'
nannten Trance-Malerei glauben, die VeE
fasser dieser Dokumente weiterbringen un°
auf irgendwelche Wege zur Kunst leiten
können. Der Wert der ausgestellten ZeicU
nungen und Gemälde besteht eben gerad2
darin-, daß sie nicht künstlerisch sind, d.
nicht bewußt künstlerisch als Kunstwerk g2>
arbeitet, sondern ihrem- Wesen nach sofort m5
ganz spontane, primitive Seelenäußerung er"
kennbar. Am wenigsten, wertvoll sind al’0
gerade diejenigen Malereien, die einen 0eX

33 BIS BOULEVARD HAUSSMANN
PARIS
-- —

LE GOUPY
SELTENE GRAPHIK
ZEICHNUNGEN * GEMÄLDE
KUNSTWERKE
PARIS

a8, Champs-Elysees
5, Boulevart de la M/adeleine




BERLIN W1O LÜTZOWUFER 13

KÖNIG SALLE E 34.
 
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