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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 49 (6. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44978#0462
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2

DIE WELT KUNST

Jahrg. V, Nr. 49 vom 6. Dezember 1931

Bald nach der Revolution kaufte kein
Mensch mehr monarchistische Autographen,
eine sozialistische Welle ging übers Land.
Bakunin, Lenin, Trotzki, Lieb-
knecht, Lassalle, Ebert wurden gesucht, und da
die Autographenhändler nicht nachkommen
konnten, stiegen die Preise, und es wurden
auch freiheitliche Dichter wie Freiligrath und
Hoffmann von Fallersleben von der Hausse
mitgerissen. Aber so plötzlich wie sie kam,
ist diese Hausse auch vorübergegangen.

Heute herrscht wieder ein gesundes Preis-
niveau nach der wirklichen Bedeutung.
Es kommt nun, da die sozialistische Welle
vorüber, eine neue, die noch nicht da ist, deren
Anzeichen sich aber bemerkbar machen. Es
kommt das Sammeln von naturwissenschaft-
lichen Autographen. Es handelt sich hier um
etwas wirklich Neues, wenn auch einzelne
Namen wie Kepler, Euler schon früh bewertet
wurden. Ich besitze die Verkaufsregesten der
alten Autographenfirma August Schultz; ich
habe Stichproben gemacht und Namen wie die
großen Ärzte M a 1 p i g h i, auf den die mo-
derne Anatomie zurückgeht, und Meibom,
den Entdecker der nach ihm genannten Drü-
sen, und viele andere nicht gefunden. Auch
Bovet, Fillon usw. nehmen sie nicht in ihre
Sammlung auf, haben nur wenig Naturfor-
scher.
Wenn naturwissenschaftliche Autographen
heute noch einer gefühlsmäßigen Abneigung
der Sammler begegnen, so werden sie sich
doch durchsetzen.
Während der Zeit Ludwigs XIV., Friedrichs
des Großen, Augusts des Starken beherrschte
die monarchistische Idee die Welt, während
der weimarischen Zeit die deutsche Geistes-
kultur und Philosophie zum mindesten Mittel-
europa. Jetzt beherrscht die Technik und Na-
turwissenschaft das Weltbild, und es ist nutz-
los, dies nicht anzuerkennen. Immer mehr
Menschen werden die heutige Zeit bejahen. —
Ein Zeitdokument ist die neue Briefmarke der
Vereinigten Staaten, die statt des Kopfes des
Präsidenten das Bild der elektrischen Glüh-
birne trägt.
Ein Einwand, dem man oft begegnet: das
Sammeln von naturwissenschaftlichen Auto-
graphen sei langweilig. Ich möchte fast be-
haupten, es ist notwendiger als alles andere
Autographensammeln.
Ein Gedicht ist halbtransparent, man sieht
die Persönlichkeit des Dichters durch die
Verse durchschimmern. Durch seine Auto-

Inhalt Nr. 49
H. Meyer:
Betrachtungen zur Geschichte des Auto-
graphensammelns .r/2
Pariser Briet . . ■ ..“
Bielefelder Kunsthaus (m. Abb.).2
China-Kleinbronzen (m. 4 Abb.) ...... ^
»Der Bibliophile und Graphik-
sammler« .°la

graphen knüpft sich die bereits bestehende
geistige Relation nur fester.
Thermometer, Glühbirne, ein Aluminiumtopf
sind uns umgebende, zwar nützliche, aber
tote Dinge und dieser toten Dinge werden
immer mehr. Autographen von Jürgensen,
dem genialen Uhrmacher, der das Metall-
thermometer erfand, von Edison oder Wöhler,
dem Erfinder des Aluminiums, schaffen uns
eine geistige Relation zu den Dingen, lassen
hinter den toten Instrumenten die Geistwesen-

heiten ihrer Erfinder uns erahnen. Ein Mittel,
in der heutigen, immer abstrakter, natur-
wissenschaftlich toter, immer amerikanisierter
werdenden Welt den Sinn und das Auge für
das Geistige zu behalten, möchte ich gerade
das Sammeln von naturwissenschaftlichen
Autographen nennen.

Pariser Brief
Londoner Ausstellung — Italie-
nische Handzeichnungen — Fran-
zösische Landschaftsmalerei
Paris, Anfang Dezember.
Nach Überwindung von mancherlei Schwie-
rigkeiten sind die Vorbereitungen für die
große französische Ausstellung in
London, die im Anschluß an die holländische,
belgische, italienische und persische Ausstellung
im Januar im Burlington House eröffnet wer-
den soll, in vollem Gange. In Hauptwerken
der Malerei und Skulptur wie des Kunstgewer-
bes vom Mittelalter bis zum Impressionismus
einschließlich wird Frankreichs Kunst vertre-
ten sein. Ein französisches und ein englisches
Komitee sind dabei, die Auslese unter den
Meisterwerken der beiden Länder und der aus-

Im Augenblick hat das französische Ko-
mitee bereits über 280 Gemälde ersten Ranges
zur Verfügung, und man darf mit einer Zahl
von etwa 350 rechnen, nachdem sich die Direk-
tion des Louvre nun doch entschlossen hat,
eine Auswahl ihrer Hauptstücke nach London
zu senden. So ist damit zu rechnen, daß bei-
nahe alle Museen der Welt, Sammler aller Na-
tionen, kirchliche und städtische Körperschaf-
ten zu dem Erfolg dieser einzigartigen Aus-
stellung beitragen, die unter dem Patronat des
englischen Königspaares und des französischen
Staatspräsidenten steht und am 4. Januar 1932
in der Royal Academy eröffnet wird. M. Louis
M e t m a n , Konservator des Musee des Arts
Decoratifs, ist Generalsekretär des Exekutiv-
Komitees, das von M. Paul Leon präsidiert
wird und dem etwa achtzig Persönlichkeiten
angehören, von denen wir hier nur die Herren
Pol Neveux, Paul J a m o t, Jean G u i f -
frey, C. Dreyfus, P. Vitry und
R. H u n g h e erwähnen.
Von den Ausstellungen älterer Kunst, die
gegenwärtig in Paris stattfinden, interessiert
vor allem die geschmackvoll arrangierte und
durch das ausgestellte Material hochbedeu-
tende Schau italienischer Handzeich-
nungen aus dem Besitz des Louvre im Mu-
see de l’Orangerie. Wenngleich die Ab-
sicht, die Entwicklung der italienischen Hand-
zeichnung vom 14. bis 16. Jahrhundert kon-
sequent darzulegen, nicht in vollem Maße er-
reicht werden konnte, so bleibt doch eine er-
staunliche Fülle wichtigster Eindrücke. Das
15. Jahrhundert ist repräsentiert durch die
Reihen der einzigartigen Blätter von Pisanello
und Jacopo Bellini, während das Material an
guten Florentiner Zeichnungen dieser Zeit sehr
schmal bemessen war. Um so mehr glänzte
das 16. Jahrhundert, eine Stärke des Pariser
Kabinetts durch große Namen und erstklassige
Blätter, und auch für die Barockzeit konnten
seltene und noch seltener beachtete Meister an
das Licht der Öffentlichkeit gebracht werden,
die dieser schönen Ausstellung besonderen
Wert verleihen.
Für das Jahr 1932 bereitet das Petit Pa-
lais zwei große Ausstellungen vor: im Früh-
jahr eine Schau „Die französische
Landschaft von Corot bis C e-
z a n n e“, im Herbst eine Retrospektive für
Gustave Dore anläßlich seines hundertsten
Geburtstages. Die erstgenannte bildet ge-
wissermaßen die Fortsetzung der Ausstellung
„Die französische Landschaft von Poussin bis
Corot“ (1925), die außerordentliche Beachtung


Beschlagstück in Enten-
form
Bronze mit grüner Patina
Han-Zeit (206 v. — 220 n.
Chr.) — Länge 5 cm


Tastj eh-Maske als Gefäßfuß
Bronze mit heller und dunkler Patina
Chou-Zeit (1122—255 v. Chr.)
Höhe 4,5 cm

Steinbock
Bronze mit grüner Patina
Skytisch — um Chr. Geb.
Höhe 6 cm

China-Bo hlken, Berlin

Gewand-Schließe, Bronze mit grüner Patina —• Han-Zeit (206 V. —220 n. Chr.) — Länge 13,5 cm
C h i n a - B o h 1 k e n, Berlin


Dr. A. Bessmertny :
Bemerkungen eines Bibliophilen . . . . 3
Sehen wir alte Graphik verkehrt . . . • • 3
Zwei Weihnachts-Holzschnitte Dürers (mit
2 Abb.).x . . . . 3
Der Vatikanische Terenz (m. Abb.) .... 5
Handschrilten-Ausstellung .5
Literatur . • ; ®
Das gesuchte Buch — Gesuchte Graphik —
Neue Lagerkataloge.. • • ■ 6
Ausstellungen (m. 3 Abb.) ..6
Auktionskalender .I
Preisberichte — Kunst im Rundfunk .... 8
Ausstellungen der Woche . • ■ - 8
Auktionsvorberichte .9
Auktionsnachberichte (m. Abb.).9
Nachrichtenvonüberall.10
Unter Kollegen .10
»E n g 1 i s h Supplement« (m. 2 Abb.) . . 9
Remarks about the History of Collecting
Autographs — The Lothian Library — Coll.
G. de Mire — Reconstructions and models

ländischen Museen und Privatsammlungen zu
treffen, wobei zu bemerken ist, daß ja gerade
England an Werken der großen französischen
Meister wie Poussin, Claude Lorrain usw. be-
sonders reich ist. Dem französischen Ausstel-
lungs-Ausschuß fiel die weiterreichende Auf-
gabe zu, die geeignete Wahl nicht nur in den
verschiedenen französischen Provinzmuseen
vorzunehmen, sondern auch Leihgaben aus den
Museen des Auslandes, vor allem aus den Be-
ständen französischer Malerei des 18. und
19. Jahrhunderts in amerikanischem und bel-
gischem Besitz, in italienischen, deutschen und
skandinavischen Museen bereitzustellen. Aus
dem Museum in Lüttich ist z. B. Ingres’ be-
rühmter „Bonaparte“ zugesagt worden.

gefunden hatte und in selten klarer Weise Ein-
blicke in die Struktur der französischen Kunst-
entwicklung vermittelte. In der kommenden
Ausstellung sollen vor allem die Barbizon-
Meister, die Realisten, Impressionisten und
Nachimpressionisten, jedoch ohne Einbeziehung
irgendeines lebenden Malers, im Zusammen-
hang dargestellt werden, also vor allem Corot,
Rousseau, Millet, Courbet, Daubigny, Diaz,
Dupre, Troyon, dann Manet, Monet, Sisley,
Pissarro, Renoir und Degas, als Schlußgruppe
Cezanne, Seurat, Gauguin. Mit Hilfe von Leih-
gaben soll versucht werden, der Ausstellung
durch eine Reihe auch weniger bekannter Mei-
sterwerke eine besondere Note zu sichern.
S.

Bielefelder Kunsthaus
Ausstellung des ReichsverbandeS
bildender Künstler, Ortsgruppe
Bielefeld

Der Kunstfreund darf sich schon belohnt
wähnen, wenn bei derartigen Kollektivausstel-
lungen eine kleine Anzahl der ausgestellten
Werke im Gedächtnis haften bleibt. Und es
ist kein Wunder, wenn in einer so abseits der
Kunst liegenden Stadt wie Bielefeld das Er-
trägnis solcher Sichtung äußerst mager ge-
nannt werden muß. Diese Feststellung be-


W. Meyer-Michael, Sinnendes Mädchen
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Kunsthaus Bielefeld

deutet keine Kritik an der Arbeit des Städti-
schen Kunsthauses, dessen Leiter Dr.
Becker es sich zur dankenswerten Aufgabe
gemacht hat, der Kunst in der Industriestadt
Bielefeld einen stärkeren Widerhall als bisher
zu erwecken.
An erster Stelle möchte ich auch hier
Hermann Freudenau nennen, über den in
Nummer 47 an dieser Stelle berichtet wurde.
Er ist mit drei Bildern vertreten, von
denen eine winterliche Ansicht seiner Vater-
stadt alle die Vorzüge aufweist, die bereits
früher hier aufgezeigt wurden. Zweitens sei
Adolf Kranz erwähnt. Campendonckschüler,
tüchtiger Zeichner, liebevoller, strebsamer
Maler. Ein paar Temperastudien, zwei kleine
Ölbilder verraten Fleiß und Berufung; da kann
etwas entstehen, das wesentlich genannt zü
werden verdient. Drittens: Alfred Wiese, auch
ein Junger. Unzweifelhafte Begabung, aber
schon der Gefahr des Manirierten ausgesetzt.
Die Plastik ist vertreten durch Arnold
Rickert, Karl Altenberndt, Erich Lossie und
Wolfgang Meyer-Michael. Repräsentativ nur
der letztere mit einigen vorzüglichen Porträt-
köpfen und mit einem „Sinnenden Mädchen“
(Abbildung oben). S-g.

China-Kleinbronzen
Bei China-Bohlken in Berlin sind
zur Zeit interessante chinesische Kleinbronzen
zu sehen, von denen wir auf dieser Seite einige
der wichtigsten Stücke abbilden. Wohl auf
keinem anderen Kunstgebiet hat sich die Phan-
tasie der Chinesen in so mannigfaltiger, alle
Darstellungsmöglichkeiten in sich begreifender
Weise entwickelt wie bei der Erzeugung dieser
Kleinkunstgegenstände aus der Zeit um
Christi-Geburt, der Beschlagstücke, Gewand-
schließen, Knöpfe, Sattelverzierungen und
Pferdegeschirre. Ebenfalls aus chinesischen
Funden stammen die kleinen TierbronzeP
skythischen Stils, die besonders reizvolle und
künstlerisch modern wirkende Gestaltung auf'
weisen. Sämtliche hier ausgestellten Arbeiten
sind direkt in Ostasien erworben worden.

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