Jahrg. V, Nr. 50 vom 13. Dezember 1931
DIE W E L T KUNS T
5
(Fortsetzung der Nachberichte von Seite 3)
ein Prachtexemplar des Didotschen Racine in
Bozerian-Bänden 660 M. brachten.
Ausführlicher Preisbericht in
Nr. 48, S. 4.
Slg. Prinz Friedrich
Leopold von Preußen
Berlin, Nachb. 27-/28. Nov.
(Vorb. in Nr. 47, S. 4)
Vor einem zahlreich erschienenen Publikum,
unter dem man Vertreter der Berliner Museen
und viele in- und ausländische Händler sah,
versteigerten P. G r a u-
p e und H. Ball den
Kunstbesitz des Prinzen
Friedrich Leopold von
Preußen mit beachtens-
wertem Erfolg.
Das Hauptinteresse
hatte sich bei dieser
Auktion auf das einzig¬
artige Vermeil - Tafel¬
geschirr der Mutter
Napoleons I. konzen-
triert, das unter größ-
ter Spannung Stück für
Stück zu hohen Preisen
von deutschen und Pa¬
riser Sammlern aufge-
nommen wurde. Das
Gesamtergebnis für das
Geschirr betrug 88 000
Mark; der höchste Ein-
zelpreis war 16 600 M.
für die beiden Soupie-
ren (Nr. 363/4); dann
folgten 4600 M. für die
beiden Obstschalen (Nr.
338/9) und 7400 M. für
die vier Kandelaber (Nr.
373 bis 374). Starke Nachfrage bestand auch für
das übrige Silber, für das teilweise bis 1—2 M.
für das Gramm, meist von Berliner Privat-
sammlern, ausgegeben wurde.
Von den sonst erzielten Preisen, die fast
durchweg über den Taxen lagen, seien noch
folgende genannt: 6500 M. für eine venezia-
nische Vedute von Guardi (Nr. 14, 64 : 58 cm);
1550 M. für ein Paar Armlehnsessel mit Point-
bezügen; 2800 M. für ein Paar ähnliche Sessel
mit Tapisserie-Bezügen; 2500 M. für zwei
kleine Encoignuren von Dubois (Nr. 28); 7500
Mark für vier Louis XV-Armlehnsessel mit
Aubusson-Bezügen (Nr. 34); 755 M. für einen
Satz von 12 Tellern mit Alt-Berliner Ansich-
ten; etwa je 1000 M. für verschiedene Renais-
sance-Anhänger; 1200 M. für eine kleine
siebenbürgische Brücke; 4700 M. für einen
großen Aubusson-Teppich (Nr. 159). Die herr-
liche französische Regence-Boiserie ging für
24 000 M. in den Besitz von Margraf & Co.-
Berlin über;-
AusführlicherPreisbericht folgt.
Goethe und sein Kreis
Berlin, Nachb. 4./5. Dez.
(Vorb. in Nr. 46, S. 3)
Auf der Goethe-Versteigerung bei J. A.
Stargard wurden verschiedentlich wesent-
liche Preise erzielt. An der Spitze stand die
schöne Goethe-Zeichnung „Fischer im Kahn“
mit Albumblatt (Nr. 34), die 2030 M. brachte.
Ein Brief Goethes an seine Schwiegertochter
wurde mit 385 M. (Nr. 28), ein Billett mit
215 M. (Nr. 26), ein Schriftstück mit einigen
handschriftlichen Zeilen (Nr. 6) mit 220 M.
bezahlt. Ein Brief der Marianne von Willemer
brachte 225 M. (Nr. 535), eine herrliche far-
bige Ansicht von Frankfurt (Nr. 554) 310 M.
und eine seltene Ansicht von Weimar (Nr. 563)
330 M.
manns „Zwei alte Bauern“ (Nr. 156) 290
eine romantische Rheinlandschaft von C. G.
Schütz d. Ae. (Nr. 253) 230 M.
Von den Porzellanen nennen wir das .
Nymphenburger Service (Nr. 358) mit 1440 M,
ein Hörold-Service (Nr. 359 b, e, g) mit 975 M,
ein Höchster Frühstücks-Service (Nr. 357) mit
210 M und eine Reihe von 11 Höchster Bis-
kuit-Figuren (Nr. 333—43) mit 320 M,
Sammlung August Wolff
München, Nachb. 5.—7. Nov.
(Vorb. in Nr. 43, S. 3)
In der Galerie Hugo Helbing fand
vom 5. bis 7. November die Versteigerung der
bekannten Sammlung August Wolff, Heidel-
berg, statt, die unter zahlreicher Beteiligung
von Sammlern und Händlern Deutschlands und
des Auslandes bei sehr reger Kauflust verlief.
Das Hauptinteresse galt vor allem dem Kunst-
gewerbe und der Kleinplastik, wofür zum Teil
überraschend hohe Ergebnisse erzielt wurden
und wovon folgende Preise besonders inter-
Cruikshank-Zeichnungen
London, Nachb. 2. Nov.
(Vorb. in Nr. 43, S. 5)
Die Versteigerung der Bibliothek J. H.
White durch S o t h e b y , die ein Gesamt-
ergebnis von £ 3612 brachte, beanspruchte
durch ihre Serien von Originalhandzeich-
nungen Cruikshanks ein besonderes Inter-
esse. Die besten Blätter erzielten £ 270 und
wurden von Rosenbach erworben, der neben
Seßler auch für die kleineren Stücke, die zwi-
schen diesem Preise und £ 100 schwankten,
als Hauptkäufer auftrat. Am teuersten stell-
ten sich sechs Aquarelle, Vorlagen für eine
Buchillustration (Nr. 312), die Seßler für £ 460
erwerben konnte.
Bücher, Manuskripte
London, Nachb. 9.—10. Nov.
(Vorb. in Nr. 43, S. 5)
Auf der Buchversteigerung bei S o t h e b y
& C o. am 9.—10. November, die ein Gesamt-
ergebnis von etwa £ 6400 brachte, erzielten
ein für den Grafen Peter Ernst von Mansfeld
in den fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts
gearbeiteter Pariser Bucheinband £ 520
(Nr. 192, G. Wells), — Audubons Werk über
„The birds of America“ (1828—33) £ 340
(Nr. 417, B. F. Stevens), — eine Serie von
Landschaftsskizzen des Generals Warre aus
Kanada £ 280 (Nr. 423, Spencer) und ein Brief
von Robert Burns £ 360 (Nr. 502, Stevens).
Das Heim
eines Kunstsammlers
Zu den Sehenswürdigkeiten Düssel-
dorfs auf dem Gebiete alter Kunst und
Wohnkultur darf neben der Staatlichen Kunst-
akademie vor allem die Sammlung Arthur
H a u t h gerechnet werden, die in einem der
vornehmsten Bürgerhäuser des ausgehenden
18. Jahrhunderts untergebracht ist und in ihrer
Verbindung von schlichter wohnlicher Intimität
und Sammlung ein seltenes Beispiel jenes alten,
heute beinahe verschwundenen rheinischen
Sammlungstyps darstellt. Mit seltenem Ge-
schmack ist hier der Versuch verwirklicht,
Aus der Gemäldesammlung Arthur Hauth, Düsseldorf
Schlafzimmer im Hause Arthur Hauth, Düsseldorf
Gemälde, Keramik
Frankfurt a. M., Nachb. 10.—11. Nov.
(Vorb. in Nr. 45, S. 3)
Die Versteigerung der Sammlung E. G. May
Erben und einer Keramik-Kollektion im
Kunsthaus Heinrich Hahn brachte
bei gutem Absatz befriedigende Preise. Die
Originale zu Peter Beckers „Rheinalbum“
(Nr. 54) erzielten 1630 M, zwei Landschaften
von Peter Burnitz (Nr. 78/79) 540 bzw. 486 Jl,
Deikers Jagdbild (Nr. 88) 460 M, H. v. Kauff-
essieren dürften: Nr. 35, Apothekeneinrichtung
1600 M, — Nr. 64, Synagogenleuchter 1850 M,
—-Nr. 65, Chanukkah-Leuchter 950M, — Nr. 73,
Büstenaquamanile des 12./13. Jahrh., 8500 oÄ
(Abbildung in Nr. 43 der „Weltkunst“),
— Nr. 169, Casula von 1570, 1450 M, —
Nr. 245, Schmucktruhe 1350 M, — Nr. 246,
Kabinettkasten 350 M, — Nr. 270, Säulen-
schrank 600 M, — Nr. 277, Nußholzkommode
300 <///, — Nr. 282, Tisch 300 M, — Nr. 449,
Buchsfigur von Faydherbe 2000 M, — Nr. 669,
Paar Porzellanvasen 1100 M.
Preisbericht in Nr. 47, S. 6.
Werke der Möbelkunst, der Skulptur, Malerei
und des Kunstgewerbes zu einer dekorativen,
selbstverständlich wirkenden Einheit zu ver-
schmelzen, ohne irgendwo den Eindruck der
„Kunstkammer“ zu erwecken. Vermag so be-
reits das langsam und organisch gewachsene
Ensemble im höchsten Grade zu reizen, so in-
teressieren im einzelnen ebenso die hoch-
rangigen Kunstwerke. Heimisches Mobilar
(Abbildung oben) des 16. und 17. Jahr-
hunderts hat hier eine besondere Pflegestätte
gefunden. Die Plastik umfaßt qualitätvolle
rheinische und schwäbische Arbeiten vom
LITERATUR
K ataloge
D. u. L. de Meuleneere, Brüssel
.Der ers.e Katalog 1932 de« Brüsseler Antiquariats
Zeigt ein außerordentlich vielseitiges und interessantes
Material alter und neuer Graphik an. Voran seien
u;e Abiei.ungen eng.neuer und französisener
Kupfer- und Farbstiche des 17 und 18. Jahrhunderts
'ebenen und gesuchten B'äftern der Porträt-
Stichserien, der frühen Lithographien, der jnteressan-
'l'u oa.uai.ung vjn KjS.u...b-ä.^rn. Karikaturen,
gportb.ätter u. a. Außerordentlich reichhaltig die
Gruppe Topographie', daruner auch viele deut-
sche Ansichten von Wert.
Leo Licpmannssohn, Berlin
Zwei neue Kataloge des bekannten Berliner Anti-
quariats Leo Liepmannssohn bringen wiederum wich-
"gSces ii.usikwisscn>schaiii.icne.s lu-u.ia. m seuön ab-
gerundeten Beständen. Katalog 223 verzeichnet unter
i em Titel ..Musikbibliographie und No-
vation“ Werke zur Bibliographie, Buch- und Hamd-
8,ehr,iftenkunde. Musiklexika und -kataloge. Noten-
''nrit‘ rnd Notendruck Das wert' -"ste S'ück ist
Petrus Tritonius Erstausgabe der „Melopoiae“
,°n 15Q7, verlegt von dem ersten deutschenNotenbuch-
se)Uc!ier Erhard öglin, mit zwei interessanten Holz-
jCllmtten Behr beachtenswert em handschriftliches
-'autenbuch des frühen 17. Jahrhun lerts von Joachim
Van den Hove.
Der Katalog 224 bringt Lite-n'u- ’ur Musik-
UnriS ? h i 0 h t e , speziell zur Geschichte der Oper
Rah <<S Theaters, ferner exotische ...usm, Gesamtaus-
8ehn musikalischer Klassiker und Musikzeitschriften.
Qr gesuchte Werke werden in dem bibliographisch
wie immer einwandfrei bearbeiteten Katalog zu sehr
mäßigen Preisen angeboten.
Bücher
Es gingen bei uns ein:
Hermann Schmitz, Revolution der Gesinnung. Preu-
ßische Kulturpolitik und Volksge-
meinschaft seitdem 9. November 1918.
248 Seiten und 8 Tafeln. Im Selbstverlag,
Neubabelsberg, Bismarckstr. 2. (Geb. 4 M.,
br. 3 M.)
Sammler-Fibel
Kocks Sammler-Fibel. Neue umgearbeitete und be-
trächtlich erweiterte Auflage der „Illustrierten Por-
zellan-, Kunst- und Antiqüitäten-Fibel“, hgg. von
C A. E. Kock. 145 S., 43 Abb. Verlag Franz
Leuwer, Bremen, 1932.
Dieses kleine und kenntnisreiche Handbuch ver-
einigt auf knappem Raume vieles, was auch dem er-
fahreneren Sammler wissenswert erscheinen dürfte.
Als Nachschlagewerk erweist es sich besonders für
die verschiedenen Gebiete des Kunstgewerbes nütz-
lich. Der Verlag hat dem Band eine gediegene Aus-
stattung zuteil werden lassen. Wr—
Die menschliche Bewegung
Dr. Karl Gaulhofer: „Die Fußlialtung, ein Beitrag zur
Stilgeschichte der menschlichen Bewegung“.
Bücherreihe der wissenschaftlichen Gesellschaft für
körperliche Erziehung. Band I. 272 Seiten. Mit
124 Abbildungen. Rudolphsche Verlags-
anstalt, Kassel 1930. (Preis: geb. 10,20 X)
In fünf Abschnitten hat Ministerialrat Dr. Gaul-
hofer diese Abhandlung über eine der Grundbedin-
gungen menschlicher Körperhaltung geteilt, die von
einem kurzen Kapitel „Fragestellung“ eingeleitet
und mit einer Zusammenfassung „Schlußfolgerungen“
beendet werden. Durch historisch einwandfreie Be-
lege schildert der Verfasser die Entwicklungen:
I. der Stellung des Kriegers, II. des Fechters, III. des
Tänzers und IV. der Grundstellung des Turners.
Interessant ist die Gegenüberstellung deutscher und
schwedischer Überlegungen zur Formung dieses
letzten Kapitels, deutscher Bestrebung: durch
äußerste Straffung Selbstdisziplin zu fördern — und
schwedischer Folgerung: durch Straffung physische
Ausarbeitung der im Alltag verbildeten Muskulatur
zu erreichen. Populär wissenschaftlich ist der an-
schließende Abschnitt über: V. Die Fußhaltung im
medizinischen Schrifttum, voll anregender Hinweise
auf alte und neue Forschungen. Die „Schlußfolge-
rungen“ geben endlich einen zusammenfassenden
Überblick über die historische Selbständigkeit
Deutschlands auf diesem Gebiet und enden in einen
Ausblick sportlicher und gesundheitsfördernder Hal-
tungserziehung. v. Oe.
Die Freimaurer
Eugen Lenlioff: „Die Freimaurer“. 500 Seiten und
156 Bildtaf. Amalthea Verlag, Zürich-Leip-
zig-Wien. (Geh. 14,— M., geb. 18,— M.)
Eugen Lenhoffs Werk über „Die Freimaurer“ ist
eine umfassende Darstellung der Entwicklungsge-
schichte durch alle Buntheit der Mysterienbünde des
Altertums und Mittelalters. Historische Tatsachen oe-
handelt dieses Buch, widmet sich dann dem inneren
Aufbau, den ethisch-philosophischen Grundideen und
vermeidet schließlich nicht die Erwähnung und Be-
gründung vieler Streitfragen und Anfeindungen. Es
fesselt den Leser durch seinen klaren, objektiven Auf-
bau und vermittelt ihm eine Fülle interessanter Schil-
derungen aus der Stellungnahme einer großen Anzahl
bedeutender Persönlichkeiten für und gegen den
Orden.
14. Jahrhundert bis zur Renaissance, unter den
Gemälden (Abbildung unten) findet man
als Hauptstücke ein großes Altarwerk von
Crivelli, eine Madonna von Barend van Orley,
Bildnisse Luthers und seiner Frau von Lukas
Cranach, ein Porträt der seltenen Jan Joest
van Calkar u. a. Unsere Abbildungen geben
einen kleinen Einblick in den Organismus die-
ses Sammlerheims, das eine Zierde der rheini-
schen Kunststadt bildet.
Sind Kunst-
akademien nötig?)
Es ist höchste Zeit, daß diese Frage einmal
ernstlich diskutiert wird. Sehr verdienstvoll
hat der Maler Lamm das Thema in „Kunst
und Künstler“ (Jahrgang 30, Heft II) behan-
delt. Das Resultat seiner Betrachtungen ist
für die Kunstakademien einfach niederschmet-
ternd. Dabei spricht er nur — allerdings sehr
markig und gescheit — das aus, was jeder, der
einen Pinsel führt, schon seit immer weiß. Die
Akademien gehören, nach Ansicht aller Maler,
die ich kenne — sagen wir, fast aller, damit
mir daraus nicht ein Strick gedreht wird — zu
den unnötigsten Dingen der Welt, und zwar L,
weil das, was man dort lernt, schon immer
etwas Falsches war (sei es Klassizismus, Natu-
ralismus oder Individualismus), II. weil man
selbst, lernte man dort etwas Richtiges, heute
nichts mehr mit dem Erlernten anfangen kann.
Ich empfehle allen, die über das Thema noch
nicht nachgedacht haben, die Lektüre des
Lammschen Aufsatzes. Aus Eigenem will ich
hinzufügen:
Durch die Gründung der Akademien ist die
Kunst zu einer offiziellen Angelegenheit ge-
worden. Man könnte nun sagen: ebenso wie
der Staat die jungen Leute in Physik, Ma-
thematik und Englisch gratis (oder fast)
unterrichtet, kann er sie natürlich auch malen
lehren (oder muß es sogar). Das ist aber
falsch, denn ein Mensch wird doch nicht, wenn
er Mathemathik, Physik oder Englisch lernt,
auf jeden Fall Mathematiker, Physiker oder
Englischphilologe werden. Aber wer auf der
Akademie die Malerei absolviert hat, taugt ge-
wöhnlich zu gar nichts anderem mehr, als sein
ganzes Leben Bilder zu malen. Man hat syste-
matisch ein unbeholfenes, weltfremdes Men-
schenkind aus ihm gemacht, dem niemand
weiterhilft. Man hat ihn eine Sprache gelehrt,
die niemand verstehen will, man hat ihm eine
Kunst beigebracht, über die sich vielleicht
mancher amüsiert, für die man aber, Gott be-
hüte, auch nicht einen Sechser ausgeben wird.
Früher mußte man sich auf der Akademie
schon nach den ersten Semestern entschließen,
ob man Landschafts-, Porträt- oder Historien-
maler werden wollte. Man wurde also schon
als junger Mensch in gefährlicher Weise spe-
zialisiert. Heute ist es allerdings anders. Man
lehrt jetzt vielfach nicht mehr Bäume, Him-
mel, Köpfe, Hintergründe, Blumen malen, son-
dern soll dem Lehrer in die Gefilde einer unob-
jektiven Phantasiewelt folgen, in der es kein
unten und kein oben, und überhaupt keine er-
kennbaren Gesetze mehr gibt, und in der der
Jünger sich nun unbeschwert von Kritik (wer
sollte sie üben können) oder Selbstkritik
(warum sollte man sie üben, wenn es auch
ohne sie geht) herumzutummeln hat. Man
kann sich den Kuddelmuddel vorstellen, den
diese „neuzeitliche“ Einstellung in den wachs-
weichen Gehirnen der grünen Musenjünger an-
richtet. Ihre Ideale sind meistens jetzt nicht
mehr Können, Geschicklichkeit, Beobachtungs-
gabe, Kenntnisse, Technik, Erfahrung usw.,
sondern heißen kurz und bündig: Wie werde
ich berühmt, oder wie erziele ich in der kür-
zesten Zeit durch die kleinste Anstrengung
den größten Erfolg?
Jeder muß dem Maler Lamm recht geben,
wenn er sagt: „Lehrbar ist in der Malerei wie
überall nur das Objektive.“ — Und dann wei-
ter: „Alles Subjektive, die „Auffassung“, die
persönliche Wertung des Objekts, die persön-
liche Verwendung der Mittel, alles, woraus am
Ende die Bedeutung des Kunstwerks hervor-
geht, — ist nicht lehrbar, ist sogar nur meta-
phorisch diskutierbar: denn Kunst fängt erst
da an, wo alle anderen Verständigungsmittel
aufhören.“
Die Kunstakademien lehren also entweder
Unbrauchbares oder Unlernbares. Das objek-
tive Können wird nicht geschätzt, und die Per-
sönlichkeit kann man niemand beibringen.
Daß zu einer Zeit, wo es noch keine Photo-
graphie gab, wo also der Beruf eines Natur-
nachmalers oder -schilderers noch einem all-
gemeinen Bedürfnis entsprang, dieser von
Staats wegen gelehrt wurde, kann man ver-
stehen. Aber heute, wo die bildende Kunst vor
allen anderen brotlos geworden ist, wo das An-
gebot sich zu Bergen häuft, während man die
Nachfrage auf der Brief wage wiegen kann,
wo die Menschen zum überwiegend größten
Teil aus sturen Kunstbarbaren bestehen, mit
einem kleinen Fähnlein überzüchteter, über-
snobter Ästheten, ist es direkt sträflich, immer
wieder Geld auszugeben, um neue Menschen
einem Beruf zuzuführen, in dem schon sowieso
Tausende ganz oder halb verhungern.
Man begreift vielleicht noch, daß der Staat
eine gewisse Kontrolle über die Ausbildung der
Musiker ausüben will, trotzdem die meisten
Akademiker ja auch als Kaffeehausmusikanten
enden. Daß er sich aber verpflichtet fühlt,
entweder für eine kunstfeindliche Masse oder
für die perversen Launen einer dünnen Ober-
schicht seine Künstlerbrutanstalten noch im-
mer am Leben zu erhalten, ist nur aus dem
physikalischen Gesetz der Trägheit zu er-
klären. Walter Bondy
*) Zuschriften zu diesem Thema werden wir, so-
weit Raum verfügbar, gern veröffentlichen. Die Red.
DIE W E L T KUNS T
5
(Fortsetzung der Nachberichte von Seite 3)
ein Prachtexemplar des Didotschen Racine in
Bozerian-Bänden 660 M. brachten.
Ausführlicher Preisbericht in
Nr. 48, S. 4.
Slg. Prinz Friedrich
Leopold von Preußen
Berlin, Nachb. 27-/28. Nov.
(Vorb. in Nr. 47, S. 4)
Vor einem zahlreich erschienenen Publikum,
unter dem man Vertreter der Berliner Museen
und viele in- und ausländische Händler sah,
versteigerten P. G r a u-
p e und H. Ball den
Kunstbesitz des Prinzen
Friedrich Leopold von
Preußen mit beachtens-
wertem Erfolg.
Das Hauptinteresse
hatte sich bei dieser
Auktion auf das einzig¬
artige Vermeil - Tafel¬
geschirr der Mutter
Napoleons I. konzen-
triert, das unter größ-
ter Spannung Stück für
Stück zu hohen Preisen
von deutschen und Pa¬
riser Sammlern aufge-
nommen wurde. Das
Gesamtergebnis für das
Geschirr betrug 88 000
Mark; der höchste Ein-
zelpreis war 16 600 M.
für die beiden Soupie-
ren (Nr. 363/4); dann
folgten 4600 M. für die
beiden Obstschalen (Nr.
338/9) und 7400 M. für
die vier Kandelaber (Nr.
373 bis 374). Starke Nachfrage bestand auch für
das übrige Silber, für das teilweise bis 1—2 M.
für das Gramm, meist von Berliner Privat-
sammlern, ausgegeben wurde.
Von den sonst erzielten Preisen, die fast
durchweg über den Taxen lagen, seien noch
folgende genannt: 6500 M. für eine venezia-
nische Vedute von Guardi (Nr. 14, 64 : 58 cm);
1550 M. für ein Paar Armlehnsessel mit Point-
bezügen; 2800 M. für ein Paar ähnliche Sessel
mit Tapisserie-Bezügen; 2500 M. für zwei
kleine Encoignuren von Dubois (Nr. 28); 7500
Mark für vier Louis XV-Armlehnsessel mit
Aubusson-Bezügen (Nr. 34); 755 M. für einen
Satz von 12 Tellern mit Alt-Berliner Ansich-
ten; etwa je 1000 M. für verschiedene Renais-
sance-Anhänger; 1200 M. für eine kleine
siebenbürgische Brücke; 4700 M. für einen
großen Aubusson-Teppich (Nr. 159). Die herr-
liche französische Regence-Boiserie ging für
24 000 M. in den Besitz von Margraf & Co.-
Berlin über;-
AusführlicherPreisbericht folgt.
Goethe und sein Kreis
Berlin, Nachb. 4./5. Dez.
(Vorb. in Nr. 46, S. 3)
Auf der Goethe-Versteigerung bei J. A.
Stargard wurden verschiedentlich wesent-
liche Preise erzielt. An der Spitze stand die
schöne Goethe-Zeichnung „Fischer im Kahn“
mit Albumblatt (Nr. 34), die 2030 M. brachte.
Ein Brief Goethes an seine Schwiegertochter
wurde mit 385 M. (Nr. 28), ein Billett mit
215 M. (Nr. 26), ein Schriftstück mit einigen
handschriftlichen Zeilen (Nr. 6) mit 220 M.
bezahlt. Ein Brief der Marianne von Willemer
brachte 225 M. (Nr. 535), eine herrliche far-
bige Ansicht von Frankfurt (Nr. 554) 310 M.
und eine seltene Ansicht von Weimar (Nr. 563)
330 M.
manns „Zwei alte Bauern“ (Nr. 156) 290
eine romantische Rheinlandschaft von C. G.
Schütz d. Ae. (Nr. 253) 230 M.
Von den Porzellanen nennen wir das .
Nymphenburger Service (Nr. 358) mit 1440 M,
ein Hörold-Service (Nr. 359 b, e, g) mit 975 M,
ein Höchster Frühstücks-Service (Nr. 357) mit
210 M und eine Reihe von 11 Höchster Bis-
kuit-Figuren (Nr. 333—43) mit 320 M,
Sammlung August Wolff
München, Nachb. 5.—7. Nov.
(Vorb. in Nr. 43, S. 3)
In der Galerie Hugo Helbing fand
vom 5. bis 7. November die Versteigerung der
bekannten Sammlung August Wolff, Heidel-
berg, statt, die unter zahlreicher Beteiligung
von Sammlern und Händlern Deutschlands und
des Auslandes bei sehr reger Kauflust verlief.
Das Hauptinteresse galt vor allem dem Kunst-
gewerbe und der Kleinplastik, wofür zum Teil
überraschend hohe Ergebnisse erzielt wurden
und wovon folgende Preise besonders inter-
Cruikshank-Zeichnungen
London, Nachb. 2. Nov.
(Vorb. in Nr. 43, S. 5)
Die Versteigerung der Bibliothek J. H.
White durch S o t h e b y , die ein Gesamt-
ergebnis von £ 3612 brachte, beanspruchte
durch ihre Serien von Originalhandzeich-
nungen Cruikshanks ein besonderes Inter-
esse. Die besten Blätter erzielten £ 270 und
wurden von Rosenbach erworben, der neben
Seßler auch für die kleineren Stücke, die zwi-
schen diesem Preise und £ 100 schwankten,
als Hauptkäufer auftrat. Am teuersten stell-
ten sich sechs Aquarelle, Vorlagen für eine
Buchillustration (Nr. 312), die Seßler für £ 460
erwerben konnte.
Bücher, Manuskripte
London, Nachb. 9.—10. Nov.
(Vorb. in Nr. 43, S. 5)
Auf der Buchversteigerung bei S o t h e b y
& C o. am 9.—10. November, die ein Gesamt-
ergebnis von etwa £ 6400 brachte, erzielten
ein für den Grafen Peter Ernst von Mansfeld
in den fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts
gearbeiteter Pariser Bucheinband £ 520
(Nr. 192, G. Wells), — Audubons Werk über
„The birds of America“ (1828—33) £ 340
(Nr. 417, B. F. Stevens), — eine Serie von
Landschaftsskizzen des Generals Warre aus
Kanada £ 280 (Nr. 423, Spencer) und ein Brief
von Robert Burns £ 360 (Nr. 502, Stevens).
Das Heim
eines Kunstsammlers
Zu den Sehenswürdigkeiten Düssel-
dorfs auf dem Gebiete alter Kunst und
Wohnkultur darf neben der Staatlichen Kunst-
akademie vor allem die Sammlung Arthur
H a u t h gerechnet werden, die in einem der
vornehmsten Bürgerhäuser des ausgehenden
18. Jahrhunderts untergebracht ist und in ihrer
Verbindung von schlichter wohnlicher Intimität
und Sammlung ein seltenes Beispiel jenes alten,
heute beinahe verschwundenen rheinischen
Sammlungstyps darstellt. Mit seltenem Ge-
schmack ist hier der Versuch verwirklicht,
Aus der Gemäldesammlung Arthur Hauth, Düsseldorf
Schlafzimmer im Hause Arthur Hauth, Düsseldorf
Gemälde, Keramik
Frankfurt a. M., Nachb. 10.—11. Nov.
(Vorb. in Nr. 45, S. 3)
Die Versteigerung der Sammlung E. G. May
Erben und einer Keramik-Kollektion im
Kunsthaus Heinrich Hahn brachte
bei gutem Absatz befriedigende Preise. Die
Originale zu Peter Beckers „Rheinalbum“
(Nr. 54) erzielten 1630 M, zwei Landschaften
von Peter Burnitz (Nr. 78/79) 540 bzw. 486 Jl,
Deikers Jagdbild (Nr. 88) 460 M, H. v. Kauff-
essieren dürften: Nr. 35, Apothekeneinrichtung
1600 M, — Nr. 64, Synagogenleuchter 1850 M,
—-Nr. 65, Chanukkah-Leuchter 950M, — Nr. 73,
Büstenaquamanile des 12./13. Jahrh., 8500 oÄ
(Abbildung in Nr. 43 der „Weltkunst“),
— Nr. 169, Casula von 1570, 1450 M, —
Nr. 245, Schmucktruhe 1350 M, — Nr. 246,
Kabinettkasten 350 M, — Nr. 270, Säulen-
schrank 600 M, — Nr. 277, Nußholzkommode
300 <///, — Nr. 282, Tisch 300 M, — Nr. 449,
Buchsfigur von Faydherbe 2000 M, — Nr. 669,
Paar Porzellanvasen 1100 M.
Preisbericht in Nr. 47, S. 6.
Werke der Möbelkunst, der Skulptur, Malerei
und des Kunstgewerbes zu einer dekorativen,
selbstverständlich wirkenden Einheit zu ver-
schmelzen, ohne irgendwo den Eindruck der
„Kunstkammer“ zu erwecken. Vermag so be-
reits das langsam und organisch gewachsene
Ensemble im höchsten Grade zu reizen, so in-
teressieren im einzelnen ebenso die hoch-
rangigen Kunstwerke. Heimisches Mobilar
(Abbildung oben) des 16. und 17. Jahr-
hunderts hat hier eine besondere Pflegestätte
gefunden. Die Plastik umfaßt qualitätvolle
rheinische und schwäbische Arbeiten vom
LITERATUR
K ataloge
D. u. L. de Meuleneere, Brüssel
.Der ers.e Katalog 1932 de« Brüsseler Antiquariats
Zeigt ein außerordentlich vielseitiges und interessantes
Material alter und neuer Graphik an. Voran seien
u;e Abiei.ungen eng.neuer und französisener
Kupfer- und Farbstiche des 17 und 18. Jahrhunderts
'ebenen und gesuchten B'äftern der Porträt-
Stichserien, der frühen Lithographien, der jnteressan-
'l'u oa.uai.ung vjn KjS.u...b-ä.^rn. Karikaturen,
gportb.ätter u. a. Außerordentlich reichhaltig die
Gruppe Topographie', daruner auch viele deut-
sche Ansichten von Wert.
Leo Licpmannssohn, Berlin
Zwei neue Kataloge des bekannten Berliner Anti-
quariats Leo Liepmannssohn bringen wiederum wich-
"gSces ii.usikwisscn>schaiii.icne.s lu-u.ia. m seuön ab-
gerundeten Beständen. Katalog 223 verzeichnet unter
i em Titel ..Musikbibliographie und No-
vation“ Werke zur Bibliographie, Buch- und Hamd-
8,ehr,iftenkunde. Musiklexika und -kataloge. Noten-
''nrit‘ rnd Notendruck Das wert' -"ste S'ück ist
Petrus Tritonius Erstausgabe der „Melopoiae“
,°n 15Q7, verlegt von dem ersten deutschenNotenbuch-
se)Uc!ier Erhard öglin, mit zwei interessanten Holz-
jCllmtten Behr beachtenswert em handschriftliches
-'autenbuch des frühen 17. Jahrhun lerts von Joachim
Van den Hove.
Der Katalog 224 bringt Lite-n'u- ’ur Musik-
UnriS ? h i 0 h t e , speziell zur Geschichte der Oper
Rah <<S Theaters, ferner exotische ...usm, Gesamtaus-
8ehn musikalischer Klassiker und Musikzeitschriften.
Qr gesuchte Werke werden in dem bibliographisch
wie immer einwandfrei bearbeiteten Katalog zu sehr
mäßigen Preisen angeboten.
Bücher
Es gingen bei uns ein:
Hermann Schmitz, Revolution der Gesinnung. Preu-
ßische Kulturpolitik und Volksge-
meinschaft seitdem 9. November 1918.
248 Seiten und 8 Tafeln. Im Selbstverlag,
Neubabelsberg, Bismarckstr. 2. (Geb. 4 M.,
br. 3 M.)
Sammler-Fibel
Kocks Sammler-Fibel. Neue umgearbeitete und be-
trächtlich erweiterte Auflage der „Illustrierten Por-
zellan-, Kunst- und Antiqüitäten-Fibel“, hgg. von
C A. E. Kock. 145 S., 43 Abb. Verlag Franz
Leuwer, Bremen, 1932.
Dieses kleine und kenntnisreiche Handbuch ver-
einigt auf knappem Raume vieles, was auch dem er-
fahreneren Sammler wissenswert erscheinen dürfte.
Als Nachschlagewerk erweist es sich besonders für
die verschiedenen Gebiete des Kunstgewerbes nütz-
lich. Der Verlag hat dem Band eine gediegene Aus-
stattung zuteil werden lassen. Wr—
Die menschliche Bewegung
Dr. Karl Gaulhofer: „Die Fußlialtung, ein Beitrag zur
Stilgeschichte der menschlichen Bewegung“.
Bücherreihe der wissenschaftlichen Gesellschaft für
körperliche Erziehung. Band I. 272 Seiten. Mit
124 Abbildungen. Rudolphsche Verlags-
anstalt, Kassel 1930. (Preis: geb. 10,20 X)
In fünf Abschnitten hat Ministerialrat Dr. Gaul-
hofer diese Abhandlung über eine der Grundbedin-
gungen menschlicher Körperhaltung geteilt, die von
einem kurzen Kapitel „Fragestellung“ eingeleitet
und mit einer Zusammenfassung „Schlußfolgerungen“
beendet werden. Durch historisch einwandfreie Be-
lege schildert der Verfasser die Entwicklungen:
I. der Stellung des Kriegers, II. des Fechters, III. des
Tänzers und IV. der Grundstellung des Turners.
Interessant ist die Gegenüberstellung deutscher und
schwedischer Überlegungen zur Formung dieses
letzten Kapitels, deutscher Bestrebung: durch
äußerste Straffung Selbstdisziplin zu fördern — und
schwedischer Folgerung: durch Straffung physische
Ausarbeitung der im Alltag verbildeten Muskulatur
zu erreichen. Populär wissenschaftlich ist der an-
schließende Abschnitt über: V. Die Fußhaltung im
medizinischen Schrifttum, voll anregender Hinweise
auf alte und neue Forschungen. Die „Schlußfolge-
rungen“ geben endlich einen zusammenfassenden
Überblick über die historische Selbständigkeit
Deutschlands auf diesem Gebiet und enden in einen
Ausblick sportlicher und gesundheitsfördernder Hal-
tungserziehung. v. Oe.
Die Freimaurer
Eugen Lenlioff: „Die Freimaurer“. 500 Seiten und
156 Bildtaf. Amalthea Verlag, Zürich-Leip-
zig-Wien. (Geh. 14,— M., geb. 18,— M.)
Eugen Lenhoffs Werk über „Die Freimaurer“ ist
eine umfassende Darstellung der Entwicklungsge-
schichte durch alle Buntheit der Mysterienbünde des
Altertums und Mittelalters. Historische Tatsachen oe-
handelt dieses Buch, widmet sich dann dem inneren
Aufbau, den ethisch-philosophischen Grundideen und
vermeidet schließlich nicht die Erwähnung und Be-
gründung vieler Streitfragen und Anfeindungen. Es
fesselt den Leser durch seinen klaren, objektiven Auf-
bau und vermittelt ihm eine Fülle interessanter Schil-
derungen aus der Stellungnahme einer großen Anzahl
bedeutender Persönlichkeiten für und gegen den
Orden.
14. Jahrhundert bis zur Renaissance, unter den
Gemälden (Abbildung unten) findet man
als Hauptstücke ein großes Altarwerk von
Crivelli, eine Madonna von Barend van Orley,
Bildnisse Luthers und seiner Frau von Lukas
Cranach, ein Porträt der seltenen Jan Joest
van Calkar u. a. Unsere Abbildungen geben
einen kleinen Einblick in den Organismus die-
ses Sammlerheims, das eine Zierde der rheini-
schen Kunststadt bildet.
Sind Kunst-
akademien nötig?)
Es ist höchste Zeit, daß diese Frage einmal
ernstlich diskutiert wird. Sehr verdienstvoll
hat der Maler Lamm das Thema in „Kunst
und Künstler“ (Jahrgang 30, Heft II) behan-
delt. Das Resultat seiner Betrachtungen ist
für die Kunstakademien einfach niederschmet-
ternd. Dabei spricht er nur — allerdings sehr
markig und gescheit — das aus, was jeder, der
einen Pinsel führt, schon seit immer weiß. Die
Akademien gehören, nach Ansicht aller Maler,
die ich kenne — sagen wir, fast aller, damit
mir daraus nicht ein Strick gedreht wird — zu
den unnötigsten Dingen der Welt, und zwar L,
weil das, was man dort lernt, schon immer
etwas Falsches war (sei es Klassizismus, Natu-
ralismus oder Individualismus), II. weil man
selbst, lernte man dort etwas Richtiges, heute
nichts mehr mit dem Erlernten anfangen kann.
Ich empfehle allen, die über das Thema noch
nicht nachgedacht haben, die Lektüre des
Lammschen Aufsatzes. Aus Eigenem will ich
hinzufügen:
Durch die Gründung der Akademien ist die
Kunst zu einer offiziellen Angelegenheit ge-
worden. Man könnte nun sagen: ebenso wie
der Staat die jungen Leute in Physik, Ma-
thematik und Englisch gratis (oder fast)
unterrichtet, kann er sie natürlich auch malen
lehren (oder muß es sogar). Das ist aber
falsch, denn ein Mensch wird doch nicht, wenn
er Mathemathik, Physik oder Englisch lernt,
auf jeden Fall Mathematiker, Physiker oder
Englischphilologe werden. Aber wer auf der
Akademie die Malerei absolviert hat, taugt ge-
wöhnlich zu gar nichts anderem mehr, als sein
ganzes Leben Bilder zu malen. Man hat syste-
matisch ein unbeholfenes, weltfremdes Men-
schenkind aus ihm gemacht, dem niemand
weiterhilft. Man hat ihn eine Sprache gelehrt,
die niemand verstehen will, man hat ihm eine
Kunst beigebracht, über die sich vielleicht
mancher amüsiert, für die man aber, Gott be-
hüte, auch nicht einen Sechser ausgeben wird.
Früher mußte man sich auf der Akademie
schon nach den ersten Semestern entschließen,
ob man Landschafts-, Porträt- oder Historien-
maler werden wollte. Man wurde also schon
als junger Mensch in gefährlicher Weise spe-
zialisiert. Heute ist es allerdings anders. Man
lehrt jetzt vielfach nicht mehr Bäume, Him-
mel, Köpfe, Hintergründe, Blumen malen, son-
dern soll dem Lehrer in die Gefilde einer unob-
jektiven Phantasiewelt folgen, in der es kein
unten und kein oben, und überhaupt keine er-
kennbaren Gesetze mehr gibt, und in der der
Jünger sich nun unbeschwert von Kritik (wer
sollte sie üben können) oder Selbstkritik
(warum sollte man sie üben, wenn es auch
ohne sie geht) herumzutummeln hat. Man
kann sich den Kuddelmuddel vorstellen, den
diese „neuzeitliche“ Einstellung in den wachs-
weichen Gehirnen der grünen Musenjünger an-
richtet. Ihre Ideale sind meistens jetzt nicht
mehr Können, Geschicklichkeit, Beobachtungs-
gabe, Kenntnisse, Technik, Erfahrung usw.,
sondern heißen kurz und bündig: Wie werde
ich berühmt, oder wie erziele ich in der kür-
zesten Zeit durch die kleinste Anstrengung
den größten Erfolg?
Jeder muß dem Maler Lamm recht geben,
wenn er sagt: „Lehrbar ist in der Malerei wie
überall nur das Objektive.“ — Und dann wei-
ter: „Alles Subjektive, die „Auffassung“, die
persönliche Wertung des Objekts, die persön-
liche Verwendung der Mittel, alles, woraus am
Ende die Bedeutung des Kunstwerks hervor-
geht, — ist nicht lehrbar, ist sogar nur meta-
phorisch diskutierbar: denn Kunst fängt erst
da an, wo alle anderen Verständigungsmittel
aufhören.“
Die Kunstakademien lehren also entweder
Unbrauchbares oder Unlernbares. Das objek-
tive Können wird nicht geschätzt, und die Per-
sönlichkeit kann man niemand beibringen.
Daß zu einer Zeit, wo es noch keine Photo-
graphie gab, wo also der Beruf eines Natur-
nachmalers oder -schilderers noch einem all-
gemeinen Bedürfnis entsprang, dieser von
Staats wegen gelehrt wurde, kann man ver-
stehen. Aber heute, wo die bildende Kunst vor
allen anderen brotlos geworden ist, wo das An-
gebot sich zu Bergen häuft, während man die
Nachfrage auf der Brief wage wiegen kann,
wo die Menschen zum überwiegend größten
Teil aus sturen Kunstbarbaren bestehen, mit
einem kleinen Fähnlein überzüchteter, über-
snobter Ästheten, ist es direkt sträflich, immer
wieder Geld auszugeben, um neue Menschen
einem Beruf zuzuführen, in dem schon sowieso
Tausende ganz oder halb verhungern.
Man begreift vielleicht noch, daß der Staat
eine gewisse Kontrolle über die Ausbildung der
Musiker ausüben will, trotzdem die meisten
Akademiker ja auch als Kaffeehausmusikanten
enden. Daß er sich aber verpflichtet fühlt,
entweder für eine kunstfeindliche Masse oder
für die perversen Launen einer dünnen Ober-
schicht seine Künstlerbrutanstalten noch im-
mer am Leben zu erhalten, ist nur aus dem
physikalischen Gesetz der Trägheit zu er-
klären. Walter Bondy
*) Zuschriften zu diesem Thema werden wir, so-
weit Raum verfügbar, gern veröffentlichen. Die Red.