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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 51/52 (20. Dezember)
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2

DIE WELTKUNST

Jahrg. V', Nr. 51/52 vom 20. Dezember 1931

Das letzte Quartal 1931 läuft mit dieser
Nummer ab. Wir bitten, die Abonnements-
gebühr für das I. Quartal 1932 im Betrage von
4,50 RM (für Deutschland) oder 5,50 RM (für
das Ausland), bzw. für das erste Halbjahr
9,— (resp. 11 RM) oder für das ganze
Jahr 1932 RM 18,— (resp. Rif 22,—) b i s
zum 6. Januar 1932 einzusenden. Wir wer-
den uns andernfalls erlauben, den Quartals-
betrag durch die Post nachnehmen zu lassen.
Eine Zahlkarte liegt dieser Nummer bei.
WELTKUNST-VERLAG
G. m. b. H.

das Selbstporträt aus dem Jahre 1658 und der
sog. „Polnische Reiter“ (früher Sammlung Tar-
nowsky, Polen) hervor, doch gehört auch das
Porträt eines Malers (1648) unter Rembrandts
bedeutende Werke. Der seltene Delfter Meister
Vermeer ist mit drei Interieurdarstellungen
vertreten, darunter dem „Liebesbrief“ der
früheren Sammlung James Simon-Berlin; an
ihn reihen sich die sog. Kleinmeister Metsu,
Terborch, Hobbema u. a. m. In der Zahl gerin-
ger sind die Werke der spanischen Schule,
doch befinden sich gerade unter diesen manch
erlesene Perlen. Das Porträt Philipps IV. von
Velasquez aus dem Jahre 1644 nennt Mayer
mit Recht eine Symphonie in Rosa und Silber.
Die leidenschaftliche Malweise Grecos finden

wir in vier Werken, darunter dem herrlichen
Porträt des Kardinals Ximenes. Mit Goya
(zwei Porträts und die „Schmiede“) und mit
einem Selbstbildnis Murillos schließt die Reihe
der großen Spanier. \
In keiner amerikanischen Sammlung dürfen
die Engländer des 18. und 19. Jahrhunderts
fehlen, und so finden wir auch hier Haupt-
werke von Gainsborough, Raeburn, Reynolds,
Lawrence, Constable und Whistler. Die ein-
schmeichelnde Malerei Frankreichs findet in
Boucher, Laueret, Ingres und den Meistern von
Barbizon ihre Vertreter; am bedeutendsten
darunter sind die 14 Wandtafeln, welche Fra-
gonard im Auftrage der Madame Dubarry für
ihr Schloß in Grasse ausführte.

Italienische Plastiken und Bronzen der Re-
naissance, unter welchen die Marmorbüste der
Beatrice d’Aragon von Laurana und Statuet-
ten Donatellos und Pollajuolos besonders be-
merkenswert erscheinen, französische Emaille-
arbeiten, Goldschmiedewerke deutschen und
italienischen Ursprungs, Möbel und Tapisse-
rien vervollständigen die Einrichtung des
Heimes dieses großzügigen Kunstfreundes.
Für den Forscher besonders wertvoll ist eine
Spezialbibliothek, in welcher außer der um-
fangreichen Kunstliteratur eine Photographien-
sammlung vereint ist, welche nach dem Muster
jener des Sir Robert Witt in London aufgebaut
wurde und zweifellos auch der Allgemeinheit
zugänglich gemacht werden wird.

Form gefunden haben, über unsere Bildungs-
anstalten, denen immer noch die charakteristi-
schen Merkmale der Kultur des 19. Jahrhun-
derts anhaften, hinauszukommen, und daß sie
einen Weg beschreiten, der zu den Volks-
museen der Zukunft führen kann.
Die Sammlung
H.C. Frick, NewYork
Von Franz Drey
Gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts
begannen die Vereinigten Staaten von Nord-
amerika der stärkste Faktor am Kunstmarkt
zu werden. Unter den großen Sammlern rag-
ten vier Männer empor, welche keine Mittel
scheuten, um sich das Beste an Bildern und
Kunstwerken zu sichern: John Pierpont Mor-
gan, Joseph Widener, Benjamin Altmann und
Henry C. Frick. Die Sammlung Morgan ist
zum größten Teil dem Metropolitan-Museum,
NewYork, als Vermächtnis zugefallen, ebenso
ist dort die Sammlung Altmann in einem eige-
nen Flügel bewahrt. Die Sammlung Widener
ist in Philadelphia auf schriftliches Ansuchen
zugänglich und wird nach dem Tode des
Sohnes, welcher die Sammlung von Schlacken
gereinigt und durch eigene Ankäufe bereichert
hat, der Stadt Philadelphia zufallen. Ähnlich
wie Widener hat auch Henry C. Frick über
seine Sammlung in der Weise verfügt, daß
sie nach dem Ableben seiner Frau der Stadt
NewYork als öffentliche Sammlung erhalten
bleiben soll, und zwar zusammen mit einem
Fonds von 15 Millionen Dollar für Instandhal-
tung und Neuankäufe. Dieser Fonds hat sich
seit dem Tode des Pittsburger Stahlmagnaten
(1919) um weitere 4 Millionen Dollar vermehrt.
Am 3. Oktober ist die Sammlung durch das
Ableben von Mrs. Frick nun in den Besitz der
Stadt NewYork übergegangen, und damit ist
ihr ein Kunstbesitz zugefallen, welcher sich
durch die Qualitäts- und Geschmackshöhe wohl
mit der Wallace-Collection vergleichen läßt.
Im vornehmen Wohnteil der Fifth Avenue,
gegenüber dem Central-Park, liegt das nach
eigenen Plänen des Sammlers gebaute Haus
wie eine Insel inmitten der vielstöckigen
Wohnpaläste. Auf erhöhter Terrasse, hufeisen-
förmig, zeigt es den eleganten Stil des fran-
zösischen 18. Jahrhunderts. Die Einteilung der
Räume und Aufstellung der Kunstwerke hat
nichts Museuniartiges; sie ist vom vornehmen
Geschmack eines feinsinnigen Kunstfreundes
beherrscht. "Wir müssen uns darauf beschrän-
ken, nur die bedeutendsten Werke dieser
Sammlung aufzuzählen und dabei auf die
Reichhaltigkeit derselben hinzuweisen. Die
deutsche Kunst ist mit zwei Werken Holbeins
d. J. vertreten, den Porträts des Sir Thomas
More und des Sir Thomas Cromwell. Reich-
haltiger zeigt sich die italienische Schule,
deren frühestes Werk ein Gemälde von Duccio
ist, welches ursprünglich zur Predella des Al-
tars des Meisters im Museo dell’Opera del
Duomo in Siena gehörte (Abb. S. 8).
Eine Krönung Mariae, signiert von Paolo
da Venezia, entstammt der Sammlung
Hohenzollern-Sigmaringen; der frühvenezia-
nischen Schule gehören ferner an eine
Kreuzabnahme von Antonella da Messina, das
Profilporträt des Dogen Vendramin von Gen-
tile Bellini (Abb. S. 1) und ein Hauptwerk
des Giovanni Bellini, der hl. Franziskus in
reicher Landschaft. Von Tizian sehen wir
zwei Werke, das Bildnis eines Mannes mit
roter Kappe und jenes farbenreiche Porträt
des Pietro Aretino. Der vlämischen und hol-
ländischen Kunst hat Frick großes Interesse
entgegengebracht. Von van Dyck enthält die
Sammlung nicht weniger als neun Porträts,
worunter Hauptwerke aus des Meisters genue-
sischer und englischer Epoche, von Frans Hals
drei Bildnisse. Unter den vier Rembrandts ragt

Inhalt Nr. 5i/5a

Dr. R. Wi'ttkower:
Museumspolitik in Rußland. . 1/2
Franz Drey:
Die Sammlung H. C. Frick (m. 2 Abb.) . . 2
Dr. G. Fr. Stieger und Dir. Dr. G. F. H a r t-
1 a u b : Kunstkrisis der Gegenwart ... 2
Dr. W. Mautner:
Vom Menschen und Maler Petar Dobrovic
(m. Abb.). 2/3
Dr. A. S a 1 m o n y :
Neues über östliche Kunst in russischen
Museen V: Tiflis (m. 3 Abb.).3/4
Florent Fels:
Interviews im Atelier XV: Friesz (m. 2 Abb.) 3, 7
L. F. Fuchs:
Die Schale der Kaiserin Beatrix (m. Abb.) 4
Auktions-Kalender . . . . . . 5
Auktionsvorberichte. 5
Auktionsnachberichte .5, 7
Ausstellungen der Woche . . . 6
Preisberichte — Literatur — Rundfunk .... 6
Dr. St. Poglayen-Neuwall:
Wiener Ausstellungen. 7
Nachrichten von Überall (m. Abb.) 8
Unter Kollegen. 8

Kunstkrisis der Gegenwart
Eine Entgegnung
Von Dr. G. Fr. Stieger, Basel

Der Beitrag von Dir. Dr. G. F. H a r 11 a u b
zum Problem „Kunstkrisis der Gegenwart“
(Nr. 41)*) hat eine Entgegnung von Herrn Dr.
G. Fr. Stieger auf den Plan gerufen, die
wir hier zusammen mit der Erwiderung Di-
rektor Hartlaubs wiedergeben.
Der Aufsatz von Hartlaub unter obigem
Titel gibt Anlaß zur Stellungnahme, da. ein
praktischer Vorschlag des Verfassers, um die
Krisenzustände der heutigen Zeit zu beseiti-
gen, geeignet ist, eine wirkliche Gefahr für
die Kunst unserer Zeit zu werden, und so aus
fruchtbarer Kunstkrise höchstens noch Krisen-
kunst zu machen. Erfreulich in dem Artikel

mung erweisen für die freie Persönlichkeit,
für das Einzelindividuum, für die frei für sich
existierende und in sich ruhende und nur
durch sich selbst entwicklungsfähige Psyche
des schaffenden Künstlers.
Der Gedanke Hartlaubs mag sich vielleicht
hier und da günstig auswirken, zur These er-
hoben würde er verheerend sein.
Mit tiefer Bedeutung und Notwendigkeit
wird zwischen Künstler und Kunstgelehrten
unterschieden. Der Sprachgebrauch und die
große Allgemeinheit empfinden die Wesens-
verwandtschaft, aber auch die Wesensunter-


Petar Dubrovic, Landschaft — Paysage — Landscape

ist nur der Anfang und die beiden Schluß-
sätze, denn sie treffen Wesentliches zur heu-
tigen Lage. Scharf abzulehnen ist der ganze
vorletzte Absatz; er beruht auf einer Ver-
kennung des wahren Sachverhaltes, denn wir
wollen keine Kunst, die für das Museum ge-
schaffen ist, keine Kunst, die von Verwal-
tungsbeamten und Kommissionen gutgeheißen,
protegiert und gezüchtet wird. Nach dem
Vorschlag von Hartlaub wäre Kunst nur das,
was ein kleiner Kreis als Kunst bestehen läßt.
Wäre der Vorschlag von Hartlaub vor 50 bis
60 Jahren durchgeführt und dauernd in Gel-
tung, so wären heute noch Erscheinungen wie
Gauguin, van Gogh und andere wahrschein-
lich unbekannt, und es hätte nur den Vorteil,
daß Museen heute davor behütet würden,
Hunderttausende auszugeben, um „auch“
einen van Gogh oder „auch“ einen Gauguin
zu besitzen.
Gerade freie Vereinigungen, Kunstvereine
und Kreise von unabhängigen Menschen
haben den Kampf für diese Gestalten auf-
genommen, haben ihre Lasten und Opfer ge-
tragen. Diese Institutionen sind durch ihre
breite Basis von Mensch zu Mensch geeignet,
an dem Punkt anzusetzen, wo wahre Kunst
gedeihen kann, im freien Wettbewerb, im
Durchkämpfenmüssen der eigenen Person.
Viele Kunstwege, besonders der modernen
Kunst, sind im wesentlichen gegangen worden
nicht mit den Museen, sondern trotz der
Museen. Vor Kunst, die „eine gewisse be-
schränkte Suggestion“ auszuüben vermag,
wie „Museen“, „die heute noch die relativ
meiste Autorität haben“, bewahre uns der
Himmel. Gerade Suggestion, und sei sie noch
so beschränkt, ist das, was im Kunstschaffen
am wenigstens zu gebrauchen ist. Die nächste
logische Folge aus dem Standpunkt Hartlaubs
findet ihren äquivalenten Ausdruck in Ruß-
land, wo der Staat die Auswahl trifft aus
den Werken und bestimmt, was als Kunst zu
gelten habe. Hartlaub verkennt seinen Auf-
gabenkreis. Sein Weg würde sich als Hem-
*) Vgl. die unter dem Gesamttit.el „Krise der
modernen Kunst“ in der „Weltkunst“ er-
schienenen Beiträge von Dr. A. Gol d, W. Bondy,
Dr. II. W. Leisegang, Dr. K. Kusenberg,
Dr. E. v. S y d o w , Prof. Dr. J. Baum, Dir. Dr.
Frh. Schenk zu Schweinsberg, Hofrat Dr.
II. T i e t z e und Prof. Dr. II. B e e n k e n.

schiede. Hartlaubs Vorschlag hilft nicht dem
Künstler und nicht dem großen weiten Publi-
kum, dem die Beschäftigung mit Kulturwerten
und dem Einleben in denselben und dem
Leben mit ihnen ein Bedürfnis ist, die die
Musik von Malerei und Bildhauerkunst erleben
und ihre Partituren nicht nur lesen, sondern
auch empfinden wollen. Das Podium, auf
dem die Museen stehen, ist ein grundsätzlich
anderes als das der Kunstvereine. Etwas
paradox gesagt: das Museum will System, der
Kunstverein Systemlosigkeit. Ihr Aufgaben-
kreis unterscheidet sich wie schwarz und weiß,
wie Tag und Nacht. Und das ist gut so; denn
auch diese beiden letzten gehen ineinander
über und wechseln sich ab, das heißt, sie
übergeben rechtzeitig und notwendig einander
ihre Aufgaben. Das Feld der Kunstvereine
ist ein Kampffeld, auf dem jeder seinen Platz
hat, in dem irgendein Funke der Begeisterung
glüht, jeder stehen soll, dem die bildende
Kunst Ausdruck wahren Menschentums ist,
auch einen Weg darstellt, um Würde und
Weihe in seine eigene Lebensarbeit zu tragen.
Der Kunstverein ist aber auch ein Podium, auf
dem jeder sich so gut blamieren kann, wie es
ihm gefällt, und wenn auch nur insofern, daß
eine Mehrzahl glaubt, der Betreffende habe
es getan. Die Tatsache, daß Kunstvereine
existieren, ist gleichbedeutend mit dem Vor-
handensein pulsierenden, gegenwärtigen Le-
bens, und in diesem Sinne steht ein Kunstver-
ein mitten unter den zahlreichen anderen
Künstlervereinigungen und anderen Gesell-
schaften, die sich zu der eben skizzierten An-
sicht bekennen.
Da Hartlaubs Vorgehen der Kunst nicht
naturgemäß ist, wird er auch keinen Erfolg
haben. Es ist aber wichtig, Umwege in ihrer
Vergeblichkeit rechtzeitig zu erkennen, beson-
ders heute, da, wie auch Hartlaub meint, uns
„vor allem Geld fehlt“, aber — noch mehr
Seele.
*
Herr Dr. Stieger hat meinen Aufsatz „cum
ira et studio“ gelesen. Er hat oberflächlich
gelesen und verschiebt die Akzente.
1. Ich habe keinen praktischen Vorschlag,
um den Krisenzustand zu beseitigen, gemacht.
Im Gegenteil schrieb ich, daß sich „nichts
unternehmen lasse, was unmittelbar und sofort

hilft“, am wenigsten organisatorische Maß-
nahmen äußerer Art.
2. In einer der nächsten Nummern des
„Pantheon“ äußere ich mich ausführlich zu
der Frage, ob, wie und warum bestimmte
Museen Kunst der Lebenden, Kunst der Jungen
sammeln und ausstellen sollen. Damit wird
nicht die Kunstkrisis behoben, aber es wird
den Kunstfreunden und Sammlern Anregung
gegeben, es wird manchem ringenden Künstler,
den ein guter Museumsleiter frühzeitig aufzu-
spüren hat, wirtschaftlich geholfen. Ich stelle
hier fest, daß Herr Stieger den Museen das
Sammeln junger Kunst verbieten will. Er hält
also für wertlos, was man in den Sammlungen
von Hagen, Chemnitz, Mannheim, Köln, Essen,
Zürich, Berlin u. v. a. gerade für junge, nicht
„arrivierte“ Kunst getan hat und tut, sei es
durch Ausstellungen, sei es durch Erwerbun-
gen. Museum soll für ihn unbedingt so etwas
sein wie Mausoleum. Für mich gehören Mu-
seen „dem großen breiten Publikum, dem (wie
Herr Dr. Stieger in bemerkenswertem Deutsch
schreibt) die Beschäftigung mit Kulturwerten
und dem Einleben in dieselben und dem Leben
mit ihnen ein Bedürfnis ist“. Und gerade
darum dürfen sie die Gegenwart nicht vernach-
lässigen.
3. Kunstvereine hätten den Kampf für Ge-
stalten wie van Gogh und Gauguin frühzeitig
aufgenommen? Den Beweis dafür bleibt Herr
Stieger noch schuldig. Fest steht jedenfalls,
daß Museumsleiter wie Pauli in Bremen, Ost-
haus in Hagen, Tschudi in München, van Gogh
gekauft haben unter schärfstem Widerspruch
der Öffentlichkeit lange vor dem Kriege.
4. Über die Kunstvereine und ihre heutigen
Aufgaben habe ich mich an anderer Stelle aus-
führlich ausgesprochen, und ich möchte von
mir aus die Erörterung darüber nicht noch ein-
mal aufnehmen. Es gibt ausgezeichnete Kunst-
vereine in Deutschland; heute scheinen es o f t
diejenigen zu sein, die in einer gewissen Per-
sonalunion mit den öffentlichen Museen
arbeiten, ihnen einen Kreis von teilnehmenden
Kunstfreunden schaffen, aus denen auch
Sammler hervorgehen. Was aber so manche
Kunstvereine angeht, die auf Grund allge-
meiner Abstimmung, um es möglichst jedem
Mitglied recht zu machen, nach dem Prinzip
jener „Systemlosigkeit“ verfahren, welche
Herrn Dr. Stieger so entzückt, so glaube ich,
daß diese Form eines bürgerlichen Liberalis-
mus in der Kunstpflege abgewirtschaf-
tet hat und daß bei einem solchen „freien
Spiel der Kräfte“ meistens nur die geschickte
und anpassungsfähige Mittelmäßigkeit
triumphiert. Die Kunstvereine „ein Kampf-
feld, auf dem jeder seinen Platz hat“ ? Ihre
Existenz gleichbedeutend „mit dem Vorhanden-
sein pulsierenden gegen wä r t i g e n Le-
bens“!? Mir scheint, das ist etwas viel; —
aber wir wollen hoffen, daß es so ist.
Dr. G. F. Hartlaub

Vom
Menschen und Maler
Petar Dob rovic
Nach der deutschen Kunstausstellung in
Jugoslawien darf eine kurze Betrachtung
über Jugoslawiens führenden zeitgenössischen
Maler in Deutschland auf Interesse rechnen.
Das ist der in Dalmatien arbeitende, einer
jüngeren Generation als der in Agram wir-
kende kroatische Bildhauer Mestrovic und der
in Laibach schaffende slowenische Architekt
Plecnik angehörige serbische Maler Dobrovic.
Die Red.
Mensch und Werk stimmen im Maler Petar
Dobrovic in nicht alltäglicher Weise überein.
Immer ist im Werk der leidenschaftliche
Mensch, oft im Revolutionär der Künstler zu-
rückzufinden. Immer beansprucht ein Tem-
perament, kaum gebändigt, neue Formen zu
suchen, die ihm und nur ihm angemessen sind;
immer ist es bereit, die gleiche Freiheit in der
Kunst jedem zuzugestehen. Darum muß es,
will es konsequent bleiben, auch im Alltag vom
Schema ab weichen. Das bedeutet nicht: Ab-
gleiten in ein Bohemetum, sondern ungestüme
Hingabe an ein künstlerisches oder ein soziales
Ideal, stürmisches Drängen, es zu verwirk-
lichen.
Da darf man nicht bang sein, mit seiner
Person zu bezahlen Der Maler lieferte den
Beweis und versuchte in den Tagen des
Grauens, des Geraunes und der Lügen über
die Schritte Sixtus’ von Parma durch einen
Umsturzversuch das Kommen des Friedens zu
beschleunigen. Der in der Vaterstadt des
Malers, Fünfkirchen — dort ist er als Sohn
einer wohlhabenden serbischen Familie ge"
boren — losbrechende Aufstand wird unter-
drückt, er selbst zum Tode verurteilt. Von
den Gefängniswochen sagt er: „In diesen Tagen
ist vieles von mir abgefallen; alles schwand.
Ehrgeiz, Eitelkeit. Nur eines blieb: leben zu
 
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