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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 51/52 (20. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44978#0483
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Jahrg. V, Nr. 51/52 vom 20, Dezember 1931

DIE WELTKUNST

7

(Fortsetzung der NaMerichte von Seite 5)
Münzen dieser alten Sammlung sowie eine
Sammlung ebenfalls bedeutsamer antiker
Serien eines ausländischen Numismatikers.
Sie erzielte ein für die heutige Zeit sehr be-
friedigendes Gesamtergebnis; von Einzel¬

resultaten nennen wir:
Nr. Griechen: M.
46 Tarent, Didrachmon.145.—
145 Gela, Tetraürachmon . 600.—
181a Syrakus, Tetradraobmon ..267o.—
164 iSel'inus, Tetradrachme . ..315—
240 Mende, Arch. Tetradrachme. 550.—
294 Macedonien, Andriscos. 340.—
520 Syria, Antiochus II.230.—
583 Judaea. Simon Makkabaeu-s.175—
695 Arsinoe, Goldoctadrachme. 380.—
845 Germe, Bronzemedailton ....... 445—
Römer:
1355 C- Vibius Varu®, Aureus. 320.—
1482 Nero, Sesterz.250.—
1638 Faustina Mater, Aureus.■ . 470.—
1690 Commodus, Aureus. 560.—
1696 Pertinax, Aureus. 625.—
1736 Caracalla und Geta, Aureus. 575.—
1739 MacTinus, Aureus.• 480.—
1681 Commodus, Bronzemedaillon. 540,—

Slg. Duc de Vendöme
Paris, Nachb. 4. Dez.
(Vorb. in Nr. 47, S. 7)
Die Versteigerung des Nachlasses Mgr. le
Duc de Vendöme in der G alerie Georges
Petit durch Mes Lair-D ubreuil und
A. Couturier sowie die Experten MM.
F e r al, Catroux, Schoeller und
Mannheim bildete mit dem unerwartet
hohen Gesamtergebnis von 1725 400 fr. eines
der sensationellsten Ereignisse der diesjährigen
Saison. Lamis „Entree de la Duchesse d’Or-
leans“ (Nr. 40, 87:151 cm, A bbildung in
Nr. 47 der „Weltkunst“) wurde von M. Ancel,
wahrscheinlich im Auftrag des Musee Carna-
valet, für 147 000 fr. ersteigert. Ein anderer
Lami (Nr. 41, 83 : 145 cm) gelangte für

Das Porzellan
und die Blume im Winter
Von der Staatlichen Porzellan-
Manufaktur Berlin wird in ihren Aus-
stellungsräumen am Bahnhof Tiergarten eine
reizvolle Ausstellung für die Freunde moderner
Wohnkultur gezeigt. Es ist sehr verdienstvoll,
daß diesmal nicht nur die großen Prunkstücke
für spezialisierte Porzellan-Sammler gezeigt
werden, sondern auch ein geschmackvolles
Klein-Porzellan, wie es für jeden käuflich ist.
Das Gezeigte ist besonders formschön und sehr
farbempfindlich, so daß es dem verfeinerten
heutigen Wohnungsgeschmack entspricht. Für
die Liebhaber von Kakteen ist auch noch eine
erfreuliche Neuerung herausgebracht, und zwar
ein poröser Einsatztopf für den farbigen Por-
zellankübel. Hierdurch wird die sonst immer
befürchtete Gefahr des Eingehens für die
Kakteenlieblinge durch Sauerwerden der Erde
restlos beseitigt. — Auch die einzelnen Ge-
brauchs-Service, von denen wir besonders das
Tierkreis- sowie das Tee-Service „Goldringe“
hervorheben möchten, sind sehr glückliche Lö-
sungen im Sinne unseres heutigen Geschmacks.
H.

Wiener
Ausstellungen
Unter der Fülle interessanter Ausstellun-
gen, die im Laufe dieses Monats eröffnet wur-
den, bietet die Schau österreichischer Malerei
im Hagenbund, ein Werk Dr. Nirensteins,
besonders bemerkenswertes Material. Es ist
gewissermaßen eine Parallelausstellung und


Blick in die Lehmbruck-Ausstellung
Galerie Alfred Flechtheim, Berlin

75 000 fr. ebenso wie ein Gemälde von Girardet
(Nr. 33, 83 :131 cm) für 32 500 fr. in das
Museum von Versailles. Wir verzichten auf
weitere Detailangaben, da wir in einer folgen-
den Nummer den vollständigen Preis-
bericht veröffentlichen.

Ergänzung der Ausstellung im Künstlerhaus
(vgl. „Weltkunst“, Nr. 48), über die sie inso-
fern hinausgeht, als die ältere, konservative
Kunst, die dort der neueren die Waage hält,
hier fast völlig ausgemerzt erscheint. Fast
alles, was in der österreichischen Kunst Namen

und Rang hat, ist zur Stelle: Kokoschka, Kubin,
Kolig, Floch, Harta, G. Ehrlich, Merkel, Kitt,
Dobrowsky, G. Frankl, Lerch, Pauser, Huber,
Zühlow, Sterrer, Laske, Jungnickel und noch
viele andere. Die Schau, deren Durchschnitts-
niveau ein ungewöhnlich hohes ist, krankt
freilich daran, daß man nicht immer Charak-
teristisches von der jüngsten Produktion der
Künstler erlangen konnte.
Jungnickel, der in der Schau
im Hagenbund mit einigen
Zeichnungen vertreten ist, gibt
bei Würthle einen Überblick
über sein graphisches Schaffen
in den letzten Jahren. Seine
Blätter geben Zeugnis von dem
Einfühlungsvermögen dieses
Künstlers in die Natur des
Tieres. Sie weisen gültige
Typisierungen der Wesensart
einzelner Gattungen: der schlan¬
ken Anmut der Gazelle, der
Grausigkeit des Tigers, des
Lauernden des Fuchses, der
Tapsigkeit des Affen. Tier-
schilderungen, die in ihrer
Wahrheit und naiven Drastik
wenig ihresgleichen haben.
Franz L ö w y zeigt in sei¬
nem Photographischen Atelier
einen Ausschnitt Pariser Mode-
kunst, auf die wir bereits in
Nr. 49 hingewiesen haben.
Schmissige Studien von van
Dongen, die aber, von der Pin-
selzeichnung eines Mädchens im
Unterkleid abgesehen, deren
Linienführung ihn als ge¬
schmackvollen und bedeutenden
Könner zeigt, ohne sonderliches
Interesse sind. Daneben sind
Zeichnungen und Graphiken von
Foujita, dem französischen Ja-
paner, zu sehen, denen ein ganz
absonderlicher Reiz eignet.
Überwiegt auch meist in der
Formung neoklassizistischer
Einschlag, so kommt doch in der
Subtilität und dem Vibrieren
des Striches der Japaner immer
wieder zum Vorschein. Foujitas
Selbstbildnis, seine sensiblen
Frauenköpfe zeigen die Innig-
keit der Durchdringung öst¬
lichen und westlichen Wesens in
seiner Kunst. In den Tier-
bildern, seinen Katzen und Hun¬
den, die vielleicht das Beste der
Schau sind, triumphiert der
spielerische Charakter ostasia-
tischer Kunst. Unwillkürlich
stellt man sich angesichts dieser
Blätter die Frage, welchen Auf-
schwung die Kunst Foujitas erst genommen
hätte, wenn er sie bloß an den Vorbildern
heimatlicher Kunst geschult hätte.
Bei O. N i r e n s t e i n (Neue Galerie)
sieht man neueres Kunstgewerbe: Wiener
Frauenkunst, ungarische Volkskunst, polnische
Kilims, drei in ihren Strebungen durchaus von
einander abweichende Kunstgebiete. Im Wiener
Kunsthandwerk vereinigen sich Materialgefühl
und modische Form zu Schöpfungen von höchst
apartem Reiz. In den ungarischen Arbeiten, die
ihre Neigung zu dekorativer Flächenfüllung
und ihr, bei aller Vorliebe für bunte Farben
ausgeprägter Sinn für Farbenharmonien kenn-
zeichnen, sehen wir ein Übernehmen der alten
Techniken und Motive, vom Kerbschnitt und
der Ornamentik der Holzschnitzereien (die noch
die gleiche ist, wie zur Zeit der Landnahme)

bis zu den Wirkereien mit ihren auf islamischen
Einfluß zurückgehenden Blumenmustern. Die
polnischen Kilims wieder greifen zwar auf die
überlieferte Technik des Wirkens mittels wag-
rechter Webstühle zurück, in ihrer Ornamentik
aber bevorzugen sie teils moderne Muster, teils
passen sie die überkommenen modernem Ge-
schmack an. Für die von der „Polski Przemyzl
Kilimkarski Kilim“ in Krakau (der bedeutend¬

sten Kilimwirkerei Polens) ausgeführten Ent-
würfe zeichnet eine Reihe gediegener Künstler,
wie Prof. Czajkowski, ferner der Begründer
und Leiter der Werkstatt, A. Holender (Ab-
bildung oben), von dem eines der effekt-
vollsten Stücke herrührt, B. Treter, die Szar-
lowska und Trzebinska-Bodzinska. A. Holender
ist auch der Erfinder des „Aho“ genannten
Garnes, dessen Grundfarbe infolge ungleich-
Abonnieren Sie die
_„WELTKUNST“
mäßiger Mischung schwarzer und weißer Wolle
und ungleichen Spinnens des Fadens unter-
schiedliche Nüancen aufweist, wodurch sich
eine eigentümlich vibrierende Farbenwirkung
ergibt. Dr. St. Poglayen- Neuwall


Alfred Holender, Kilim
Kunstgewerbliche Weberei Polnische Kilimindustrie
„Kilim", Krakau
Ausstellung — Exposition — Exhibition :
Neue Galerie (O. Nirenstein), Wien

(Fortsetzung von Seite 3)
herum, kopierte Veronese, Delacroix, entdeckte
hierauf mein Herz für Clouet, Fouquet, Corot
und selbst — eine etwas seltsame Bewunde-
rung — für den Baron Gros. Eines Tages
durchwanderte ich den Saal der Holländer, ich
war damals Soldat beim 27. Infanterieregiment
und hatte meinen freien Nachmittag, da be-
merkte ich plötzlich Camoin, Soldat wie ich,
der mit einem kleinen, verfrorenen Alten, mit
hochgestelltem Mantelkragen, sprach. Er be-
eilte sich, mich ihm vorzustellen: „Cezanne!“
Ich blieb stumm. Der Alte sprach noch einige
Worte, und während er sich verabschiedete,
sagte er:
„Ja, ja . . . die alten Meister. Man soll sie
immer wieder besuchen, um sie zu bewundern,
sie zu befragen . . . und dann, wenn man
wieder draußen ist, pst! ... dann muß man
sie vergessen!“ Das deckte sich merkwürdig
mit dem, was mein alter Lehrer in le Havre
gesagt hatte: „Man muß alles können, wie die
Meister, die alles konnten, oft in den Louvre
gehen, um sein Gebet zu verrichten, die Pläne
der Alten zu ergründen versuchen, aber man
muß sie ohne die Patina zu sehen trachten!“
«Seither bin ich gereist, habe Giotto ge-
sehen in dem Lichte, in dem er malte. Er hat
mir meine Freiheit gegeben und die hohe Auf-
fassung jedes Motivs, den starken Ausdruck
seiner Gestalten und den Begriff der Komposi-
tion, die für mich die Form ist, das in klarster
Weise zum Ausdruck zu bringen, was man im
Hirn hat. Ich sah auch Raffael, der mir
hauptsächlich durch das starke Leben gefiel,
das seine Porträts ausströmen. Meine Reise
nach Portugal bedeutete eine große Anregung
meiner Einbildungskraft. Die exotischen Ein-
drücke, die ich von dieser Reise mitgebracht
habe, dienten nicht meiner Malerei, aber mein
Geist wurde unendlich angeregt.
. «Braque, der in le Havre wohnte, besuchte
mich um 1905. Sein Vater wollte, daß er sich
der Innenarchitektur widme. Er setzte sich
aber mit Matisse in Verbindung und lernte,
ohne erst viel suchen zu müssen, die Malweise
der Fauves kennen. Er hatte nicht wie die
Älteren (Matisse, Derain) erst den Schutt von
seinem Wege wegzuräumen und stürzte sich
sofort in unsere Richtung, für die er als Bei-

steuer seinen brennenden Malerglauben mit-
brachte. Und noch eines brachte er mit, ein
überschäumendes Temperament und die Be-
gierde, den Kampf an unserer Seite, den
Kampf seiner älteren Brüder fortzusetzen. Ich
sage „älteren“, denn wir anderen hatten schon
sechs oder sieben Jahre der Versuche,
Kämpfe, Ausstellungen hinter uns; wir hatten
uns entschieden, hatten mit der Vergangen-
heit gebrochen, mit einem Worte, das große
Reinemachen war für uns bereits beendet.
«1907: Unsere Theorien waren am Punkte
angelangt, sich zu klären. Der Triumph der
reinen Farbe. In der Folge kehrte man wieder
zu den Gesetzen der Komposition zurück. Aus
Gründen des Volumens wurde der Fauvismus
geopfert. Diejenigen, die unser Vorgehen der
Oberflächlichkeit bezichtigten, sie sollten sich
doch vor Augen führen, daß es eben kein
anderes kühnes Mittel gab, um die Malerei,
wie wir es wünschten, umzugestalten und aus
dem Sumpf des Impressionismus heraus-
zukommen. Wir, die Gründer des Fauvismus,
wir waren auch die ersten, die zu seinem Auto-
dafe schritten, und dennoch war es kein
Bruch mit ihm, sondern eine Weiterentwick-
lung. Die Farbe war nicht mehr Allein-
beherrscherin der Leinwand, die Zeichnung
erwachte wieder zur Bedeutung neben Licht
und Volumen. Natürlich blieb die Farbe ein
integrierender Bestandteil.
«Es war ganz plötzlich, während der Arbeit
selbst in La Ciotat, daß ich bemerkte, wie
eine Begrenzungslinie entstanden war, die
einen Hügel durch einen bloßen Strich wieder-
gab. Ich war instinktiv zur Zeichnung zurück-
gekommen, aus reiner malerischer Notwen-
digkeit. Ich hatte die Zeichnung wieder-
erlernt, durch mich allein, — ich hatte sie ge-
fühlt. Niemals hätte mir das ein Lehrer, nie-
mals die Alten hätten beibringen können.
Nun führte mich eine ernstere Kunst zum Stil,
einem Stil geboren aus Ton und Rhythmus.
Mein Bild „Les Moissoneurs“, gemalt im
Jahre 1907, 1908 ausgestellt bei den Indepen-
dants, bedeutet meinen Bruch mit den Fauves.
Unter meinen Fingern kam plastische Ord-
nung in dies Bild. Ich habe voll Sympathie
den Kubismus als eine ähnliche Bewegung
betrachtet. Meine Entwicklung war beendet,

unsere Fähigkeiten gebändigt und in die rich-
tigen Bahnen geleitet. Der junge Braque, der
erst gegen Ende in die Schlacht eingegriffen
hatte, war vorbestimmt, nicht lange an diesem

Othon Friesz, Nu


Punkte stehen zu bleiben. Er wandte sich
neuen Plänen zu und wurde einer der Führer
für die neue Generation, die ja die seine war.
«Matisse, Vlaminck, Derain und ich, wir
hatten das Ende der farbigen Gesamtwirkun-

gen empfunden. Matisse allein blieb beim
Ornament, das ich nur in meiner Übergangs-
zeit verwendet hatte. Während bei den Neo-
impressionisten Seurat und Signac das Werk
seine absolute Wahrheit behält, bedeutet bei
uns zum Beispiel ein in der Sonne gelb er-
scheinender Rauch nicht mehr als ein Motiv
und er wird an jene Stelle gesetzt, die von der
Orchestrierung der Leinwand verlangt wird.
«Seit einem Jahr ist bei mir eine Ent-
spannung eingetreten. Mir sind alle diese
Untersuchungen, dieses Zusammentragen von
Ideenmaterial nicht mehr so wichtig und ich
kann wieder mit meinem Herzen malen. Die
Probleme erscheinen mir heute verarbeitet
und ich fasse die Gefühlsmomente der fünf-
zehn Jahre zusammen, nach meiner Reise in
das Land der Ästhetik. Jetzt male ich ein
Porträt, einen Akt, ohne den Alpdruck eines
Sakrilegs zu spüren, und ich arbeite mit natür-
licher Sicherheit. Ich habe das menschliche
Antlitz immer tief ernst genommen, als etwas,
an das man nur mit Respekt rühren darf. Ich
habe ursprünglich Landschaften gemalt, weil
sie gefällige, unbewegliche Modelle sind, die
man (wenn man arm ist) nicht zu bezahlen
braucht. Aber immer war das Antlitz mein
Ideal, und mein alter Lehrer Lhullier sagte
schon, als ich noch ein Junge war: „Friesz
wird einmal ein großer Gesichtemaler wer-
den“, und dann fuhr er fort: „Man zeichnet
einen Baum wie ein menschliches Gesicht“.
«Ich war immer zu sehr und in erster Linie
Maler, um mich mit anderen Fragen in Ruhe
und Objektivität befassen zu können, aber ich
liebe die Literatur, vor allem Abenteuerbücher,
Beschreibungen großer Seefahrer und solche
Bücher, in denen viel Phantasie steckt, sie
entsprechen am besten meinem Temperament
und meinem Wunsch nach Erregendem.
«Die Schönheit der Negerplastik hat mich
immer gepackt; sie war für mich reine Freude.
Sie erschien mir nicht als Seltsamkeit, als
exotische Erscheinung, auch nicht als ästheti-
sches Vorbild, sondern durch den Genuß der
Anschauung. Im übrigen ziehe ich dem
schönsten Fetisch eine römische oder gotische
Statue vor, weil sie reiner, klarer und vor
allem Werke unserer Rasse sind».
 
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