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DIE WELTKUNST

Jahrg. All, Nr. 10 vom 6. März 1938





JULIUS BÖHLER

ALTE GEMÄLDE, ANTIQUITÄTEN

UND ALTE MÖBEL

KUNSTVERSTEIGERUNGEN

MÜNCHEN

BRIENNER STRASSE 12

Der immer sichtlicher Wer-
der Kunst als politisch-agi-
und das Einsetzen von For-
Klassenkampf im Sinne des

zösische Kunst der Nachkriegszeit zu geben.
Besonders gut sind die „Fauves“ vertreten. Ihr
Haupt, Matisse, von dem bereits im Spätherbst
eine kleine Graphikschau gezeigt worden war,
fehlt zwar aus diesem Grund, dafür gibt es
sehr schöne, aufschlußreiche Aquarelle von
R. Dufy, knapp umrissene Landschaften von
O. Friesz, sehr empfundene, zartlinige Akte
von Derain und farbenglutende Landschaften

Fraser
Sotheby & Co.,
(Foto Sotheby)

Raebu rn , Bildnis Sir J. J.
Erzielte auf der Versteigerung bei
London, 23. Februar 1938: £ 1700

(1822—1883) spielt dessen als Porträtist und
Historienmaler tätiger Vater Johann (1795 bis
1854), des Thomas Zwillingsbruder, nur eine
untergeordnete Rolle in der Schau. Weit leben-
diger als seine süßlichen Bildnisse sind die
reizvollen Kinder- und Frauenbilder des Soh-
nes, in deren einem, der Gattin seines Oheims,
sich Eduard zu monumentaler Wirkung erhebt.
St. P.-N.

von Vlaminck. Zu den Künstlern, die am
wirksamsten zur Darstellung gelangen, ge-
hören Leger, Metzinger, Gromaire und Lauren-
<?in, desgleichen Dunoyer de Segonzac, von dem
einige eindrucksvolle naturnahe Federzeich-
nungen zu sehen sind. So ist eine trotz be-
rechtigter Einwände (zu denen vor allem der
Vorwurf einer unprägnanten Aufzeigung der
jüngsten Künstlergeneration gehört) anregende
Ausstellung entstanden. Denn wenn man auch
aus ihr keine neuen Offenbarungen gewinnt,
bekommt man doch manche schöne Arbeit be-
kannter Meister zu Gesicht. St. P.-N.

Meister der Dangolsheimer Maria, Ritter
H. 117 cm. Sammlung Georg Schuster f, München
Versteigerung : Julius Böhler, München,
17.—18. März 1938 (Foto Böhlerl
Rahmen und Sockel, dabei manches begehrens-
werte Sammlerstück.
Der glänzend illustrierte Katalog, ein Do-
kument wissenschaftlichen Eifers, verdankt
seine Bearbeitung in erster Linie Dr. Hubert
Wilm (Bildwerke); das Kunstgewerbe ist von
Dr. H. Buchheit, die Malerei von Dr. Max
Goering sorgfältig verzeichnet.

den Entwicklungsgang des in der langen Zeit
vor der Machtübernahme eingetretenen Künst-
elnd Kulturzerfalls diesmal in motivischer An-
ordnung vorführt. Die erste Gruppe bildet
mit Proben über den fortschreitenden Verfall
des handwerklichen Könnens und einem
Ueberblick über den herausfordernden tenden-
ziösen Charakter der Stoffwahl den Auftakt.
In den nächsten Räumen werden bildliche Do-
kumente vorgeführt, die sich mit religiösen In-
halten befassen und in ihren fratzenhaften
Formgebungen jeder christlichen Empfindung
Hohn sprechen,
dende Mißbrauch
tatorisches Mittel
mungen für den
Bolschewismus wird in einer dritten Gruppe
deutlich und auch noch in einer weiteren, in
der die Unterstützer der feindlichen Kriegs-
greuelpropaganda entlarvt werden, die in Zerr-
bildern Kriegsopfer und Wehrpflicht ver-
höhnen. Die nächste Abteilung gibt Einblick
in die moralische Seite der Kunstentartung mit
Werken, die das Dirnentum verherrlichen und
eine abstoßend wirkende Erotik als Zermür-
bungsmittel anwenden. Eine andere Gruppe
befaßt sich mit der planmäßigen Unterwüh-
lung des Rassegedankens. Den weiteren Nie-
dergang mit Gebilden, die geistige Verfallser-
scheinungen preisen und Idioten und Paraly-
tiker als darstellungswürdige Stoffe behandeln,
wird in der folgenden Abteilung veranschau-
licht, während die vorletzte Gruppe Erzeug-
nisse jüdischer „Künstler“ vorführt und die
neunte und letzte mit Beispielen, die wie die
übrigen aus öffentlichen Sammlungen stam-
men, die vollständige Auflösung des Formen-
und Farbenempfindens und den Durchbruch
der entarteten Richtungen auf der ganzen
Linie zeigen. Hans Ze eck

Deutsch-böhmische Meister um 1410,
„Schöne Maria". Kehlheimer Stein, H. 68 cm
Sammlung Georg Schuster f, München
Versteigerung : Julius Böhler, München,
17.—18. März 1938 (Foto Böh!jr)

Renato Tomassi, Selbstbildnis (Kl. Gurlitt)
ellung: Galerie Gurlitt, Berlin

Moderne französische
Kunst
Wien, Kunstsalon Würth le
Die Leitung des Kunstsalons Würthle bringt
Arbeiten von siebzig der zweiundachtzig Maler,
die im Vorjahr in der großen repräsentativen
Pariser Ausstellung der „Art vivant“ im Petit
Palais vertreten waren und sucht so, haupt-
sächlich an Hand von Zeichnungen, Gouaches,
Aquarellen einen Querschnitt durch die fran-

Altarflügcl um 1480 oder das interessante, viel-
leicht nordfranzösische Frauenbildnis von 1552
(Abb. Nr. 7) — Werke des 18. Jahrhunderts,
wobei Namen wie Maulbertsch, Alfomonte,
Troger, Edlinger, Zick u. a. das Qualitätsniveau
bezeichnen. Den Beschluß bilden kunstgewerb-
liche Arbeiten: Glas und Keramik. Metall,
Schmuck, Möbel. Reliquienkasten, Wappen,

stände sind mit gesiegelten mittelalterlichen
Pergamenturkunden, Handschriften des 14.
Jahrh., holzschnittgeschmückten Inkunabeln
und gotischen Bucheinbänder zu einer ein-
drucksvollen Schau vereinigt. Der alle kunst-
und kulturhistorisch wichtigen Fragen behan-
delnde Katalog zu der von
Kustos Dr. B e t h e , Staats-
archivdirektor Dr. Diestel-
kamp und Kustos bei der
Denkmalpflege Dr. Ger-
hardt vorbereiteten und auf-
gebauten Ausstellung enthält
ein wissenschaftlich beschrei-
bendes Verzeichnis des Kam-
miner Domschatzes von Wal-
ter Borchers, solche über
die ausgestellten Drucke, Hand-
schriften, Urkunden, Siegel und
Münzen sowie 59 Abbildungen.

Künstlerfaniiiie Ender
Wien, Neue Galerie
Wohl das größte Interesse unter den Arbei-
ten der Künstlerfamilie Ender, die in der
Neuen Galerie zu sehen sind, kommt den
lebensfrischen Landschaften von Thomas
Ender (1795—1875) zu. Mit der Liebe des vor-
märzlichen Künstlers für das Detail vereinigt
sich hier das Gefühl für die große Form hero-
ischer Landschaft. In der Erfassung der far-
bigen Erscheinung erinnert Th. Ender an den
jungen Rudolf Alt, den er zweifellos beein-
flußt hat. Neben ihm und dem Neffen Eduard

Ausstellungen
Galerie Gurlitt
Eine größere Reihe von
Bildnissen stellt der Italiener
Renato Tomassi bei Gur-
litt in Berlin aus, Ma-
lereien in Oel und Tempera,
die geschmacksicher kompo-
niert sind und ein feines Ge-
fühl für die dekorativen Werte
der Farbigkeiten verraten. Als
Porträtist liegt ihm vor allem
das Anmutsvolle oder Charak-
teristische weiblicher Erschei-
nungen, aber auch ein Selbst-
bildnis (s. Abbildung) und be-
sonders die Gruppendarstel-
lung der Familie des Malers
sind in sauberer Linienfüh-
rung und koloristisch starken
Tönungen harmonisch wir- A u s
kende Stücke. Schöne Lichteffekte sind in der
großen „Morgensonne auf Capri“, und die
übrigen Landschaftsstimmungen zeugen von
beherzter Wiedergabe frisch empfundener Ein-
drücke. — Auf dunklere Farbenklänge ist die
Palette von Gerhard von H a n i e 1 einge-
stellt, der in Berlin bei Dora Hitz und Lovis
Corinth und in München bei Knirr gelernt hat.
Er stellt in Gemälden und Aquarellen mit Vor-
liebe alte Städte und Bauwerke dar. Ein unver-
wechselbarer Pinselstrich läßt in Landschaften
auch die atmosphärischen Wirkungen eindring-
lich zur Geltung kommen. — Mit einer Reihe
farbiger Aktstudien bringt Raffaello B u -
s o n i wieder sein ungewöhnliches malerisches
Temperament in Erinnerung. Lians Zeeck
Entartete Kunst
Nachdem die Ausstellung „Entartete
Kunst“ in München von zwei Millionen Be-
suchern besichtigt worden ist, werden ihre
Hauptbestandteile, ergänzt durch weiteres An-
schauungsmaterial, das einmal in der Reichs-
hauptstadt Beachtung gefunden hat, nun auch
in Berlin im Haus der Kunst am
Königsplatz gezeigt. Sie wird später ihre
Reise durch die größeren Städte aller deut-
schen Gaue antreten. Bei einer Feier im
Reichstag hielt Reichskulturwalter Moraller die
Eröffnungsrede zu dieser Ausstellung, welche

Die Sammlung Georg Schustert, München
Die bei Julius Böhler in München
am 17. und 18. März stattfindende Versteige-
rung der Sammlung Georg Schuster, auf die
wir nach ihrer Erstveröffentlichung durch
Dr. Hubert Wilm bereits in einem Aufsatz
(Nr. 58/59. XI) und mit einer Reihe von Ab-
bildungen (Nr. 49/50, XI; 51, XI; Nr. 1 u. 5, XII)
hingewiesen haben, verspricht das Hauptereig-
nis des diesjährigen Kunstmarktes und eine
der bedeutendsten, jemals stattgehabten Auk-
tionen von Bildwerken zu werden. Seltenheit
der Einzelstücke, ihr historischer Wert und
ihre außerordentliche Qualität, verbunden mit
meist guter Erhaltung und vielen unberührten
alten Fassungen zeichnen diesen Kunstbesitz
aus, von dem heute hier nur mehr die Haupt-
werke Erwähnung finden können. Neben figür-
lichen Bronzen und deutschen und französi-
schen Elfenbeinen — darunter ein Kruzifix des
12. Jahrhunderts und die hoheitsvolle thro-
nende Madonna — repräsentieren die Frühzeit
vor 1450 ein überlebensgroßes, vielleicht aus
dem Augsburger Dom stammendes Triumph-
bogen-Kruzifix um 1200, eine romanische Ma-
donna aus Tegernsee um 1250, das großartige
niederbayerische Vesperbild um 1550, zwei der
mit Recht berühmten „schönen Madonnen“ des
ostdeutschen Kunstraums vom Anfang des
15. Jahrhunderts (s. Abbildung), eine freie Ver-
sion des Seeoner Gnadenbildes um 1450 und.
ein Meisterwerk schwäbischer Schnitzkunst,
das Vesperbild des Meisters von Eriskirch.
Zahlreich die Werke der Spätgotik: unter den
rheinischen Arbeiten ragen der Ritter vom
Meister der Dangolsheimer Maria (s. Abbil-
dung), eine weibliche Heilige aus dem Kreise
Nikolaus Gerhaerts und der ausdrucksstarke
Sebastian von dem mittelrheinschen Meister
der Mosbacher Kreuzigung um 1520 hervor,
unter den schwäbischen Arbeiten die einzig-
artig schöne Fleilige von Hans Multscher um
1460, die monumentale Muttergottes'von Fried-
rich Schramm von Ravensburg und der Seba-
stian des Meisters der Biberacher Sippe um
1510, ein Werk von hervorragenden Qualitäten
und wie viele der hier aufgeführten Stücke in
die „Liste der national wertvollen Kunstdenk-
mäler“ aufgenommen. Unter den bayerischen
Werken führen drei eigenhändige Bildwerke
von Hans Lcinberger, von denen der große
Kruzifix um 1525 und der „Hl. Martin mit dem
Bettler“ um 1516—20 Höhepunkte im Schaffen
des Meisters bilden. Neben den vielen ano-
nymen Meistern sei vor allem noch auf die
Skulpturen der Meister der Altöttinger Türen,
von Dingolfing und von Rabenden hingewiesen,
wes letzteren großartiges Vesperbild die Be-
deutung dieses Künstlers in ein neues Licht
rücken dürfte. Mit etwa 150 Bildwerken ist
auch das süddeutsche Barock glänzend belegt,
nicht zuletzt durch, meisterliche Arbeiten von
Wenzinger, Egid Quirin Asam, Ignaz Günther
und Chr. Jorhan d. Ae. Dieser Barockabtei-
lung entspricht der Umkreis der Gemälde, bis
auf wenige Stücke — wie die niederrheinischen
 
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