Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

DIE WELTKUNST

Jahrg. XII, Nr. 52/53 vom 14. August 19^

nach erfolgtem Kauf dem Urteil des „Sopra-
intendente d’Arte“ der Region, also einem ein-
zelnen Kunstbeamten. Dieser Beamte setzt
fest, ob das Kunstwerk exportiert werden darf
oder ob der Staat seine Rechte geltend macht.
Bei dem Verlangen des Sopraintendente nach
Staatserwerb erfolgt die sofortige und un-
widerrufliche Sperrung der Ausfuhr, keines-
wegs aber entsteht nun eine Verpflichtung für
den Staat, das Kunstwerk auch wirklich zu
kaufen. Das Urteil des Kunstbeamten aber
ist im Gegensatz zu dem sonst sehr sensitiven
italienischen Recht unwiderruflich; es gibt

keine Stelle, bei der der Käufer oder der
Kunsthändler Berufung einlegen könnte. Es
gibt bekannte Fälle, bei denen sich solche ge-
sperrten Kunstwerke späterhin einer sehr ge-
ringen Beurteilung erfreuten und nach Um-
schlag' in eine andere Region Italiens von dem
dortigen Kunstbeamten ohne weiteres frei-
gegeben wurden. Diese Sachlage wird gegen-
wärtig als einer der Kardinalpunkte des ita-
lienischen Kunsthandels vor allem bekämpft
und man verlangt die sofortige Aufhebung der
Unfehlbarkeitsthese, die den Kunstbeamten
der Region sichert. G. R.

Der neue Katalog der Wiener Gemäldegalerie


Ein neuer Katalog der Gemäldesammlung
im Kunsthistorischen Museum zu Wien unter-
scheidet sich von anderen Galeriekatalogen
vor allem dadurch, dafi er der wissenschaft-

lichen Erschließung einer Sammlung dient, die
mit ihren Inventaren bis 1596, mit ihren Bilder-
inventaren und Stichwerken bis ins 17. Jahr-
hundert, aber auch mit ihren Katalogen bis
1785 zurückreicht: eine
einzigartige geschicht-
liche Tradition, die das
allmähliche Anwachsen
der Wiener Sammlung
widerspiegelt. Der vor-
liegende Katalog ist die
zweite Auflage des Kata-
loges von 1928, von dem
er sich außer durch die
beträchtliche Erweite-
rung des Textes, die ein
größeres, doch immer
noch handliches Format
bedi ngte, auch durch
einen Bilderteil unter-
scheidet, der auf 156 Ab-
bildungen die Haupt-
werke zeigt. Die Anord-
nung des Textes ist die
gleiche geblieben: alpha-
betisch nach Künstlern.
Außer dem eigentlichen
Verzeichnis der Bilder
wird eine geschichtliche
Einleitung, ein Verzeich-
nis aller Inventare und
Kataloge, eine Liste der
Bildnisse und ein Ver-
zeichnis der Künstler
nach Schulen geboten.
Den Schluß bildet ein
Register der Galerien um-
mern, das im Jahre 1928
bis zur Nummer 1794
reichte,, jetzt aber bereits
bis Nummer 1923 geht.
Doch der Ausbau der
Galerie läßt sich nicht
durch diese statistische
Feststellung allein erfas-
sen. Während die Gale-
rieleitung in diesen Jah-
ren, in denen die mate-
riellen Mittel nie reich-
lich flössen, stets um wert-
volle Neuerwerbungen
bemüht war, galt gleich-
zeitig die überaus ver-
dienstvolle Arbeit der
wissenschaftlichen Be-
amten der Bearbeitung
der vorhandenen Be-
stände, von denen man-
che Gemälde in ihren ur-

Jacoto de Barbari, Bildnis Ruprechts des Friedfertigen von Mecklenburg
1507. Sammlung J. C. H. Heldring. Ausstellung: Boymans-Museum,
Rotterdam. (Bericht in Nr. 30/31) (Foto Frequin)

Ernst Huber, Landschaft aus Kolumbien. 1938
Ausstellung: Secession, Wien (Bericht S. 3) (Foto Scherb)


Arbeitsgebieten geteilt. Von großem Nutzen

sprünglichen Zustand zu-
rückversetzt oder hin-
sichtlich ihrer künstle-
rischen Herkunft ge-
sichert werden konnten.
Zu der ersten Gruppe ge-
hört z. B. das Bildnis
Burgkmairs "und seiner
Frau von Furtenagel, das
früher als Selbstbildnis
galt, oder das Fragment
der Altartafel von An-
tonello da Messina, zu
dem zwei weitere Stücke
festgestellt werden konn-
ten; zur zweiten das
Bildnis einer Frau von
Giorgione, das durch eine
gleichzeitige Inschrift als
Werk des Meisters ge-
sichert ist; schöne Ergeb-
nisse erzielten hierbei die
Forschungen von Johan-
nes Wilde, der auch das
schöne Sigismund-Porträt
Konrad Laibs bestimmt
hat. — Bei den Neu-
erwerbungen wurde die
schon vor 1928 begon-
nene Tätigkeit fortge-
setzt, die früher nur un-
genügend vertretenen
österreichischen und süd-
deutschen Schulen zu
ergänzen; bereits die
Ausstellung vom Jahre
1954 (mit eigenem Kata-
log) hatte hierüber
ausführlich Rechenschaft
gegeben. Viele Werke
der heimischen Tafel-
malerei konnten aus
klösterlichem Besitz er-
worben. und vor Abwanderung geschützt wer-
den. Neben wichtigen Meistern der Spätgotik
sind so neue Werke von Altdorfer (aus St. Flo-
rian) und von Cranach (die Kreuzigung aus
dem Schottenstift, das früheste bekannte Werk
Cranachs) in die Galerie gekommen.
In die Bearbeitung des Kataloges haben
sich L. B a 1 d a s s , E. FI. Buse h b eck, J. A.
Graf Raczynski und J. W i 1 d e nach ihren

erweist sich der Umstand, daß die Aufzählung
außer den Galeriebildern auch die Gemälde
der Sammlung Benda und alle wichtige’1
Bilder, die in anderen Sammlungen ausgestellt
sind, umfaßt, dazu die Bilder aus der Porträt-
sammlung, deren Autoren bekannt sind-
schließlich verschiedene Bilder aus dem Vor-
rat und aus der Sekundärgalerie. B-

Kunst in
Eine Veranstaltung des Nation al-Mu-
s e u m s ist dem Gedächtnis Stephans des
Heiligen gewidmet. Zwei Säle wurden mit
wertvollen, auf den großen König bezüglichen
Dokumenten gefüllt. Die Ausstellung zerfällt
in mehrere Gruppen. Zunächst sind die wich-
tigsten historischen Quellen und alten Chro-
niken vereinigt worden, u. a. das Manuskript
der Legende Stephans des Heiligen aus dem
12. Jahrhundert, die zur Zeit König Kolomans
entstandene Legende des Bischofs Hartwik, die
„Gesta Hungarorum“ eines anonymen Notars
des Königs Bela, die auch wegen ihrer pracht-
vollen Miniaturen berühmte sogen. „Wiener
Bilder-Chronik“ aus der Zeit zwischen 1370-76,
ferner zahlreiche weitere Handschriften und
frühe Druckwerke wie Bonfini’s in Basel ge-
druckte ungarische Geschichte und Ranzanus’
„Epitome rerum Ungaricorum“. Die nächste
Gruppe ist dem kirchlichen Kulte des heiligen

Budapest
Königs gewidmet, mit zahlreichen Beispielen,
unter denen das früheste das unter de”1
Namen „Pray-Codex“ bekannte, älteste unga-
rische Meßbuch bildet. Eine eigene Grupp”
gibt Anschauung über die Tätigkeit des König5
als Gesetzgeber und Gründer der ungarische’1
Kirche. Hier ist auch der sogen. „Codex vo”
Admont“ ausgestellt, ein Manuskript de5
12. Jahrhunderts, das die älteste Sammbu’S
der Gesetze Stephans enthält und erst v°r
wenigen Jahren aus der Abtei in Admont f”r
das Budapester Museum erworben wurde-
Weitere Gruppen umfassen alle bekannte”
Darstellungen des Königs (sein frühestes Bild-
nis auf dem Krönungsmantel ist hier in ein”1
Abbildung ausgestellt), wie sie sich auf Stem-
peln und in Buchillustrationen erhalten habe”’
ferner Dokumente, die sich auf die Heiüo”
Stephanskrone und solche, die sich auf de”
Titel der Apostolischen Majestät, das Apost”'

MARIA ALMAS

München

II. Teil. 1800—1870*)
Wenn die „bayerische Renaissance“ das
Erbe der rheinfränkischen Restauration und
der spätromantischen neudeutschen Kunst in
München antrat, so war das ein Verdienst des
kunstliebenden Königs Ludwig 1., der nicht nur
den Domen von Speyer, Bamberg, Regensburg,
Köln wie der altdeutschen Baukunst seine tat-
kräftige Hilfe und den Deutschen ihre erste
Ruhmeshalle in der altdeutsch geplanten Wal-
halla schenkte, sondern auch die erste Natio-
nalgalerie altdeutscher Malerei und ihre
Schöpfer, die Brüder Boisseree, 1827 nach
München zog. Nicht die von dem Bildhauer
Schwanthaler geführten Ritterbünde der
Künstler (Humpenau, Einhorn, Bären, Hum-
penburg), die seit 1819 „das Reproducieren des
Mittelalters“ und den Kampf gegen die Antike
betonten, sondern die „zur Erlösung der teut-
schen Kunst aus der fremden und antiken
Knechtschaft“ und für die Lehre deutscher
Baukunst und Glasmalerei als „Fabrica“ 1831
von Hoffstadt gegründete „Gesellschaft für
teutsche Altertumskunde von den drey Schil-
den“ war die Keimzelle der neuen bayerischen
Kunstwissenschaft. Kunstsammlung, Biblio-
thek, Archiv, Werkstatt, Denkmalschutz, Denk-
malpflege, Inventarisation waren neben Kunst
und Poesie die Aufgaben dieser einflußreichen
Gesellschaft, die schon 1858 in dem Histori-
schen Verein für Oberbayern aufging und zu
ihren Mitgliedern Pocci, Beck, Aufsess, S. Bois-
seree, Ohlmüller, Schwanthaler, Hoffstätter,
Keim und den Innenminister Fürst Oettingen
zählte. Friedrich Hoffstadt (1802—46),
der vielbegabte badische Jurist und Kunst-
*) vgl. „Weltkunst" Nr. 28/29.

tieferen Begründung der Geschichte der reli-
giösen Kunst“ (1834), dessen Gedichte, Ge-
schichten und Uebersetzungen längst vergessen
sind, und der sich nie auf raffen konnte, die
Kunstgeschichte zu schreiben, die Prof. Hoff-
mann in Würzburg 1837 ihm vorschlug. Frhr.
v. Aufsess, der Franke, der zum Hoffstadt-
Kreis gehörte, wendete sich mit der Gründung
seines „Anzeigers für die Kunde des deutschen
Mittelalters“ (1832) und seiner Gesellschaft
(1833) von den Münchener Freunden ganz
seiner großen Museumsschöpfung in Nürnberg
zu, die aus seiner Privatsammlung ebenso ent-
stand wie König Ludwigs Pinakothek aus der
Sammlung Boisseree oder wie Hefners Bayeri-
sches National Museum aus dem Flausbesitz
der Wittelsbacher und der Privatsammlung
des allzuvergessenen Bamberger Zeichen-
lehrers Jos. Martin v. Rcider, welche 1860 von
Hefner für den Staat erworben wurde. Auch
Jakob Heinrich v. Hefner-Alten-
eck, der Rheinfranke, der 1852 nach München
kam, nachdem er sein bekanntes Bilderwerk
„Trachten des Mittelalters“ (1840/54) geschaf-
fen hatte, war zuerst Zeichenlehrer, wurde
1865 Konservator des Kupferstichkabinets, 1868
Generalkonservator der Kunstdenkmäler und
Direktor des Bayerischen National Museums,
weshalb ihn die Münchener „Altendreck“
nannten. Seine Sammlung, eine Rivalin des
Nürnberger Museums, war als Vorbildersamm-
lung für das Kunsthandwerk gedacht und be-
tonte die Forschung des Kunsthandwerklichen
und Volkskundlichen. Deshalb übernahm auch
auf Hefners Wunsch der Volkskundler W. H.
Riehl die Nachfolge.
Neben dieser Sammlungs-Kunstwissenschaft,
der dann vor allem Franz Reber ange-
hörte, entstand in München aus Unterricht und

Gemälde erster Meister des 15. bis einschließlich 19. Jahrhunderts
Antiquitäten «Einrichtungen des 18. Jahrhunderts
ANGEBOTE ERBETEN

Anschauung eine neue Art der Künstle1'
biographie. Ich denke nicht an die akade-
mische Lehre der Cornelius-Schule, welche1
Ernst Foerster und seine „Geschieh/”
der deutschen Kunst“ (1853) zuzurechnen 15
oder an den biographischen Journalismus d<’“
Kunstkritikers Friedrich Recht („De”/'
sehe Künstler des 19. Jdts.“ 4 Bde. 1877—8:’)'
sondern an den neuen Anschauungs-Uni01/
richt des durch seine „Lebenserinnerunge”.
bekannten Urmüncheners, des Kunsthistori-
kers, Germanisten, Dichters H y a c i ” t ”
Holland (1827—1918). Nicht seine zahl-
reichen Schriften — von denen die „Geschieht”
der deutschen Literatur mit besonderer
rücksichtigung der bildenden Kunst“ 18-’i
„Geschichte der Münchener Frauenkirche
1859, „Die Entwicklung des deutschen Theat01'/
im Mittelalter und die Ammergauer Passio”5
spiele“ 1861, Beachtung verdienen — aber s”1 .
kunstgeschichtlicher Unterricht am Instü1’
Ascher und am Max Josef Stift, seine gr, ,
Abbildungs- und Notizensammlung und 501
meisterhaften Biographien und Nekrolog
(z. B. Poccis, Schwinds, Richters, Spitz*”®
u. a.) machten diesen liebenswerten »P”c,
vogel“, der auch das Pech hatte, der kü”5
lerische Berater Ludwigs 11. zu sein, zu ei””
Meister der neuen Künstlerbiographie. ™
einst Oefele und Westenrieder als bayeris”
Biographen begonnen hatten, das vollendete
bodenständiger Folge aus dem München^
Kunst- und Künstlerleben des 19. Jahrhund”1
heraus der alte Holland, von den zünfbo
Kollegen belächelt, für uns aber die letzte 1 j
freuliche Gestalt jenes echten Münchens
seiner eigenen Kunstwissenschaft und
Meister jenes höchsten Glückes der Er’
kinder, das Persönlichkeit heißt. ,

Anfänge der Kunsiivissenscf)afi in Müncfjen
Von Dr. K. K. E b e r 1 e i n
forscher, war der Führer, dieser Gesellschaft,
aus der nicht nur die Idee einer Gesellschaft
aller deutschen Altertumsforscher durch Auf-
sess auflebte, sondern aus der 1855 das Ger-
manische National Museum durch Aufsess und
1854 das Bayerische National Museum durch
Hefner-Alteneck erwuchsen. Die Sammlungs-
Kunstgeschichte, durch Sulpiz Boisseree vor-
bildlich vertreten, wurde so in Bayern führend.
Hoffstadt, dessen kunstgeschichtliche For-
schung der Baulehre Heideloffs, den Schrift-
quellen und der Renovierungsarbeit das
Wesentliche verdankte, vollendete trotz aller
Rückschläge sein Hauptwerk „Gothisches
ABC. Das ist Grundregeln des Gothischen
Stils für Künstler und Werkleute. Frankfurt
1840/5“, das zum Lehrbuch der Polytechnischen
Schulen Bayerns wurde. Wie einst dem jungen
Goethe ging ihm das System der gotischen
Meszkunst am Bau selbst und vor den alten
Baurissen auf und mit Keim zusammen fand
er das technische Geheimnis der altdeutschen
Glasmalerei wieder, das er der neuen Glas-
malerei dienstbar machte. Er, der in einem
Buche nachweisen wollte, „wie die altdeutsche
Kunst durch Griechen und Römer zu Grunde
gerichtet wurde“ — denn er hatte das Nord-
problem erkannt — starb nach einem ent-
sagungsreichen Richterleben 1846 allzufrüh da-
hin, gehört aber zu den großen Vorkämpfern
deutscher Kunst und Kunstgeschichte.
Neben Hoffstadt verblaßt sein Freund und
Mitkämpfer Friedrich Beck (1806—88),
Gymnasiallehrer und Dichter in München,
dessen „Geschichte eines deutschen Stein-
metzen“ (1854) und „Andeutungen zu einer
 
Annotationen