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Jahrg. XII, Nr. 49 vom 4. Dezember 1938

DIE WELTKUNST

Als Auftakt der amerikanischen Ver-
käufe der Hearst-Sammlung eröffneten Messrs.
Parish-Watson & Co. in New York in vier
Stockwerken eine „Auswahl-Ausstellung“, die
man ein Kunstwaren-Haus nennen könnte. Es
ist nicht möglich, auch nur durch Nennung von
einzelnen Stücken den Reichtum zu exemplifi-
zieren, der hier auf allen Gebieten der Kunst,
handele es sich uni europäische Gemälde oder
Skulpturen, um Möbel oder Silber, um Ost-
asiatica oder Americana, zur Schau gestellt
wird. Uebrigens steht auch in New York
bereits eine Versteigerung von Americana in
Aussicht, die, nach einer jahrelangen Hausse,
im jetzigen Augenblick verhältnismäßig wenig
marktmäßige Aussichten eröffnet, obwohl sie
das Gesuchteste an Autographen aufweist, was
der amerikanische Kunsthandel in Jahrzehnten
zur Verfügung stellen konnte.
Das auferstehende Ostia
Fünf Monate Ausgrabungen in Ostia, Aus-
grabungen in jenem großen Stile, der kenn-
zeichnend für Mussolini ist, haben das Gesicht
der antiken Stadt schon vollkommen verän-
dert; die Ausgrabungen sollen bekanntlich bis
zur Weltausstellung ganz Ostia auferstehen
lassen und dann soll die alte reiche Hafen-
und Militärstadt der Urbs die Hauptattraktion
bei der Weltausstellung bilden. Es war zu er-
warten, daß viel gefunden wurde und die
größten Ueberraschungen eintraten: aber der
Leiter der Ausgrabungen, Guido Calza, gibt
zu, daß er selbst bei weitem nicht das im
Laufe der ganzen Ausgrabungen erhofft hat,
was innerhalb von 5 Monaten zu Tage getreten
ist. Am interessantesten ist zunächst die Stadt-
anlage selbst, die in der sinnvollsten Weise
die drei gegebenen großen landschaftlichen
Grundbedingungen: Meer, Tiberlauf und
Albanerberge ausnützt und gleichzeitig als das
beste bisher bekannte Beispiel einer rationalen
Städtebauweise des Römertumes wie als eine
reich an Variationen zu bezeichnende schöne
Stadt angesprochen werden muß. Großbauten
privaten Charakters haben sich bei den Aus-
grabungen im Besitz so ziemlich aller archi-
tektonischen Eigenschaften des italienischen
Renaissancestiles erwiesen, ganz so als hätten
die Renaissancebaumeister nach einem antiken
Modell gearbeitet. Vollkommen neuartig ist
der Stil der Wandmalereien, der die Bauten
von Ostia beherrscht. Ein eben aufgefundenes
Wandgemälde einer schaumgeborenen Venus
stellt mit den zahlreichen Details, in der Kom-
position und in seiner Farbgebung eine voll-
kommen ungewohnte, mit den bekannten Bil-
dern und ihrem Stil nicht in Verbindung zu
bringende, wohl typisch römische Malerei dar.
Dieses Bild, das aus dem vierten nachchrist-
lichen Jahrhundert stammen dürfte, scheint der
unmittelbare Vorläufer der Cinquecento-
Malereien zu sein. An einer, ähnlich dem
Broadway Ostia quer durchschneidenden und
im Gegensatz zum sonstigen Stadtbauplan
stehenden Hauptverkehrsstraße ist ein Zent-


WeiblicheHeilige. Bodensee-Gegend, 2. Hälfte
15. Jahrhundert. Ausgestellt bei A. Flasshaar,
Berlin (Foto Schulz)

rum von drei Heiligtümern gefunden worden;
unter ihnen ein Herkulestempel bedeutsamer
Ausmaße. Die Herkulesstatue fehlt; gefunden
ist allein eine Theseusstatue. Alle drei Tempel
stammen in der Anlage noch aus republikani-
scher Zeit, In der Nähe ist ein Nackttorso mit
gut erhaltenem Haupt des Jupiter gefunden


Daffinger, Bildnis seiner Gattin
Versteigerung: Kunstversteigerungshaus S. Kende (Nachf. A. Weinmüller), W I e n , 10.-11. Dezember 1938
(Foto Kende)

stilleben, von letzterem eine weibliche Halb-
figur.
Köln, 15.—14. Dez.
Die letzte diesjährige Lempertz-
Auktion wird am 15. und 14. Dezember vor
sich gehen und etwa 700 verschiedene Num-
mern von Kunstwerken und altem Kulturgut
zum Angebot bringen. Der reich illustrierte
Auktionskatalog verzeichnet rund 250 Gemälde
aus mehreren Jahrhunderten, rund 50 Werke
gotischer und barocker Holzplastik, die vor-
zugsweise in den Rheingegenden und angren-
zenden kulturverwandten Gebieten entstanden
sind, über 100 alte Möbel, zumeist aus Aachen,
aus den bergischen Landen und vom Nieder-
rhein, ferner eine kleine Kollektion deutscher
Fayencegefäße des 18. Jahrhunderts aus der
Maingegend, aus Franken und Thüringen, eine
Anzahl schöner Steinzeugkrüge aus dem
westerwälder Kannebeckerland, von Köln,
Raeren, Siegburg. Dazu kommen Geräte und
Geschirre althandwerklicher Metallkunst aller
Art sowie Orientteppiche guter Provenienzen.
Als Spitzenwerke unter den zur Auktion ste-
henden Gemälden nennen wir: Ein signiertes
Stilleben von J. D. de Heern, einen niederlän-
dischen Flügelaltar von 1520, eine koloristisch
reizvolle Anbetung der Hirten von der Hand
des liebenswürdigen Antwerpener Barock-
malers Balth. Beschey, ein großes Tierbild von
Rosa Bonheur, ein Herdenbild von J. P. Jung-
hanns, einen Seesturm und eine westfälische
Mühle von A. Achenbach, schöne Jagdbilder
von C. F. Deiker und Ch. Krönet.
Wien, 10.—11. Dez.
Die nächste Auktion des Kunstversteige-
rungshauses A. Weinmüller (vorm. S.
Kende) umfaßt Bestände aus drei verschiedenen
Alt-Wiener-Sammlungen und Einzelbeiträge.
Sie enthält eine der berühmtesten Wiener
Bildnis-Miniaturen (s. Abb.), zahlreiche an-
dere Stücke dieser Kunstgattung und eine
bedeutende Reihe kunstgewerblicher Glas-
arbeiten. Die Bestände sind bezeichnend
für den hohen Stand dieser Kunstgattung,
etwa in den kostbaren Mildner Gläsern.
Die Kongreßzeit ist durch die subtilen
bemalten Gläser der Mohn und Kothgasser
vertreten und die deutschen Sudetengaue durch
die in unerschöpflicher Fantasie stets sich wan-
delnden böhmischen geschliffenen Gläser, etwa
der vierziger Jahre. Zahlreiche Porzellane, Ge-
mälde und Kleinkunst sowie drei Verdaten
von dem klassischen Typ von Enghien vervoll-
ständigen die Sammlung. Unter den plastischen
Arbeiten ragt ein Marmorkopf aus dem un-
mittelbaren Umkreis der berühmten Lom-
bardei über den Durchschnitt sonstigen Auk-
tionsgutes.

worden. Man verbindet diese drei Tempel wie
die ganze Schaffung des Claudius-Hafens, der
ja bekanntlich den Augustusnamen bei der Er-
öffnung erhielt, mit Augustus, dem man, auch
in Rücksicht auf die jetzigen 2000-Jahrfeiern
des Augustus, die Schaffung eines Großhafens
vor den Toren Roms wohl zu verdanken hat.
AuktionsTorberichte
Berlin, 14. Dez.
Das Auktionshaus D r. Walther
Achenbach in Berlin bringt in seiner
nächsten Versteigerung ein vielseitiges Mate-
rial an Kunstwerken der verschiedensten Art.
Das Mobiliar umfaßt neben Stilmöbeln eine
Reihe ausgezeichneter Schränke und Sitzmöbel
des 18. Jahrhunderts; dazu kommt antike
Kleinkunst sowie eine Reihe schöner Teppiche.
Doch das Schwergewicht der Auktion beruht
zweifellos auf den Bildern, von denen der Ka-
talog eine Reihe wichtiger Namen verzeichnet:
so eine charakteristische brasilianische Land-
schaft von Post (Abb. S. 2), ein Kircheninterieur
von Pieter Neefs, Werke von van Laer, van
Schuppen, Saftleven, unter den Italienern einen
Bassano und ein Caravaggio zugeschriebenes
neutestamentliches Bild. Neben einem bezeich-
nenden Gemälde von Munkaczy bringen die
neueren Meister zwei Hauptwerke von Manet
und Renoir: von ersterem ein schönes Bhimen-

Hl. Frauen, die an die „Münchener Domkreuzi-
gung“ erinnern, lassen eine sichere Datierung
des Altares kurz nach der Jahrhundertmitte
um 1460 zu. Ein weiteres bis heute unbekann-
tes Werk ist das große Gemälde Karel van
Manders „Jephta's Tochter“ (Abb. S.2). Van Man-
der malte dieses Bild für Meister Albert Symonsz
in Haarlem und erwähnte es in seinem Maler-
buch (II. S. 404) als eine „sehr feine Geschichte
von Jephta“. Vier Windmühlen am Rande
einer kleinen Stadt, von Jan Breughel dem
Aelteren mit seinem Monogramm gezeichnet,
stellen das feine Raumgefühl dieses Malers
sowie seine außerordentliche koloristische Be-
gabung unter Beweis. Sein Zeitgenosse Hen-
drik van Baien wartet mit zwei lichten Land-
schaften auf. Correggios Grazie und das Kolo-
rit der Venezianer geben sich die Hand in der
noblen Schöpfung des aus Köln gebürtigen
Hans von Aachen „Jupiter umarmt Antiope“. Es
folgen Aert van der Neers kleines Kanalbild
und van Goyens charakteristische Landschaft
(s. Abbildung). Als bedeutendster Vertreter
der holländischen Landschaftsmalerei zeigt Ja-
kob van Ruisdael auf einer signierten Tafel
einen knorrigen Baum an einem Kanalufer.
Nicht unerwähnt dürfen zwei starke Plastik-
werke bleiben, eine anmutig elegante franzö-
sische Barbara aus der Ile-de-France, wohl um
1460 entstanden, und ein ungewöhnlich schöner
Engel von der Hand des Augsburgers Bendel.

JULIUS BÖHLER
ALTE GEMÄLDE, ANTIQUITÄTEN
UND ALTE MÖBEL
KUNSTVERSTEIGERUNGEN
MÜNCHEN BRIENNER STRASSE 12

Alte Meister in Köln

vor. Stilistische Einzelheiten, wie die pflan-
zenhaften Formen der Felsen, die ebenso
beim „Meister der Pollinger Tafeln“ vorkom-
men, und der Typ und Gesichtsschnitt der

Jan van Gayen, Rast am Wirtshaus „Zum Schwanen". Holz, 25,2 : 39,2 cm
Ausstellung: Kunsthaus Malmede, Köln a. Rh. (Kl. Malmede)

Die diesjährige Herbstausstellung im
Kunsthaus Malmede bringt neben eini-
gen bedeutenden, bislang verschollenen goti-
schen Tafeln eine reiche Auswahl an Meister-
werken alter Ma-
lerei und Plastik.
Jean Bellegambe,
der seltene flä-
misch - französische
Maler des 15.
Jahrhunderts, zeigt
eine straff kom-
ponierte Tafel in
zarten harmoni-
schen Farben mit
Darstellung des
Hlg. Benedikt. Von
neuem ans Licht
der Oeffentlichkeit
gezogen, stellt sich
eine mächtige Al-
tartafel mit zwei
Flügeln von der
Hand eines ober-
bayerischen, wohl
Münchener Malers,
aus der Mitte des
15. Jahrhunderts
 
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