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Jahrg. XIII, Nr. 14 vom 9. April 1939

DIE WELTKUNST

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Zwei Gedenktagen, der 400. Wiederkehr des
Geburtstages von Tobias Stimmer und der Er-
innerung an den vor hundert Jahren geborenen
Hans Thoma, sind die neuesten Ausstellungen
im Berliner Kupferstichkabinett
gewidmet. Die umfangreiche und durch viele
Leihgaben deutscher Sammlungen zu einer
glänzenden Übersichtsschau gewordene Aus-

stellung von illustrierten Büchern, Holzschnitten
und Zeichnungen des Schaffhausener Tobias
Stimmer berücksichtigt auch den Umkreis
des Meisters. Christoph Murer, sein
begabtester, 1614 gestorbener Schüler, der 1606
in Luzern verstorbene Maler, Radierer und
Glasmaler Daniel Lindtmayer d. J.,

Hans Caspar Lang, der 1645 in Schaff-
hausen starb, sowie zwei weitere Mitglieder
der Künstlerfamilie Stimmer namens Abel und
Gideon sind mit aufschlußreichen Schaffens-
proben vertreten. Tobias Stimmer, der
lange in Straßburg gelebt hat, lieferte Vorlagen
für Holzschnittwerke des dortigen Verlegers
Jobin. Mit ihnen hat dieser hervorragende
Zeichner, der Maler und
Formschneider, Techni-
ker und Mathematiker,
Dichter und Musiker in
einer Person war, die
oberdeutsche Buchillu-
stration weitgehend be-
einflußt. Mit dem Dichter
Johannes Fischart gehör-
te er zu den Vorkämpfern
von Protestantismus und
Deutschtum. Seine Flug-
blätter und Spottgedichte
und seine volkstümlichen,
in der technischen Aus-
führung bereits viele
Merkmale des Barock-
stils vorwegnehmenden
Illustrationen sind Zeit-
dokumente hohen künst-
lerischen Ranges. Wer
die in den Feinheiten des
Holzschnittes mit dem
Kupferstich wetteifernden
Darstellungen aufmerk-
sam durchgeht, wird sie
so leicht nicht wieder
vergessen. Tobias Stim-
mer war ein bedeutender
Porträtist. Seine auf ein
Wirken in die Breite ein-
gestellte Renaissance-
natur sprach sich in einer
temperamentvollen W eise
aus, die von keinem in
den Zeiten nach Holbein
aufgetretenen deutschen
Klcinmeister übertroffen
worden ist. Eine lange
Reihe von Scheibenfissen
hebt sich aus dem reichen
Bestand der Schau her-
vor. Die allgemeinen
Schwächen der Zeit färb-
ten sichtlich auf dieses
bedeutendste Mitglied der
Künstlerfamilie Stimmer
weniger ab, als es bei
dem in Nürnberg tätigen
Jost Amman und anderen
durch ihre Fruchtbarkeit
immer von den Gefahren
des Manierismus bedrohten Zeichnern geschah.
Weiträumige Taunuslandschaften, Darstel-
lungen aus dem Schwarzwald und Porträts
stehen im Mittelpunkt einer Hans Thoma-
Ausstellung des Kupferstichkabinetts. Der
überragende Maler, der volkstümlich geworden
ist, weil er seine Kunst in Lithographien und
Radierungen popularisierte, tritt mit diesen
Blättern in die Reihe der bedeutenden deut-
schen Graphiker. Eine Zeitlang stand er unter
dem Einfluß Böcklins. Damals entstanden jene
großen allegorisch-figürlichen Darstellungen,
denen wir heute schon fremder gegenüber-
stehen. Wo sich der Meister jedoch mit gren-
zenloser Ehrlichkeit der heimischen Natur und
schlichten Motiven zuwandte, beflügelte die
Andacht zum Einfachen und Kleinen ein zeich-
nerisches Vermögen, das naive Anmut und
Frische der Beobachtung zu einem echt deutsch
klingenden Formausdruck verband.

R u b e n s, Skizze zur „Kreuzaufrichtung“ der Antwerpener Kathedrale.
Aus dem Besitz I. M. der Königin der Niederlande an das Boymans Museum,
Rotterdam, übergegangen. ^ZXX,(Foto Frequin)

Charles Despiau, Assia. Bronze. Neuer-
werbung des Boymans Museums, Rotterdam.
(Kl. Museum)

Cornelis Trost, Blindekuhspiel, um 1745. 57,5:72 cm. Neuerwerbung des Museums Boymans,
Rotterdam. (Foto Frequin)

ausgezeichnet wurde, kann wiederum einige
wichtige Neuerwerbungen für das Museum

vatbesitz stammt und durch die warmen Farben
und die freie Ungezwungenheit der Komposition
besticht (s. Abb.). Dazu kommt eine wunder-
bare, bisher unbekannte Zeichnung von Rubens
aus dem Besitz 1. M. der Königin der Nieder-
lande, die anläßlich der kürzlichen Rubens-Aus-
stellung in Rotterdam zum erstenmal gezeigt
wurde: eine Studie für das große Altarbild der
Kreuzaufrichtung zu Antwerpen (s. Abb.).
An Skulpturen sind zwei Stücke nament-
lich zu nennen: die Bronze „Ausruhender
Arbeiter“ von Constantin Meunier und eine
lebensgroße Bronze „Assia“ von Charles
Despiau (s. Abb.).
Ho I lä ml. B i I der preise
Bei van Marie & Bignell im Haag fand am
1. März eine Versteigerung von 42 alten Ge-
mälden, u. a. aus der Sammlung von Limburg-
Stirum, statt, die interessante Ergebnisse
zeitigte. So wurden bezahlt für Berckheyde
fl. 1550, zwei Bildnisse von van Boonen fl. 790,
Vier-Jahreszeiten von Brueghel fl. 3000, Coninx-
loo fl. 800, Dou (Bildnis) fl. 1300, Lodolf de Jong
fl. 750, Thomas de Keijser fl. 2300, I. Koedijk
fl. 1450, Nicolas Maes (Frauen- und Männer-
bildnis) fl. 530 bezw. 1150, Mankendam fl. 1100,
W. van Mieris fl. 575, Morland fl. 550, I. van
Ostade fl. 1350, A. Storck (Amsterdamer An-
sicht) fl. 900, D. Teniers fl. 625 und 600, A. van
de Velde fl. 1850, E. van de Velde fl. 425, W. van
de Velde fl. 1000 und Wouwermans fl. 1475.

mälde aus westdeutschem Privatbesitz unter-
stützt. Die Kupferstichkabinette in Berlin und
Hamburg haben durch Leihgaben die Bestände
des Dortmunder Museums für den Zweck dieser

Ausstellung vermehrt. Unter den Gemälden
sind z. T. wenig bekannte Werke von: P. van
den Bosch, J. van Goijen, S. van Hoogstraten,
J. M. Molenaer, J. de Momper vertreten.

Berliner Ausstellungschronik

Neuerwerbungen des Museums Boymans

Dir. Dr. Hannema, der soeben in Anerken-
nung seiner hohen Verdienste um Kunstwissen-
schaft und Museumswesen von der Universität
Utrecht mit der Verleihung des Ehrendoktors

Boymans in Rotterdam dem Publikum vorfüh-
ren. Das Meisterwerk von Cornelis Troost
(1695—1750) könnte man das Gemälde „Blinde-
kuhspiel“ nennen, das aus französischem Pri-

Eine von den portugie-
sischen Bibliotheken in
der Staatsbibliothek ver-
anstaltete Ausstellung:
„Portugal in Ver-
gangenheit und
G e g en w a r t“ bringt
außer den Druckwerken,
von denen die älteren
zum Teil mit Holzschnit-
ten verziert sind, eine
Reihe von Beispielen por-
tugiesischer Kunst in
Stichen und Photogra-
phien. Von deutschen
Büchern liegt das zwei-
bändige, 1890—95 über
die Baukunst der Renais-
sance in Portugal er-
schienene Werk von A.
Haupt aus. Von der in
portugiesischer Sprache
erschienenen Kunstlitera-
tur seien zwei Mono-
graphien hervorgehoben.
Eine 1910 erschienene
von Jose de Figuei-
r e d o behandelt den Ma-
ler Nuno Goncalves
(15. Jahrhundert), dem die
beiden Triptychen von
Sao Vicente in Lissabon
zugeschrieben werden.
Derselbe Meister soll
auch die Entwürfe für
die heute in Pastrana be-
findlichen Wandteppiche
geliefert haben, auf denen
die Einnahme von Arzila
durch Alfons V. darge-
stellt ist. H. Z.

Tobias Stimmer, Selbstbildnis. Um 1563. Donaueschingen.
Ausstellung: Berlin, Kupferstichkabinett.
(Museums-Foto

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JULIUS BÖHLER
ALTE GEMÄLDE, ANTIQUITÄTEN
UND ALTE MÖBEL
KUNSTVERSTEIGERUNGEN
MÜNCHEN BRIENNER STRASSE 12
 
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