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DIE WELTKUNST

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Jahrg. XIII, Nr. 28/29 vom 23. Juli 1939

Denkmäler der Buchkunst
i n der M ünchener Staatsbibliothek

Wie alljährlich hat auch diesmal die Baye-
rische Staatsbibliothek zur Bereicherung des
Münchener Kunstsommers ihren Beitrag ge-
leistet. Aus ihren riesigen Beständen kost-

je ein gemuggelter Halbedelstein. Auch der
goldgetriebene, mit Edelsteinen und Zellen-
schmelz gezierte Buchkasten zu dem Evange-
liar der Äbtissin Juta von Niedermünster (1002


und französischen Ein-
bände der Renaissance-
zeit sind in stattlicher
Zahl vertreten. L. F. F.
Staatliche
Graphische
Sammlung
München
Eine Auswahl der
Halm-Maffei’schen Samm-
lung, über die wir ge-
legentlich einer Sonder-
veranstaltung für die
„Freunde der Graphischen
Sammlung“ berichtet ha-
ben, wurde zum Tage der
Deutschen Kunst der All-
gemeinheit zugänglich ge-
macht. Es handelt sich
um wertvolle Blätter aus
verschiedenen Epochen
bayerischer Kunst. Be-
sonders reich vertreten
sind die Münchener Künst-
lerschaft um 1600 (P.
Candid, Sustris), die Mei-
ster des bayerischen Ro-
koko und die Landschafter
Kobell, Dillis, Wagen-
bauer usw. F.


Leo Sam ber ger, Gauleiter Staatsminister Adolf Wagner. Große
Deutsche Kunstausstellung, München. (Foto Jaeger & Goergen)

Ein wiedergefundener Breughel

Erich Mercker, „August-Thyssen-Hütte“.
baren Buchgutes, denen nur wenige Biblio-
theken Gleichwertiges an die Seite stellen
können, läßt sich immer wieder bisher Un-
gezeigtes herausholen, wenn auch das Ein-
malige — wie z. B. der bereits im Vorjahre
besprochene Codex aureus — immer wieder-
kehrt. Dieses unsagbar köstliche Werk eines
westfränkischen Goldschmiedes steht in einer
Reihe mit kaum weniger berühmten Einband-
kunstwerken z. T. aus wesentlich früherer Zeit.
So z. B. die geschnitzte weströmische Elfen-
beinplatte um 450. Eine byzantinische Elfen-
beinplatte bildet das Mittelfeld zum Einband
des Gebetbuches Kaiser Otto III. (983—1002)
aus der Bamberger Malscbrle. Der mit Gold
überzogene Deckel ist reich mit Perlen, Edel-
steinen und Gemmen besetzt, darunter eine
frühchristliche aus einem großen, dunkelgrünen
Halbedelstein. Interessant sind die Goldgehäuse
von sechs fränkischen Scheibenfibeln, die hier
als Schmuckstücke angebracht sind. Die Al-
mandineinlagen in den Zellensegmenten fehlen
zwar, dafür sitzt über der runden Mittelzelle


Thronende Maria, österreichisch
um 1310—20. Neuerwerbung des Kunsthist.
Museums, Wien. Ausstellung: Wien, Kunst-
gewerbemuseum (4 Fotos Kunsthist. Museum)

Große Deutsche Kunstausstellung, München
(Foto Hoffmann)
bis 1025), eine Regensburger Arbeit, darf nicht
vergessen werden. Aus der gleichen Zeit sind
einige rheinische und französische Elfenbein-
schnitzereien. Große Seltenheiten sind zwei
Einbände des 13. Jahrhunderts aus Kloster
Aldersbach, die mit Miniaturen bemalt sind, zu
deren Schutz man lichtgelbe durchsichtige
Hornplatten aufgelegt hat.
Bereits dem 16. Jahr-
hundert gehört die
Handschrift der Buß-
psalmen Orlando die
Lassos an, die 1565—
1570 von dem Herzogi.
Bayerischen Hofmaler
Hans Mielich ausge-
malt wurde. Der Ein-
band ist rotes Juchten
mit reichem silber-
vergoldeten Beschlag
und ebensolchem bay-
erischen, emaille-
geschmücktem Wap-
pen. Die Meister sind
der Buchbinder Kaspar
Ritter und der Gold-
schmied Georg Segh-
kein, beide aus Mün-
chen. Fast gleich-
zeitig sind die schönen
Einbände für Johann
Jakob Fugger (1516—
1576) und für Herzog
Rupprecht von der
Pfalz (1527—1575).
Besondere Hervor-
hebung verdienen die
Kollektion von Arbei-
ten des berühmtesten
der deutschen Buch-
binder, Jakob Krause,
der erst in Augsburg
und seit 1560 am
Dresdener Hofe tätig
war. Auch die herr-
lichen italienischen

Eine besonders wichtige Entdeckung, die
weit über das gewöhnliche Maß solcher Ereig-
nisse hinausgeht und die alle Kreise der Kunst-
sammler und -händler Englands und des Kon-
tinents in wochenlange Spannung brachte, kam
am Freitag, dem 14. Juli, bei Christie in Lon-
don zur Versteigerung. Es handelte sich um
ein Werk des alten Pieter Breughel, welches
auf einer Eichenholztafel von 37X55 cm die
Flucht nach Ägypten inmitten einer gebirgigen
Landschaft mit weitem Panorama darstellt.

Dies Werk läßt sich in zeitgenössischen Ur-
kunden und Katalogen nachweisen und befand
sich 1607 in der Sammlung des Kardinals Gran-
vella in Brüssel, von wo es in die Sammlung
des Peter und Paul Rubens gelangte, wo es
bis zu dessen 1640 erfolgtem Tode verblieb.
Am Anfang des 18. Jahrhunderts verliert sich
die Spur des Bildes, bis es nun unter weniger
romantischen Umständen wieder auftauchte. Das
Thema der „Flucht nach Ägypten“ hat Breughel
nochmals in einer Federzeichnung (jetzt im


Pieter Breughel d. Ae., Flusslandschaft mit Flucht nach Ägypten 37: 55 cm.
auf der Versteigerung bei Christie’s, London, am 14. Juli 1939; £ 8190

Das neuentdeckte Werk brachte
(Foto Christie)

JULIUS BÖHLER
ALTE GEMÄLDE, ANTIQUITÄTEN
UND ALTE MÖBEL
KUNSTVERSTEIGERUNGEN
MÜNCHEN BRIENNER STRASSE 12

Kupferstichkabinett zu Berlin) behandelt, die
allerdings später entstanden ist, als das hier
besprochene Gemälde, das von allen maßgeben-
den Kennern einstimmig in die Frühzeit des
Meisters verwiesen wird: etwa um 1557, also
bald nach der Italienreise des Meisters, der wir
die berühmte Ansicht des Hafens von Neapel
verdanken, mit der die „Flucht“ eng zusammen-
hängt. Das meisterhaft komponierte Bild, ge-
malt in den herrlichsten Farbtönen, das für
jeden Sammler, für jedes Museum einen be-
gehrenswerten Besitz darstellt, rief auf der
Auktion einen lebhaften Kampf hervor. Dieser
heiße Kampf wurde unter allgemeinem Er-
staunen der zahlreichen Anwesenden von einem
dem Kunsthandel unbekannten französischen
Grafen gewonnen, der für diesen Breughel die
Summe von £ 8190 bezahlte (rund 100 000 RM).
Später stellte sich heraus, daß dieser Graf von
der bekannten englischen Firma Colnaghi be-
auftragt war, das Bild für diese zu erwerben,
die sich beim Kauf durch eine Privatperson
einen niedrigeren Preis versprach. Da aber zu-
viele Kenneraugen das Bild bereits an den Be-
suchstagen gesehen und studiert hatten, gelang
dies Manöver nicht und der hohe Preis, der
naturgemäß im Handel noch eine Erhöhung
 
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