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DIE WELTKUNST

Jahrg. XIII, Nr. 38/39 vom 1. Oktober 1939

streng systematisch, trotzdem ergibt sich eine
übersichtliche Gruppierung. Die „alten Meister“
vom 15. bis in das 17. Jahrhundert umfassen
auch nichtdeutsche Blätter und standen dem
Sammler ferner. Trotzdem sind in den langen
Jahren auch aus diesen Zeiten bei geringer
Gesamtzahl manche ungewöhnlichen Blätter
erworben worden. Obenan ein paar kostbare
anonyme Deutsche und Niederländer des 15.
Jahrhunderts, Blätter aus dem Kreise Holbeins,
Baldungs, Burgkmairs, Cranachs u. a. Deutsche
des frühen 16. Jahrhunderts. Eine hübsche
Sammlung von Barockzeichnungen, eine schöne
Originalzeichnung von Rembrandt aus der
Sammlung Artaria, feine Holländer des 17. Jahr-
hunderts, und auch einige gute Italiener, Spa-
nier und Franzosen.
Mit dem 18. Jahrhundert nähern wir uns
schon dem eigentlichen Interessengebiet des
Prinzen. Hier gibt es sehr schöne Porträts
von Graff, eine Serie Blätter der Familie Tisch-
bein, hübsche Chodowieckis usw. Diese Blät-
ter gehörten meist zu dem sächsischen Kunst-
kreis, der als besondere Liebhaberei zu einer
reichen Sammlung bis weit in das 19. Jahr-
hundert hinein ausgebaut wurde. Dabei sind

die Dresdner natürlich maßgebend, die Dahls,
Carus, Kügelgen, Wagner, und besonders Lud-
wig Richter mit einer langen Serie von Zeich-
nungen und Aquarellen aus allen seinen Lebens-
zeiten.

Das eigentliche Herzensinteresse des Samm-
lers galt aber den Nazarenern, diese Bezeich-
nung im weiten Umkreis genommen. Und hier
ist eine Sammlung entstanden, wie sie so reich
und bedeutend seit Cichorius Zeiten kein
zweites Mal in Privathand vereinigt wurde.
Beginnend mit Carstens und Koch, von dem
eine ganze Serie schönster Blätter vorhanden
ist, geht es zu Cornelius (s. Abb. S. 1), Olivier,
Overbeck, Schnorr, Führich, Naecke, Veit. Von
jedem dieser Künstler sind ganze Spezialzeich-
nungen zusammengekommen mit vielen köst-
lichen frühen, hie und da auch farbigen
Blättern. Der Liebling des Sammlers war
Steinle, der über sein ganzes langes Leben
hin reich vertreten ist. Geradezu als eine
Zusammenfassung dieser Abteilung kann man
einen großen farbigen Entwurf zu einer
Wand der Casa Bartholdi bezeichnen, an
dem Cornelius, Overbeck, Veit und Schadow
gemeinsam gearbeitet haben. Zu einer kleinen
Spezialsammlung vereinigen sich aus diesem
Kunstkreis eine große Zahl Darstellungen zürn
Dante.
Die Romantiker treten dem Umfange nach
gegen die Nazarener zurück. Wenn man aber
manche ihnen naheste-
henden Landschafter da-
zunimmt, so ergibt sich
auch hier eine stattliche
Sammlung. Einige der
Hauptmeister gehören ja
zu den Sachsen. Hier
steht nun vor allem Fohr
mit einigen herrlichen
Blättern an der Spitze
(s. Abb.). Aber noch viele
Namen wären zu nennen,
so Rebenitz, Horny, Les-
sing, Rethel, Kersting, die
Kobells. Es gibt eine
ganze Sammlung schön-
ster Zeichnungen von
Dillis, von Fries usw.
Zu dieser Abteilung könn-
te man eine Zusammen-
stellung von auf den
T o d bezügliche Darstel-
lungen rechnen, zu der
v>ele Künstler beigetra-
gen haben.
Im besonderen muß
hingewiesen werden auf eine kleine aber feine
Gruppe von Künstlern der Ostmark, speziell
Wiens. Gerade hier finden sich einige der
erlesensten farbigen Blätter von Rudolf von
Alt (s. Abb.), Fendi, Waldmüller u. a.


Karl Fohr,
von Sachsen

Ansicht von Nürnberg.

Sammlung Prinz Johann Georg
(Foto C. G. Boerner)


Rudolf von Alt, Der Stefansdom in Wien. Aquarell, 1846
Sammlung Prinz Johann Georg von Sachsen (Foto C. G. Boerner)

Über das ganze 19.
Jahrhundert erstreckt
sich die Vorliebe des
Sammlers für das Künst-
ler-Skizzenbuch. An die
400 solcher Skizzenbücher
sind vorhanden, und man
braucht nur Namen wie
Koch, Steinle, Horny,
Dahl, Veit, Schnorr, Spitz-
weg, Schwind zu nennen,
um die Bedeutung auch
dieser Gruppe zu kenn-
zeichnen.
Daß die lebende Kunst
nicht übersehen werden
konnte, ergab sich schon
aus der hohen Stellung
des Sammlers. Vieles da-
von interessiert heute
nicht mehr, aber es fehlt
in dieser Gruppe kaum
ein Name von den 90er
Jahren bis zum Welt-
krieg, besonders mittel-
deutscher und süddeut-
scher Kunst, soweit sein
Träger auch als Zeichner
etwas bedeutete. Was
man aber nach 1900 als
„modern“ bezeichnete,
winde grundsätzlich ab-
geiehnt.
Nach dem Aufgezähl-
ten wird man ermessen
können, daß es keine
zweite private Hand-
zeichnungssammlung in
Deutschland gibt, die so umfassend und so auch
im einzelnen allen Interessenten neuer Kunst
etwas bietet, und daß besonders die deutschen
öffentlichen Sammlungen, die großen und die
kleinen, die mit wissenschaftlichem und die mit
lokalem Interesse, die mit bedeutenden und die
mit bescheidenen Mitteln, hier eine Gelegenheit

zu Erwerbungen haben, die so nicht wiederkehrt.
Denn diese Sammlung soll verkauft werden.
Die Firma C. G. Boerner ist mit ihrer Ver-
steigerung betraut worden. Eine erste Auktion
war für den kommenden November angesetzt.
Wann sie stattfinden wird, kann noch nicht
entschieden werden.

Kunstausstellungen in Deutschland

Während im Auslande fast alle künstle-
rischen Veranstaltungen abgesagt wurden,
nehmen sie in Deutschland ihren planmäßigen
Verlauf oder werden, falls nicht dringende
Gründe vorliegen — was etwa bei der mit der
militärischen Einberufung vieler Mitglieder und
Künstler begründeten Zurückstellung des Prei-
ses der Preußischen Akademie nur allzu be-
gründet ist — wieder aufgenommen. Keinen

schlagenderen Beweis für diese Tatsache gäbe
es, als die Nachricht, daß die Mitte Juli eröff-
nete Große Deutsche Kunstausstellung in Mün-
chen vor kurzem den 300 000. Besucher zählen
konnte, wobei besonders hervorgehoben zu
werden verdient, daß allein am letzten Sonntag
über 5000 Personen diese Ausstellung besuchten:
ein Zeichen dafür, wie stark gerade auch in
dieser schicksalhaften Zeit das Bedürfnis des

Sabba da Castiglione und sein Studiolo
Von Kurt Karl Eberlein

Wer sich um die Geschichte der Museen
und der Sammler bemüht, wird immer wieder
auf eine Sonderform der Privatsammlung
stoßen, die für den neuen Sammlertyp des
16. Jahrdts. bezeichnend war, auf das „studiolo“
der italienischen Renaissance. Die neue modisch
bestimmte Innendekoration des Hauses gab dem
Studierzimmer des Renaissancemenschen eine
neue Bedeutung, welche der höfisch erzogene
Adelige noch mehr beachtete als der reiche
Bürger. So kam es, daß die Erziehungslehre
auch diese Fragen besprach und somit eine
wichtige Quelle für die Geschichte der italie-
nischen Innendekoration wie des Sammelwesens
wurde. Das. berühmte Erziehungsbuch des
Balthazar Castiglione „II Cortegiano“ erschien
1527, und 1546 erschienen von einem verwand-
ten Edelmann derselben Familie die als Er-
ziehungsbuch für seinen Neffen Fra Bartolo-
meo geschriebenen „Ricordi“ des Sabba da
Castiglione, ein Buch, das bis 1584 neue Auf-
lagen erlebte, heute aber vergessen ist, trotz-
dem diese Lebenserinnerungen eines geist-
vollen Kunstsammlers Beachtung verdienen.
Von dem studiolo dieses vergessenen Kunst-
freundes, den uns die trefflichen „Etudes“ des
Franzosen Edmond Bonnaffe wieder belebt
haben, soll hier die Rede sein.
Der um 1485 geborene Mailänder Cavaliere,
der erst in Mailand und Pavia studierte, dann
Bildungsreisen machte, 1505 in Rhodos als
Johanniterritter lebte und 1508/16 diesen Orden

in Rom vertrat, zog sich nach schwerer Ver-
wundung als einsamer Junggeselle in das stark
beschädigte Kloster Magione di Faenza zurück,
das er über 35 Jahre bis zu seinem 1554 er-
folgten Tode leitete. Er ließ die Kapelle und die
Gärten am Fuße des Berges Formicone ge-
schmackvoll wiederherstellen und lebte als
vornehmer Einsiedler, als stiller weiser Kunst-
genießer in seinem studiolo selbstzufrieden hin.
Nur sein Buch, dessen Handschrift die Bibliothek
in Faenza bewahrt, hat ihn der Vergessenheit
entrissen und ihn neben seinen berühmten Ver-
wandten gestellt, obschon der bescheidene ver-
armte Mann gewiß kein Cortegiano war. Nun
aber, als der Gealterte seine Erinnerungen
niederschrieb, das alte Italien, die Freunde und
Künstler seiner Jugend und das stoische Ideal
seines Alters beschwor, wurde der Erzähler
zum Kunsthistoriker und zum Erzieher. Das
Kapitel über die Innendekoration des Hauses und
das über sein studiolo sind besonders wichtig.
Zunächst schildert Castiglione, was andere
Kunstfreunde Italiens zum Schmuck ihrer Ka-
binette verwenden: Musikinstrumente aller Art,
Antiken oder neue Bildwerke von Donatello,
Michelangelo und anderen Bildhauern, Medail-
len und geschnittene Steine, Gemälde italie-
nischer Meister, deutsche oder italienische
Kupferstiche und Holzschnitte, gewebte und
gemalte Bildteppiche verschiedener Herkunft.
Mit feinem Spott zitiert er gegen das Luxus-
sammeln die alte Geschichte von dem Zyniker

Diogenes, — die meist von dem spanischen
Gesandten und seinem Besuch bei der Imperia
erzählt wird, — der dem Besitzer einer über-
reichen Kunstsammlung ins Gesicht spuckte,
weil jeder andere Fleck zu schade gewesen
wäre. Daß weder die Masse noch das Geld die
Sammlung machen, sondern der Geschmack
und der Geist des Sammlers, das war den Edel-
leuten von damals selbstverständlich. Schließ-
lich schildert Sabba sein eigenes studiolo in der
Magione, das wir uns schlicht getäfelt, mit
Balkendecke, Kamin, gemalter Impresa, Wand-
borden, großen Tischen und Truhen denken
wollen. Er nennt aber nur einige Perlen seiner
Sammlung als Beispiele: Die Marmorbüste des
jugendlichen Johannes von Donatello, das Hoch-
relief des Hl. Hieronymus von seinem Freunde
Alfonso Lombardo von Ferrara, ein kleines
Intarsienbild und zwei Apostelköpfe von Fra
Damiano da Bergamo, eine herrliche antike
Alabastervase neben vielen kleinen Sachen. Zu
dieser „alte cosette“ gehörten aber auch köst-
liche Stiche des „göttlichen“ Dürer, dessen
deutsche Art er über alles liebte, Handzeich-
nungen, die der Kenner den Gemälden vorzog,
kostbare eingelegte Waffen, eine gewählte
Bücherei, in der alle Modeliteratur fehlte, aber
leider auch die als das Beste von ihm gerühmte
Virgilhandschrift mit Notizen Petrarcas und
Illustrationen Simone Memmis, heute noch ein
Stolz der Mailänder Ambrosiana. Nur eines, für
das sein Geld nicht reichte, wünschte sich
Castiglione vergebens in sein studiolo, einen
großen Stahlspiegel von dem deutschen Meister
Giovanni della Barba, der damals durch mathe-
matische Geräte, Sphaeren, Globen, Astrolabien

bekannt war. Denn ihm, dem alten Denker, war
der Spiegel der wahre Freund und Berater des
Weisen, nicht der Diener der Eitelkeit.
Das studiolo des Sabba da Castiglione, die
Kunstkammer eines geschmackvollen Sammlers,
der mehr Kultur besaß als so mancher Fürst
und Maecanas, ist nicht erhalten, wohl aber
sind seine liebsten Kunstwerke von Donatello,
Damiano und die Alabastervase in der Pinaco-
teca communale und das Relief von Lombardo
in Privatbesitz in Faenza bewahrt. Die kleine
Bücherei ging sogar erst 1830 in alle Winde.
Der vornehme antiquarius, der so viele bedeu-
tende Menschen und Künstler kannte und dem
versunkenen Italien seiner Jugend nachtrauerte,
war eine einsame Stimme, die offenbar nicht
vergeblich zu dem neuen Italien der Spät-
renaissance sprach, wenn sich auch vieles ge-
ändert hatte nach dem Einfall der Franzosen.
Diese aber haßte er so sehr, daß er ihnen in
seinen „Ricordi“, ohne eine Spur des Beweises,
die Zerstörung des berühmten Denkmal-Model-
les von Leonardo, des „Pferdes von Mailand“,
zuschrieb. Noch heute erzählen die mit dem
Fresco seines Freundes Girolamo da Trevigi
geschmückte Kirche in Magione di Faenza, sein
Grab hinter dem Altar und seine seltsamen
„Ricordi“ — die in der venezianischen Ausgabe
von 1554 sein Bildnis zeigen — von diesem
überlegenen „Solitarius seipso contentus“.
Bonnaffe, dessen treuer Forschung wir die
Wiederentdeckung dieses sympathischen Origi-
nals verdanken, hatte Recht, wenn er nicht nur
den Schriftsteller, sondern auch den Sammler
verehrend hervorhob: „II a sa place dans la
galerie des anciens collectionneurs.“

PAUL ROEMER
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