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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 3.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.3433#0156
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BESPRECHUNGEN.

wegen des neuen Problems: der Stimmungslandschaft? Ferner haßte Goethe die
Kunst der Nazarener, und darin sah er sich einig mit unserer Malergruppe. Liegt
da nicht vielleicht auch ein stark einigendes Band? Immerhin hat Peltzer nach-
gewiesen, daß Goethe jene Maler förderte und ihnen half. Und eine ausführliche
Arbeit über die Kunstanschauungen des alten Goethe wäre höchst willkommen. Nur
müßte sie ganz frei sein von blindem Enthusiasmus für den großen Meister. Und
dieser Gefahr ist unser Autor nicht ganz entronnen!

Prag. Emil Utitz.

Emil Mauerhof, Götzendämmerung. R. Mühlmanns Verlagsbuchhandlung
in Halle a. S., 1907, 8°. VIII u. 508 S.

Unter diesem Titel bringt der Verfasser drei Abhandlungen über »Menschen
und Dinge«, »die zu ihrer Zeit ein außerordentliches, zum Teil freilich künstlich
aufgebauschtes Ansehen genossen, jetzt aber bereits langsamen Schrittes der Abend-
dämmerung entgegenzustreben scheinen«. Es sind dies: das naturalistische Drama,
Ibsen und Nietzsche. Für die Leser dieser Zeitschrift kommt vornehmlich die erste
Abhandlung in Betracht, und lediglich auf sie soll sich mein Bericht erstrecken.
Ich glaube, daß dies genügen wird, um den Leser über den Geist dieses Werkes
zu orientieren.

Vor allem ist sich der Verfasser durchaus unklar, was denn eigentlich »Natu-
ralismus« bedeutet. Nur so ist es erklärlich, daß er Maeterlinck und Oskar Wilde
zu den Hauptführern des Naturalismus rechnet, obgleich sie ja gerade ins entgegen-
gesetzte Extrem verfallen. Dafür vergißt er völlig Arno Holz und Johannes Schlaf,
die ja zu den Begründern dieser Bewegung zählen; er vergißt Georg Hirschfeld
und manche andere. Aber Mauerhof lehnt ja jede entwickelungsgeschichtliche oder
historische Betrachtungsweise ab und will rein »kunstphilosophisch« ans Werk gehen;
trotzdem sieht er sich veranlaßt, in flüchtigen Strichen ein kleines Kulturbild zu
geben: »... aber Reichtum und Kretinismus sind gleichwohl die hervorstechendsten
Erscheinungen in einem gesellschaftlichen Bilde, in dessen Mitte protzig und all-
beherrschend der literarische Geschäftsmann sitzt.« Dieses »Gemälde« hält er für
viel zu wenig düster; es bleibt weit hinter der Wirklichkeit zurück. Nun wendet
er sich der Analyse von Kunstwerken zu; jüngst hat Max Dessoir in seiner »Ästhetik
und allgemeinen Kunstwissenschaft« auf die mannigfachen diesbezüglichen Schwierig-
keiten hingewiesen. Der Verfasser kennt sie nicht; ihm genügen meist Schimpf-
namen, und wo dies nicht geht, versucht er es mit schlechten Witzen. Ich gebe
ein paar Beispiele: O. Wildes Johannes (aus der »Salome«) ist einfach ein »jüdisches
Mondkalb, das seine geschwollenen Phrasen in die Luft schleudert....« Den Inhalt
von G. Hauptmanns »Einsame Menschen« gibt er folgendermaßen wieder: ».. . die
Gattin verzweifelt, Fräulein Anna hofft noch immer, und Herr Johannes steht wie
Buridans Esel vor zwei gleich verführerisch schönen Heubündeln — rechts die
Familie, links die Seelenbraut — und kann sich nicht entscheiden.« Er ist ein
»lappiger Faselhans« und Fräulein Anna ist eine »abenteuernde Männerfischerin«.
In einer Anmerkung berichtet Mauerhof, welch großen Erfolg er mit diesen An-
schauungen errungen habe: gelegentlich eines Vortrages kam das »älteste« weib-
liche Mitglied der weimarischen Hofbühne »freudig erregt« auf ihn zu, drückte ihm
die Hand und dankte ihm für die Erlösung.

Aber hie und da findet der Verfasser auch wohlwollende Worte; er spendet
sie H. Sudermann. »Er beobachtet scharf und urteilt mit einem überlegenen Ver-
stände. Dabei ist er ehrlich und ohne Scharlatanerie.« Offenbar verwechselt unser
Verfasser geschickte Mache mit künstlerischem Schaffen. Und ganz konsequenter-
 
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