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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 3.1908

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Buechler, Karl: Die ästhetische Bedeutung der Spannung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3433#0213
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DIE ÄSTHETISCHE BEDEUTUNG DER SPANNUNG.

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nur die elektrische Spannung, die Oberflächenspannung, der Ton (vom
griechischen tovo? = Spannung) erwähnt *). Endlich wird der »Kraft-
hegriff« der objektive Ausdruck für die erlebten Spannungsempfin-
dungen, und alle Bewegung erscheint dem Physiker als Umwandlung
v°n potentieller Energie oder Spannkraft in aktuelle.

Während also die Spannungsempfindungen auf das Objekt hin-
jeiten, wird in den Spannungsgefühlen das eigenste Wesen des Sub-
jektes berührt. Die Spannung ist wohl immer nach beiden Seiten hin
orientiert, da ja zu jeder psychologischen Erfahrung Empfindungen
und Gefühle als objektive und subjektive Faktoren gehören2). Wo
^'ne Spannungsempfindung erregt wird, zeigt sie sich mit einem
^Pannungsgefühl verbunden. Das häufige Vorkommen der Spannungs-
gefühle ist vornehmlich durch Wundt festgestellt worden; ja er neigt
dazu, sie nicht nur als die häufigst en s), sondern sogar als die stän-

'gen Begleiter unserer sonstigen Bewußtseinszustände anzunehmen.

Ie Grundtatsache des Spannungsgefühles ist jedenfalls in seinem

egriff der Apperzeption gefaßt, in dem einfachen Akt der Aufmerk-
samkeit, der von Spannung und Lösung begleitet ist4). Von dieser

aren Auffassung eines psychischen Inhaltes oder Bewußtwerdung
desselben sagt er ganz deutlich, »daß es einen Apperzeptionsakt ohne
^Pannungsgefühle überhaupt nicht gibt« 5). Denn die Spannung der
Aufmerksamkeit ist »immer beides zugleich: ein Spannungsgefühl und
eine dieses Gefühl begleitende Spannungsempfindung«; und diese Span-
nungsempfindungen treten namentlich in den Muskelgebieten der Sinnes-
0rgane auf6). So sind also alle Vorgänge der Aufmerksamkeit, der
unwillkürlichen und der willkürlichen, von Spannungsempfindungen

nd Spannungsgefühlen begleitet, nicht nur das einfache Wahrnehmen
JAPperzipieren), sondern auch das Vorstellen, das Denken und ganz

esonders die Willensvorgänge. Diese Spannungen, die auch dem

ngeschulten Blicke bemerkbar sind, stellen sich für die Forschung als

) Aus der Verwandtschaft der Begriffe Spannung, Ton, Zahl ergeben sich be-
same metaphysische Perspektiven (Pythagoräer), auf die nur kurz hingewiesen sei.
*) Wundt, Gr. d. Psych. S. 44.
f . 3) Wundt, Phys. Psych. III, S. 93 u. II, S. 296, »durch das beinahe jeden Sinnes-
eiz begleitende Spannungsgefühl«.

") Wundt, Gr. d. Psych. S. 252. — Dieser Begriff hat hier lediglich empirisch-
Psychologische Bedeutung, Phys. Psych. III, S. 350.
? Wundt> phys. Psych. II, S. 334/335.

f!) Näher beschrieben wird diese Beteiligung der Spannungsempfindungen und

jpiuhie an der Apperzeption bei Wundt, Gr. d. Psych. S. 264 und Phys. Psych. III,

'- Ö6. Aber auch Th. Ziehen, Leitfaden der physiologischen Psychologie, 6. Aufl.,

"a 1902, S. 208, wenngleich viel enger gefaßt. Umfassender wieder bei Th. Lipps,

Ästhetik I, S. 295/297.

2ei'schr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. III. 14
 
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