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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

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Major, Erich: Die Frage des Selbstzweckes
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https://doi.org/10.11588/diglit.3621#0366

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360 BEMERKUNGEN.

Wallaschek und einigen anderen Gelehrten die Vorbereitung des Wiener Kongresses
in die Hand genommen; als ich ihn zum letzten Male sprach — es war im Ok-
tober 1916 —, hielt er an der Hoffnung fest, daß in absehbarer Zeit eine zweite
Tagung möglich würde, war jedoch in bezug auf den Ort zweifelhaft geworden.
Mir schien und scheint es, daß wohl noch Jahre vergehen müssen, bis ein neuer
Kongreß — in welcher Form immer — sich verwirklichen lassen wird.

Den ausgezeichneten Gelehrten wird unsere Wissenschaft nicht vergessen; des
prachtvollen, zuverlässigen, ritterlichen Menschen werden alle, die ihm nähertreten
durften, für die Zeit ihres Lebens mit Herzlichkeit gedenken.

Berlin. Max Dessoir.

Die Frage des Selbstzweckes. *

Von

Erich Major.

Immer wieder ist die Behauptung zu hören, die wesentliche Eigenschaft des
Kunstwerkes sei, daß es um seiner selbst willen erzeugt werde und keinen
anderen praktischen Sinn habe. Ist jedoch der Selbstzweck irgendwie bestimmend
für Wert oder Unwert einer Handlung? Selbstzweck bedeutet, daß der Handelnde
gleichsam die Folgen seiner Tätigkeit vergißt und vollständig und restlos in ihr
aufgeht. Damit ist jedoch über die Eigenschaft der Handlung selbst noch gar
nichts gesagt. Gewiß, das Gute mag besser werden, wenn wir es um seiner selbst
willen betreiben. Ebenso wird jedoch auch das Böse um so böser, wenn es
Selbstzweck wird und in sich selbst Genüge findet. Im allgemeinen läßt sich sogar
behaupten, daß das Vergessen des Zweckes eher gefährlich als nützlich ist. Dein
Geizhals ist das Aufhäufen von Geldstücken Selbstzweck. Er denkt an keine prak-
tische Möglichkeit der Verwendung. Er kümmert sich um nichts anderes als darum,
wie er möglichst viel Münzen aufzustapeln imstande sei. Der Bureaukrat schreibt
um des Schreibens willen. Er fühlt förmliche Befriedigung darüber, daß alles mög-
lichst in steifen Formen geschehe, und er genießt, wie es bei Moliere und Racine
dargestellt wurde, die Tätigkeit der richterlichen Entscheidung als solche, mag sie auch
noch so sehr mit dem praktischen Sinne seines Vorgehens in Widerspruch kommen.
Alle Laster entstehen dadurch, daß Tätigkeiten um ihrer selbst willen getrieben werden,
die sonst ihre Bestimmung im menschlichen Charakter haben. Der Trinker trinkt
nicht, um den Durst zu löschen, sondern um des Trinkens willen. Der Vielfraß
verzehrt nicht, um den Hunger zu lindern, sondern aus der blinden Tätigkeit heraus,
die ihre Richtung vergißt und innerhalb des Organismus zu einer autonomen Macht
geworden ist.

Es zeigt sich somit, daß mit dem Worte Selbstzweck noch gar nichts über
Wert oder Unwert einer Tätigkeit gesagt ist und daß jede Wissenschaft, die diesen
Begriff in den Mittelpunkt stellt, die Möglichkeit verliert, zum eigentlichen Wesen
der von ihr besprochenen Handlungen zu kommen.

Was bedeutet Selbstzweck? Wir haben zwei Kräfte in den menschlichen
Tätigkeiten zu finden geglaubt: Funktionslust und Ökonomie1). Der Organismus

') Siehe Erich Major: Die Quellen des künstlerischen Schaffens, Klinkhardt
& Biermann, Leipzig.
 
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