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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

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BESPRECHUNGEN. 37g

Die Bestrebungen der neueren Komponisten gehen gerade wieder darauf aus, das
Literarische, Naturalistische, die Tonmalerei, die Klangfarben der Instrumente, kurz
den ganzen zur Manier erstarrten Apparat der Neuromantik über den Haufen zu
werfen, und der Musik wieder ihre frühere Rolle, durch Melodie und Harmonie
rein gefühlsmäßig zu wirken, zurückzugewinnen. Werke wie die achte Sinfonie
von Mahler sind nicht die Vorzeichen der kommenden ".Kunst, sondern ragen aus
der Epoche Beethoven-Berlioz-Liszt-Wagner in die neue Zeit hinein. Die kommende
Zeit äußert sich in einem Suchen nach neuem Ausdruck mit den einfachsten
Mitteln.

Den gröbsten Fehler begeht aber Bekker, wie so viele Soziologen, in der stän-
digen Verwechslung von Staat und freier gesellschaftlicher Vereinigung.
Diese beiden Begriffe müssen aufs schärfste geschieden werden. Wir haben mit
dem gegenwärtigen Aufbau des Staates bei praktischen Vorschlägen zur Verbesse-
rung gegenwärtiger Zustände zu rechnen, und können uns nicht an das ideale
Staatsbild eines Plato oder Rousseau halten. Der gegenwärtige Staat ist aber sicher
ungeeignet, hier einen Wandel zu schaffen. Kunst kann nur in freier Konkurrenz
geschaffen und gepflegt werden, jedes Eingreifen des Staates muß schaden. Etwas
anderes ist die Schaffung freier Vereinigungen aus der Mitte der Musiker heraus zur
Lösung gewisser materieller Fragen. Infolge der ständigen Verwechslung von Staat
und freier gesellschaftlicher Vereinigung sind die Vorschläge Bekkers zur Verbesse-
rung des Unterrichts und des Theaterwesens utopistisch, dagegen die Vorschläge
zur Beseitigung des Agenturwesens auf gesellschaftlicher Grundlage klar, und leicht
durchführbar.

Wichtig ist, und darin sehe ich die Bedeutung von Bekkers Buch vor allem,
daß hier in so ernsthafter Weise und mit großer Sachkenntnis die Faktoren, welche
unser Musikleben ausmachen, durchgearbeitet worden sind. Je mehr Widerspruch
sich gegen Einzelheiten erheben wird, desto mehr wird dies der Sache dienen. Wir
wollen hoffen, daß diese Probleme sobald nicht mehr zur Ruhe kommen werden,
und daß aus der kunstwissenschaftlichen Diskussion dieser Fragen wieder — wie
zur Zeit der Florentiner Akademie, der Gluckschen Reform und des Enzyklopädisten-
streites — eine neue Blüte der Musik hervorgehen wird.

Wien. Egon Wellesz.

Geza Revesz, Erwin Nyiregyhäzi. Psychologische Analyse eines musika-
lisch hervorragenden Kindes. Leipzig, Verlag von Veit & Co., 1916. 148 S.

Revesz beschreibt in seinem Buch die musikalischen und akustischen Fähig-
keiten des Knaben Erwin Nyiregyhäzi, über den er schon 1910 auf dem Kongreß
für experimentelle Psychologie in Innsbruck eine kurze Mitteilung veröffentlicht hat.
Innerhalb dieser sechs Jahre, dem siebenten bis dreizehnten Lebensjahre Erwins, hat
Revesz den hochbegabten Knaben wiederholt mit großer Liebe und doch möglichster
Objektivität eingehenden psychologisch-akustischen Experimenten und musikalischen
Prüfungen unterzogen. Auch Referent hat den Knaben verschiedentlich musikalisch
beobachtet und gemeinsam mit Prof. Stumpf und Dr. v. Hornbostel akustisch unter-
sucht, so daß er an den einschlägigen Stellen seine eigenen Resultate den Revesz-
schen hinzufügen wird.

Revesz bespricht zunächst die Entwicklung von Erwins musikalischem Talent.
Welche elterliche Linie für eine event. Vererbung maßgebend ist, läßt sich in diesem
Falle nicht feststellen; aber sicher sind in beiden Linien musikalische Vorfahren
nachzuweisen. Schon vor der Periode der eigentlichen Sprachentwicklung gelang
 
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