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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 1
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Stoltenberg, Hans Lorenz: Sinnen- und Übersinnenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0008

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HANS LORENZ STOLTENBERG.

dachten Wesen entweder von außen her in ihren Wahrnehmungen
irgendwie gegeben oder sie können von ihnen — entweder bloß in
Anlehnung an ihre gehabten Wahrnehmungen oder auf Orund der
Kenntnis der Ordnungsformen — selber hervorgerufen werden: sei
es bloß in der eigenen Vorstellung, sei es in der Darbietung der Be-
wegungen ihres eigenen Leibes (Sprechen, Singen, Tanzen), sei es
endlich in der Schaffung von Werken (Bauwerken, Malwerken, Bild-
werken). Wie nun solche gegebenen Wahrnehmungen ganz verschieden
erlebt werden können, bald als Quelle der Belehrung, bald als Mahnung
zum Handeln, bald auch als Gegenstand reinen Erfühlens, so kann
auch dies Eigengeschaffene (diese Vorstellungen, Selbstdarbietungen
und Werke) den allerverschiedensten Sinn haben. Es kann der eigenen
oder fremden Aufklärung dienen, den eigenen oder fremden Willen
anreizen, aber auch bestimmte Fühlungen und Stimmungen ausdrücken
und in anderen erwecken. So sind im besonderen die Werke im ersten
Fall Lehrsachen, im zweiten Werbsachen, im letzten Kunstsachen.

Unter diesen Kunstsachen gibt es nun zwei ganz verschiedene
Arten. Einmal benutzen sie die oben genannten Urstücke der Ord-
nungsformen der Empfindungen wesentlich für sich und unmittel-
bar, um entweder durch die bloßen Formen der Anordnung oder
aber auch noch durch die den Empfindungen, den hohen und den
tiefen Tönen, den hellen und den dunklen Farben, als solchen anhaf-
tenden Sinnengefühle bestimmte Stimmungen auszudrücken. Das sind
dann Werke der reinen Sinnenkunst. Nach den Arten der An-
schauung zerfallen ;sie in solche der Zeitkunst (einfache Tonfolgen),
der Raumkunst (geometrische Ornamente) oder der Raumzeitkunst
(Orchestermusik) oder der Zeitraumkunst (gewisse Arten des Tanzes
und bunte Farbspiele). Außerdem lassen sich diese Werke natürlich
noch danach einteilen, mit welchen Empfindungsarten sie arbeiten, ob
sie zur Seh- oder Hörkunst gehören oder etwa auch zur immerhin
denkbaren Getast- oder Geruchkunst. Von der letzten hat schon in
der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Pater Castel, der auch der
Erfinder des Farbenklaviers war, auf Grund seiner starken Einstellung
aufs Seelische gesprochen. Endlich unterscheiden sich diese Werke
noch dadurch, in welchem Umfange die notwendigen Sinnesempfin-
dungen zum Ausdruck herangezogen werden. Es gibt Künste, die
benutzen nur eine Art und eine Stärke einer Empfindung, um damit
Formen der reinen Anschauung zu schaffen, wie etwa in den einfachen
Schwarzweißzeichnungen reiner Ornamente, oder sie ziehen zwar nur
eine Art Empfindung heran, aber diese dann wenigstens in einer
großen Anzahl von Stärken, wie etwa im Trommelspiel. Man könnte
diese trotz ihrer Empfindarmheit manchmal schon ausdruckreichen
 
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