22 GEORG KLATT.
dem Gegenstände selber zu tun. Anstatt daß die zackigen Gipfel mit
runden Perlen verglichen werden, was unsere Vorstellung nur in eine
falsche Bahn bringt, wäre es uns lieber, wenn uns ihre Form so klar
gezeichnet würde, daß wir sie vor uns zu sehen glaubten. So aber
ist es nichts als ein bloßer Aufputz, eine übel angebrachte »Verschöne-
rung« der Natur.
Wenn ich die Schönheit der Birke schildere und ihre Krone mit
einem Springbrunnen vergleiche, so will ich damit nur den feinbogigen
Bau der Zweige, ihr leichtes Herabrieseln ausdrücken. Wenn aber
jemand die herabwallenden grünen Zweige mit dem Haare einer See-
jungfrau vergleicht, die aus dem Meere aufsteigt, so dient dieses Bild
nicht im geringsten dem Gegenstande, es ist bloße Romantik; ich folge
dem Bilde, und im Augenblick bin ich von der Sache weit abgelenkt.
Ist es aber recht, wenn wir die Natur dazu erniedrigen, uns Gelegen-
heit zu phantastischen Bildern zu geben?
Ein Trümmerfeld mächtiger Steinblöcke an einem Bergabhange
erregt das Staunen des Wanderers. Will dieser schildern, was er ge-
sehen, so sagt er gar zu gern, es sähe aus, als hätte eines Riesen Hand
die Felsen über den Boden gestreut. Aber dieser Vergleich ist nicht
nur völlig abgebraucht, er ist auch wissenschaftlich falsch: solche
Trümmerfelder sind im allgemeinen Erzeugnisse der Verwitterung, sie
sind also an Ort und Stelle entstanden. Man glaube beileibe nicht,
die wissenschaftlichen Tatsachen gingen den, der mit seiner Schilderung
künstlerische Absichten verfolge, nichts an. Freilich, eine Landschaft
wissenschaftlich richtig aufzufassen, dazu bedarf es geographischer und
geologischer Schulung, und die ist nicht von jedem Naturliebhaber,
dem die Freude an der Natur die Feder in die Hand zwingt, zu ver-
langen; aber bemühen soll sich wenigstens jeder, Fehler zu vermeiden,
er soll nicht meinen, er dürfe mit den Tatsachen in der Natur um-
springen, wie es ihm beliebte.
In einer Naturschilderung las ich den folgenden Satz: »Pieve hängt
hoch über der Talsohle am Hang eines Bergsattels, als sei es einst
von der Höhe mit der wütigen Pieve herabgeschwemmt worden und
als seien nur noch einige Häuschen aus der Wasserflut da kleben ge-
blieben«. Was soll dieses Bild? Ich weiß es beim besten Willen nicht;
es bereitet fast Schmerz, die Natur von der Willkür einer verschrobenen
Phantasie als Turngerät benutzt zu sehen. Besser wäre es, der Schilderer
zügelte seine Phantasie und suchte geographisch zu sehen. Es ist
ganz gewiß, die wissenschaftlich richtige Schilderung stört nicht, sie
dient vielmehr dazu, den rechten Eindruck von der Landschaft zu er-
wecken, und das sollte doch für jeden das Ziel aller Schilderung sein.
Die Faust des Riesen aber und ähnliche schöne Bilder schädigen diesen
dem Gegenstände selber zu tun. Anstatt daß die zackigen Gipfel mit
runden Perlen verglichen werden, was unsere Vorstellung nur in eine
falsche Bahn bringt, wäre es uns lieber, wenn uns ihre Form so klar
gezeichnet würde, daß wir sie vor uns zu sehen glaubten. So aber
ist es nichts als ein bloßer Aufputz, eine übel angebrachte »Verschöne-
rung« der Natur.
Wenn ich die Schönheit der Birke schildere und ihre Krone mit
einem Springbrunnen vergleiche, so will ich damit nur den feinbogigen
Bau der Zweige, ihr leichtes Herabrieseln ausdrücken. Wenn aber
jemand die herabwallenden grünen Zweige mit dem Haare einer See-
jungfrau vergleicht, die aus dem Meere aufsteigt, so dient dieses Bild
nicht im geringsten dem Gegenstande, es ist bloße Romantik; ich folge
dem Bilde, und im Augenblick bin ich von der Sache weit abgelenkt.
Ist es aber recht, wenn wir die Natur dazu erniedrigen, uns Gelegen-
heit zu phantastischen Bildern zu geben?
Ein Trümmerfeld mächtiger Steinblöcke an einem Bergabhange
erregt das Staunen des Wanderers. Will dieser schildern, was er ge-
sehen, so sagt er gar zu gern, es sähe aus, als hätte eines Riesen Hand
die Felsen über den Boden gestreut. Aber dieser Vergleich ist nicht
nur völlig abgebraucht, er ist auch wissenschaftlich falsch: solche
Trümmerfelder sind im allgemeinen Erzeugnisse der Verwitterung, sie
sind also an Ort und Stelle entstanden. Man glaube beileibe nicht,
die wissenschaftlichen Tatsachen gingen den, der mit seiner Schilderung
künstlerische Absichten verfolge, nichts an. Freilich, eine Landschaft
wissenschaftlich richtig aufzufassen, dazu bedarf es geographischer und
geologischer Schulung, und die ist nicht von jedem Naturliebhaber,
dem die Freude an der Natur die Feder in die Hand zwingt, zu ver-
langen; aber bemühen soll sich wenigstens jeder, Fehler zu vermeiden,
er soll nicht meinen, er dürfe mit den Tatsachen in der Natur um-
springen, wie es ihm beliebte.
In einer Naturschilderung las ich den folgenden Satz: »Pieve hängt
hoch über der Talsohle am Hang eines Bergsattels, als sei es einst
von der Höhe mit der wütigen Pieve herabgeschwemmt worden und
als seien nur noch einige Häuschen aus der Wasserflut da kleben ge-
blieben«. Was soll dieses Bild? Ich weiß es beim besten Willen nicht;
es bereitet fast Schmerz, die Natur von der Willkür einer verschrobenen
Phantasie als Turngerät benutzt zu sehen. Besser wäre es, der Schilderer
zügelte seine Phantasie und suchte geographisch zu sehen. Es ist
ganz gewiß, die wissenschaftlich richtige Schilderung stört nicht, sie
dient vielmehr dazu, den rechten Eindruck von der Landschaft zu er-
wecken, und das sollte doch für jeden das Ziel aller Schilderung sein.
Die Faust des Riesen aber und ähnliche schöne Bilder schädigen diesen