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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0131

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BESPRECHUNGEN. j25

Malen mit den Augen für das Auge' derselbe ist, den wir bei den Malereien von
Kindern gegenüber dem Malen nach der Natur beobachten können«. Schäfer hat
»n ausgiebigem Maße die Zeichnungen von Kindern zur Erklärung seiner »vor-
stelligen« Darstellungsart herangezogen. Gerade diese Stellen gehören mit zu den
hübschesten seines Buches. Es war uns beiden gewiß nicht bewußt, daß wir da
ausgetretene Pfade wandelten, die wir sicher früher schon einmal gekannt hatten.
In seiner von uns beiden mit Eifer und Vergnügen vor langen Jahren gelesenen
Jugendschrift, die mir neulich wieder in die Hände fiel, »Das alte Wunderland der
Pyramiden« (2. Auflage, 1868), sagt nämlich schon Dr. Karl Oppel (S. 124): »Die
Ägypter haben in ihrer Malerei durchaus die Darstellungsweise eines Kindes.« Um
es seinen jugendlichen Lesern recht einzubläuen, wiederholt er es sogar noch des
öfteren (S. 127 u. 129). Wir hatten es aber doch vergessen, vielleicht ist es auch
nur in unserem Unterbewußtsein schlummernd noch vorhanden gewesen.

Daraus, daß der Ägypter kindlich seine Darstellungen nicht nach der Natur
zeichnet, sondern aus Erinnerungsbildern, die er von den einzelnen Teilen hat, zu-
sammensetzt, ergibt sich, daß man diese Darstellungen nur ganz verstehen kann,
wenn man auch diese Erinnerungsbilder selbst hat, d. h. wenn man das Dargestellte
schon einmal in Wirklichkeit gesehen hat, und auch dann können sich noch Schwierig-
keiten ergeben. Wir werden nämlich von dem Gesehenen vielfach andere Erinne-
rungsmerkmale als bezeichnende im Gedächtnis behalten, als dies die Alten taten.
Bei Menschendarstellungen ist das richtige Verständnis eigentlich nie fraglich, anders
schon liegt es bei Tieren, noch schwieriger bei Pflanzen, und ganz schlimm ist es
bei Gebrauchsgegenständen, Häusern usw., deren Darstellungen wir nur mit Hilfe
Unserer archäologischen Kenntnisse zu verstehen suchen müssen.

Aus der letztgenannten Gruppe möchte ich hier einige Beispiele herausgreifen,
nie mir infolge meiner sonstigen wissenschaftlichen Beschäftigung besonders liegen,
Und bei denen es sich zeigen wird, wie in solchen Fällen die Ansichten zweier Sach-
kenner über ein und dieselbe Darstellung abweichen können.

Die »bienenkorbähnlichen Hütten aus der ersten Dynastie« (S. 85/86 u. Abb. 45)
möchte ich für runde, flachgedeckte Bauten (aus Flechtwerk?) erklären, bei denen
sich der Zeichner mit nicht gerade vollem Erfolg bemüht hat, die Rundung durch
eine auf den Aufriß gesetzte Aufsicht des flachen, runden Daches anzudeuten. — Bei
der hübschen Darstellung des Grabes mit seinen ober- und unterirdischen Teilen
(S. 80/81, Abb. 39) lehnt zwar Schäfer die Vorstellung der Schnittzeichnung für den
d'e oberen und unteren Teile verbindenden »Schacht« ab, übersieht dabei aber
trotzdem noch, da er vom »Schacht« spricht, ein Erinnerungsbild, das der alte
Zeichner angebracht hat, nämlich die im Grundriß gezeichneten Treppenstufen in
diesem »Schacht«. Es sind also nicht die oberen und unteren Grabteile durch einen
senkrechten »Schacht« verbunden dargestellt, sondern ein langer, nur wenig geneigter
Gang mit flacher Treppe soll die Teile verbinden. Um die von Schäfer abgelehnte
Deutung gewisser Darstellungen als »Schnittzeichnungen« (S. SO) wird man übrigens,
wie ich glaube, doch nicht herumkommen. Die alten Zeichner, die oft genug tech-
nische Zeichnungen gesehen, wohl gar selbst ausgeführt haben, brauchen eben
solche Schnittzeichnungen als Erinnerungsbilder. Wenn sie ein Haus durch einen
technisch richtig gezeichneten Grundriß (S. 82, Abb. 41) darstellen, so ist das auch
nur die Verwendung einer Schnittzeichnung als Erinnerungsbild. Bei den mit den
Schnittzeichnungen von Schäfer wenn auch in lose Verbindung gebrachten Dar-
stellungen von Matten, die am Boden liegen (S. 105, Taf. 22,2), möchte ich doch eher
eine bis auf die falsch gerichteten Linien der Schmalseiten geglückte Darstellung
Perspektivischer Verkürzung sehen, die sich auch bei den Darstellungen von Schreib-
 
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