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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0132

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126 BESPRECHUNGEN.

tafeln (Taf. 14, 1) findet. Die Erinnerungsbilder der Alten scheinen doch auch
gelegentlich auf perspektivische Eindrücke zurückzugehen, nur versagt in solchen
Fällen noch die Zeichenkunst in einigen Punkten. — Als letztes Beispiel für die
verschiedenen Deutungsmöglichkeiten einer und derselben ägyptischen Darstellung
mag noch die des »mehrstöckigen Wohnhauses« (S. 82, Taf. 38, 1) dienen. Die
Deutung »mehrstöckig«, die auf den ersten Blick viel Verlockendes hat, muß ich für
sehr unwahrscheinlich erklären, wenn ich auf die Erinnerungen zurückgehe, die ich
aus Ausgrabungen ägyptischer Wohnhäuser habe. Ohne meine Ansicht an dieser
Stelle in allen Einzelheiten zu begründen, will ich hier nur auf den einen Punkt
hinweisen, daß die hier scheinbar oben auf dem Dach stehenden Speicher wegen
ihrer Schwere dort in Wirklichkeit nicht angeordnet gewesen sein können. Ich halte
die Darstellung für die von Räumen zu ebener Erde, vielleicht sogar in verschiedenen
Gebäuden, und die Treppendarstellungen nur für Zutaten, die gewissermaßen den
gezeichneten Figuren den Verkehren diesen Räumen ermöglichen sollen.

Jedenfalls werden diese wenigen Beispiele verschiedener Deutungen wohl ge-
nügen, um darzutun, wie nötig dem Laien eine Einführung in das fremdartige Wesen
ägyptischer Zeichenkunst ist. Man sieht, auf was alles man gefaßt sein muß, und
daß sich die ägyptische Zeichenkunst nicht so einfach in Regeln fassen läßt, wie
das bei unseren perspektivischen Bildern der Fall ist, die mit Hilfe einer einzigen
Voraussetzung mit mathematischer Genauigkeit sich erklären lassen.

Wie wenig es angebracht ist, an altägyptische Darstellungen mit unseren Vor-
stellungen von Perspektive heranzugehen, dafür ist das auch von Schäfer (S. 121,
Abb. 77) besprochene berühmte Wandbild aus dem Grabe des Ptahhotep ein Muster-
beispiel. Maspero hat, moderne perspektivistische Einheitlichkeit darin suchend,
daraus ein »Bild aus der Vogelschau, vom Nil her in die Wüste hinein« machen
wollen, eine Auffassung, die zu widerlegen Schäfer leicht ward. Auf der frag-
lichen Wand besichtigt der rechts stehend groß wiedergegebene Herr des Grabes
die verschiedensten streifenweise übereinander dargestellten Tätigkeiten seiner Leute.
Ich sehe darin eine in der kleinen Kultkammer aus Raummangel in eins zusammen-
gezogene Wiedergabe von etwa sieben verschiedenen, in den Gräbern sonst abge-
bildeten Darstellungen, die miteinander nichts weiter zu tun haben, als daß der
Künstler sie hier auf eine und dieselbe Wand brachte. Wenn ich den früher (Grab-
denkmal des Königs Sahu-re, Wandbilder, S. 5) schon einmal angewandten Vergleich
ägyptischer Wandbilder mit Schrift hierauf anwenden darf, so würde dieses Bild so
zu lesen sein:

Schifferkämpfe,
Vogelfang,

Bau von Papyrusflößen,
Jagd in der Wüste,
Weinernte,
Kinderspiele,
, Papyrusernte.

In jedem Leser wird das Schäfersche Buch eine sehr wichtige Frage auftauchen
lassen, die man kurz so stellen kann: Haben die alten Ägypter, als sie so zeichneten,
nicht anders gekonnt, oder nicht anders gewollt? Das heißt, haben sie dies eigen-
artige Gepräge ihrer Zeichenkunst geben müssen, weil sie, trotzdem sie richtig wie
wir sahen, das Gesehene, so wie sie es sahen, wiederzugeben nicht imstande waren,
oder haben sie sich diese merkwürdige Zeichnungsart absichtlich aus stilistischen
oder sonstigen Gründen zurecht gemacht. Die Frage ist in ihren beiden Teilen
nicht so einfach mit Ja oder Nein zu beantworten. Eine ganz gleiche Fragestellung

Der p. t. Ptahhotep besichtigt
 
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