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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 2
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François, Kurt von: Die ästhetische Bestimmung als absolute Wesensbestimmung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0230

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224 BEMERKUNGEN.

szendentalästhetik der ästhetischen Betrachtungsweise die über Zeit, Raum und
Kausalität erhabene »Platonische Idee« als Objekt unterschiebt, um so, den ästhe-
tischen Vorgang zum Vehikel des metaphysischen Bedürfnisses machend, dennoch
zu jenem geheimnisvollen ewig verborgenen Transzendenten zu gelangen, zu dessen
Erkenntnis seit Kant sich alle Wege verschüttet zeigen. Aber wenn auch durch
diesen Versuch einer metaphysischen Lösung des ästhetischen Problems die ganze
Frage auf ein falsches Geleise geriet, und die Transzendentalästhetik, die psy-
chologischen Erklärungen umgehend, in lebloser Begrifflichkeit endete, so be-
ruht es dennoch keineswegs auf bloßer willkürlicher Abstraktion und Klügelei,
wenn sie das ästhetische Problem und das transzendentale so unmittelbar mitein-
ander verknüpfte. Tatsächlich besteht ja ein eigentümlicher Parallelismus und ein
sonderbar verwobener Zusammenhang des ästhetischen Problems mit jenen tran-
szendentalen Gedanken, wie sie schon von Plato in halb poetisch-symbolistischer
Form und von späteren Philosophen in abstrakter Bestimmtheit ausgesprochen
wurden. Denn indem die transzendentalen positiven und negativen Feststel-
lungen auch den Ausgangspunkt rein psychologischer Ueberlegungen und
Folgerungen bilden, werden gerade durch die Entwicklung des ästhetischen Pro-
blems Tatsachen des Seelenlebens von höchster Bedeutung offenbar, zu deren Er-
kenntnis wir deshalb nicht gelangten, weil durch das Suchen in den unendlichen
Fernen des Transzendenten der Blick von der nahen Wirklichkeit abgelenkt wurde:
Auf diese Frage nach einer absoluten Bestimmungs- und Erkenntnismöglichkert
erfolgt im Sinne realistischer Psychologie, wie dargelegt, durch die Lösung des
ästhetischen Problems eine Bejahung, wo dort im Sinne der Transzendentallehre
eine ewig starre Verneinung die unerbittliche logische Konsequenz ist: Es führt
in der Tat in dem dargelegten psychologischen Sinne die ästhetische Kontemplation
über die Form einer bloßen Relationsbewußtheit hinaus und bedingt tatsächlich
innerhalb der Möglichkeiten, der Grenzen und Formen unseres immanenten Be-
wußtseins einen Gegensatz einer stets nur relativischen und einer absoluten Wesens-
bewußtheit, der im Sinne der Transzendentallehre nicht nur nicht besteht, sondern
der in diesem transzendentalen Sinne im Grunde eine Denkunmöglichkeit ist.

Wenn nun der Trost, der in dieser aus der Entwicklung des ästhetischen
Problems sich ergebenden Bejahung liegt, manchem für sein metaphysisches Be-
dürfnis nur wie eine »Birne für den Durst« erscheinen mag, so muß man sich
dennoch bei der unerbittlichen Tatsache bescheiden. Der weiteste Gesichtspunkt,
der hier zu gewinnen ist, ist dieser: Ist, den Zweck, das Verhältnis, die Relationen
der Dinge zu erfahren, das erste Ziel aller Bewußtseinstätigkeit, so gewinnt die
ästhetische Betrachtung, in ihrem höchsten und edelsten Sinn genommen, das
Letzte, was wir über das Wesen der Dinge erfahren und wissen können: Indem
der Mensch die Natur, aus deren Tiefen er erzeugt wurde, deren er ja selbst ein
Teil ist, zu verstehen strebt, gelangt er bis an die letzte ihm gezogene Grenze:
zu dem Punkt, wosich dasderErscheinungsweltzugrundeliegende
transzendente »Ding an sich« zur subjektiven »Vorstellung« wan-
delt, wo sich Ewiges und Irdisches berühren, und jenes sich in
diesem versinnlicht sichtbar macht und offenbart.
 
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