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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0268

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262

BESPRECHUNGEN.

in einem ausgezeichneten Sinn episch heißen. Aber weder die Worte über epische
Gesinnung (S. 56) noch die über das Wachsen des epischen Werks (S. 51) sind hin-
reichend, um ein eigenes Kunstwesen und Ethos zu umreißen. Mir will es scheinen
angesichts der großen Dichtungen unserer neueren Literatur, aus denen wir einen
prägnanten Begriff des Epischen vornehmlich herleiteten, als sei es vorteilhafter, das
Wort bei Fontane mehr als Mittel negativer Kennzeichnung zu verwenden. Denn
nehmen wir das Wort »episch« in jenem großen Sinne, in dem G. Keller es i"
seinen Rezensionen Gotthelfscher Dichtungen auf Gottheit anwendet, so ließe sich
schön zeigen, daß Fontanes Kunst der Gegenpol zu diesem epischen Wesen sei.
Freilich, wenn Wandrey behauptet: nirgends werde so gern, gut und oft gespeist
wie bei Fontane, in unserer ganzen epischen Literatur des 19. Jahrhunderts nicht,
so möchte ich glauben, daß er nicht vor Augen hatte, wie großartig und wahrhaft
episch bei Jeremias Gottheit gespeist wird. Wenn wir diesen heroisch-behaglichen
Mahlzeiten beigewohnt haben, werden wir vielleicht verstehen, daß es bei Fontane
alles eher als »episch« hergehe. Ein Werk wie z. B. Frau Jenny Treibel wird doch
wohl immer besser als ein Kabinettstück in der Kunst des historischen Genres«
denn als eine »epische« Dichtung bezeichnet werden.
Berlin-Grunewald.

Sigrid v. d. Schulenburg.
 
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