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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 3
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Baeumler, Alfred: Benedetto Croce und die Ästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0325

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BENEDETTO CROCE UND DIE ÄSTHETIK. 31Q

lung mit sich bringt, bezeichnet haben, dürfen wir auch den Vorteil,
der dadurch mitgegeben ist, nicht übergehen. Ich sehe ihn in der
echt ästhetischen Einstellung, die sich vielleicht am schönsten in
Croces Lehre von der Einheit des Inhaltes und des Ausdrucks doku-
mentiert. Wir kennen nichts anderes als dargestellte Intuitionen
(intuizioni espresse). Ein Gedanke vollendet sich erst im Wort, eine
Musikalische Vorstellung erst im Ton, ein malerisches Phantasiebild
erst in der Farbe. Der Ausdruck bezeichnet die Reife der inneren
Vorstellung. Ist der Gedanke bis zu einem gewissen Punkte gediehen,
so löst er sich von selbst in Worte auf (37). Es gibt kein Inneres
neben dem Äußeren, kein unbelebtes Äußere. »/ sentimenti sono real-
nente lineati e colorati e ombreggiatl e illuminatU (271). In dieser echt
künstlerischen Theorie berührt sich das Empfinden des Südländers,
für dessen Gefühl Geist und Sinne keinen Gegensatz bilden, mit dem
Begriff dessen, was Schiller und Hegel die Totalität oder das Ideal
nannten — worunter sie das Zusammenfallen des Auszusprechenden
(Geistigen) mit dem Ausgesprochenen (Leiblichen) verstanden. So
•"eichen sich Norden und Süden die Hand: was jenem Naturgabe ist,
davon wird das Gefühl von diesem erst in langem Kampfe errungen.
Dadurch gewinnt er aber etwas hinzu, was jenem mangelt: den Begriff
dessen, was er fühlt, das volle Selbstbewußtsein der Individualität.
Croce stellt Winckelmann unter Vico, weil jener an einer abstrakten
^sogenannten Schönheit des Ideals« festgehalten habe (113). Gerade
aber dieser Begriff ist es, der das Verständnis auch dessen erschließt,
was Croce das Höchste ist, der konkreten Individualität. Das
Ideal, von Winckelmann noch abstrakt und zeitlos gedacht, wird von
Hegel als historischer Charakter begriffen. Aus dem, was er verwirft,
könnte Croce gerade den letzten Aufschluß gewinnen über das, was
er am meisten liebt, aus dem »Logizismus« der deutschen Philosophie
die Erkenntnis des tiefen Sinnes jenes »Ästhetizismus«, der im Lande
der Renaissance zum Glück noch nicht erstorben ist. Wir haben allen
Grund uns über die nationale Eigenart der Ästhetik Croces zu freuen.
Sie bestreitet uns nichts von dem Eigenen, aber sie ist geeignet, uns
das zu erhöhtem Bewußtsein zu bringen, was wir uns in jahrhunderte-
'anger mühsamer Auseinandersetzung mit dem Besten, was Europa
fühlte und dachte, errungen haben.
 
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