Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Paret, Hans: Konrad Fiedler
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0327

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KONRAD FIEDLER. 32 J

digen Zug des Gedankens zu verstehen und so den roten Faden in
die Hand zu bekommen, der alles sinnvoll zusammenhält. Sie wird
nun aber auch die in solchem Bemühen aufgewiesenen Grundsätze
nicht kurzweg anerkennen oder verurteilen, sondern in der Überzeugung,
die ja doch jeder sinnvollen wissenschaftlichen Auseinandersetzung
zugrunde liegt, daß in jedem von ernstlichem Denken vertretenen
Grundsatz eine Seite, ein Teil der Wahrheit enthalten ist, wird sie die
Grundsätze selbst in ihrem wahren Sinn erfassen und weiterentwickeln
•n ihren allseitigen notwendigen Folgen, woraus sich dann von selbst
alle die Punkte ergeben müssen, an denen eine offenkundige Verengung
des Gesichtspunkts gegenüber dem Reichtum der tatsächlichen Kultur
Unaufhaltsam zu tieferer Begründung drängt — kurz, es ist die Art
von Kritik, wie sie Hegel als allein fruchtbringende anerkennt: nur
dann sei die Widerlegung eines Grundsatzes gründlich, wenn sie aus
'hm selbst entwickelt, nicht aber durch entgegengesetzte Versiche-
rungen und Einfälle von außenher bewerkstelligt sei; sie müsse also
eigentlich seine Entwicklung und somit die Ergänzung seiner Mangel-
haftigkeit sein. Für den vorliegenden Fall würde freilich eine solche
Ergänzung letzten Endes die Ausführung eines ganzen Systems der
Ästhetik bedeuten, und das kann und soll doch hier nicht geleistet
Verden. Aber jedenfalls ist damit der Weg gewiesen, der eingeschlagen
Verden muß, und dieser Weg hat auch die Billigung Fiedlers selbst,
Wenn er im Gegensatz zu einer Zusammenfassung einzelwissenschaft-
«cher Ergebnisse eben den Rückgang auf die Grundsätze, die höchste
Besonnenheit als den uralten Beruf der Philosophie bezeichnet.

In dieser Besonnenheit hat Fiedler auch seine eigene Aufgabe
Sesehen. So reich seine persönlichen Beziehungen zur Kunst und zu
den Künstlern sich gestalteten, so blieb er doch immer viel zu be-
Scheiden, um als Gesetzgeber auftreten zu wollen und aus seinem
theoretischen Bemühen heraus seinen Freunden Vorschriften zu machen,
^ein Apostel will er sein, der eine neue Kunst fordert, Gesetze auf-
hellt, dem Schaffen selbst ungeahnte Wege in die Zukunft weist.
freilich soll es eine neue lebendige Ansicht sein, die er in seiner
Ästhetik bringt, aber nicht um zu sagen, was gemacht werden soll,
sondern um das Verständnis zu wecken für das, was in jedem echten
^Unstwerk wirklich geleistet ist, ganz ohne Anmaßung, einfach in der
Ansicht in das Tatsächliche der künstlerischen Produktion, der sich
d'e Besonnenheit ohne die beliebte dithyrambische Verschwommenheit
Selbst Kunst sein wollender Kunstschriftstellerei in ernster Arbeit hinzu-
geben hat, um auf Grund der Kantischen Vertiefung des Systems der
We't zu einem System von Grundsätzen auch der Kunst volle Selb-
ständigkeit, Würde und gleiches Recht zu sichern, einen gleichen Grad

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XVI. 21
 
Annotationen