Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Paret, Hans: Konrad Fiedler
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0328

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
322 HANS PARET.

von Objektivität, wie ihn das Jahrhundert der Naturwissenschaft den
mathematischen, physikalischen und biologischen Disziplinen in einem
alle anderen Richtungen des Kulturlebens fast überwuchernden Maß
zuerkannte, so daß selbst die Kunst nur noch in der Form des Natu-
ralismus weiterbestehen zu können schien. Mit der Kunsttheorie des
Naturalismus setzt sich nun auch Fiedler auseinander und nimmt so
eine bestimmte Stelle ein im ganzen Gewebe der geistigen Beziehungen
des 19. Jahrhunderts; und wenn er sich auf Kant beruft und auf dessen
kopernikanische Drehung als die Grundlage aller philosophischen
Besinnung, so ist auch Kant keineswegs eine eindeutig bestimmte
Größe, sondern bedeutet selbst eine Geschichte. So ist denn der
Kant, wie ihn Fiedler versteht, nicht unabhängig von der Kant-Auf-
fassung seiner Zeit. Wie sich aber aus diesem Grunde tiefere Be-
ziehungen finden lassen zwischen den Einseitigkeiten Fiedlers und
den Unzulänglichkeiten in einem Teil der philosophischen Bemühungen
seiner Zeit, so wäre es auch reizvoll, in entsprechender Weise in dem
künstlerischen Schaffen des Kreises, dem Fiedler nahe stand, ähnliche
Einseitigkeiten ausgeprägt zu sehen, da ja ein Zusammenhang der
geistigen Entwicklung in den verschiedenen Seiten der Kultur und so
hier in Philosophie, Ästhetik und Kunst, in Theorie und Praxis Voraus-
setzung wie Zielpunkt sinnvoller Geschichtsbetrachtung bleiben muß-
Es ist hier immer von Fiedlers Ästhetik die Rede. Und doch
würde Fiedler selbst gegen diesen Ausdruck wohl schärfste Verwah-
rung einlegen und uns eine völlige Verkennung seiner wahren Ab-
sichten vorwerfen. Denn eben eine Ästhetik soll es ja nicht sein,
was er geben will, er will auch nichts wissen von Schönheit, da sie
ihm, der Gesetzmäßigkeit sucht, schlechthin im Bereich des Subjek-
tiven, des Unbestimmbaren befangen bleibt, als die Lehre vom Gefühls-
leben der Lust und Unlust. Lust und Unlust aber wechseln nach
Zeit und Ort, von Mensch zu Mensch, von Stunde zu Stunde, nach
Laune und Willkür, ohne jede Möglichkeit eines Gesetzes: was jedem
gerade angenehm ist, das nennt er schön. Von diesem Angenehmen
aus führt aber kein Weg zu einem Verständnis der uns vorliegenden
Tatsächlichkeit der Kunst, zu dem ernsten Ringen der Erarbeitung, zu
dem sieghaften Anspruch auf Wahrheit und Gültigkeit, der tatsächlich
in der Kunst zum Ausdruck kommt und durch keine Zergliederung
flüchtiger Gefühlsregungen, überhaupt durch keine Arbeit der Psycho-
logie sich erklären läßt. So handelt es sich bei der Ablehnung "er
Bezeichnung »Ästhetik« nicht um eine terminologische Schrulle, son-
dern: wie die Gesetze des theoretischen Denkens nicht aus dem »ge'
meinen Menschenverstand« hergeholt werden können, vielmehr nur
durch eine Analyse des wissenschaftlichen Denkens selbst sich finden
 
Annotationen