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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 3
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Paret, Hans: Konrad Fiedler
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0372

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366 HANS PARET.

durch die Konventionen einer Gesellschaft, und die Kunst, die sich
wirklich innerlich so binden läßt, hört auf, wahre Kunst zu sein, und
wird verlogen und unfruchtbar. Ebenso gibt der Ästhetizismus, dem
Kunst eine Aufhebung und Überwindung der Sittlichkeit bedeutet, die
damit angeblich erreichte wahre Freiheit wie auch die Kunst selbst
preis: die Freiheit ist in Wahrheit eine Tyrannei der subjektiven Stim-
mung, die Kunst ein Produkt der Laune. Dagegen entspricht es der
systematisch verstandenen Einheit des Bewußtseins, daß echtes künstle-
risches Schaffen nie die Bedingungen wahrer Sittlichkeit verletzen kann.
Ein echter Lebensstil ist nur möglich bei autonomer sittlicher Ziel-
setzung und nur eine autonome Persönlichkeit kann in der Arbeit
am Kunstwerk die eigene Gesetzlichkeit der Form unverfälscht sich
auswirken lassen.

Wie diese Gesetzlichkeit nun in den einzelnen Kunstwerken zum
Ausdruck kommt, welche einzelnen Formulierungen sie annimmt, welche
Gesichtspunkte sie bietet für eine wirklich künstlerische Wertung und
Beurteilung der mit dem Anspruch des Kunstwerks uns entgegen-
tretenden Leistungen, alle diese Fragen, in denen sich erst die Frucht-
barkeit der grundsätzlichen Bestimmungen erweisen würde, liegen nicht
mehr innerhalb des Kreises der Probleme, mit denen sich Fiedlers
Kunsttheorie unmittelbar beschäftigt, und können deshalb hier nicht
erörtert werden. Fiedler hat in den einleitenden Worten des Bruch-
stücks »Über die Kunsttheorie der Griechen und Römer«, das einen
Teil einer umfassenden Geschichte der Kunsttheorie bilden sollte, die
Grundsätze einer solchen geschichtlichen Betrachtung, wie er sie in
diesem Werk durchführen wollte, ausgesprochen: es sei wichtig, immer
daran festzuhalten, daß uns weder in den früheren noch in den gegen-
wärtigen Bemühungen, das Wesen der Kunst zu erklären, ein abschließen-
des Ende vorliege; in diesem Sinn wolle er mit seiner eigenen Kunst-
theorie keineswegs das alte Problem für alle Folgezeit lösen, sondern
vielmehr »in Übereinstimmung mit der gegenwärtigen Art und Weise,
die Erscheinungen des Lebens zu begreifen, zu bringen suchen«, und
nach diesem Grundsatz suche er auch die Kunsttheorien früherer Zeiten
gerecht zu beurteilen (II, 286 f.). Es ist nur billig, wenn wir Fiedler^
eigene Theorie mit derselben Gerechtigkeit würdigen und nicht ein
abgeschlossenes System in ihr suchen. Einen solchen Anspruch hat
seine wissenschaftliche Bescheidenheit nie erhoben. Die Welt der
Kunst, das war sein großes Erlebnis, das ihm nicht einen Genuß
müßiger Stunden bedeutete, sondern seine ganze Persönlichkeit be-
stimmte, so daß er es sich zu einer Lebensaufgabe machte, in uneige11'
nützigster Tatkraft die schaffenden Künstler zu unterstützen und tf*
wissenschaftlicher Ehrlichkeit das im eigenen Wesen der Kunst ge'
 
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