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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Besprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0407

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BESPRECHUNGEN. 401

*°r allem nach der Seite des Methodischen: Nicht von der Seite des Objekts her,
sondern durch die Beziehung der Kunst zum erlebenden Menschen wird hier ihr
wesen bestimmt. Aber so wenig das Wesen der Wissenschaft dadurch erschlossen
Werden kann, daß sie um der Erkenntnis willen geschaffen ist, sondern vom Objekt
"er als die systematische Gestaltung von Wahrheiten begriffen werden muß, so
nu'ß sich auch für die Kunst eine Wesensbestimmung finden lassen, die sie als das
objektive Gebilde, das sie nun einmal ist, wesensmäßig faßt.

Aber, wenn man nun einmal vom Methodischen absehend, die inhaltliche Trag-
weite dieser Wesensbestimmung festzustellen sucht, genügt sie dann wirklich? Ist
Wirklich eine erbauliche Predigt, die durch ihre Gestaltung die Zuhörer zu Zer-
knirschung und Rührung bringt, schon dadurch als Kunstwerk zu bewerten? Oder
kann jene beliebte »lebende« Panoptikumfigur: »der sterbende Krieger», die Mitleid
und Schauder erwecken soll, als Kunstwerk betrachtet werden? Gerade solche Bei-
spiele zeigen, daß neben der Gestaltung von Werten, auch die Art der Gestaltung
selbst für den Wesensbegriff des Kunstwerks ausschlaggebend ist — für das Kunst-
Werk, nicht im Sinne eines positiv zu Bewertenden, sondern im Sinne des Kunst-
seins überhaupt. Und hier scheint doch wieder das Ästhetische seinen Einzug in
"as Kunstwerk zu halten. Die Gestaltung muß ästhetischen Charakter tragen; nicht
nur der Darstellungswert, die Darstellungsweise und das Erleben stellen die Brücke
"er zwischen Ästhetischem und Künstlerischem, sondern die Art der Gestaltung,
"'e verlangt werden muß, damit überhaupt von Kunst die Rede ist. Hier ist ein
' Unkt, an dem der Referent dem Verfasser die Gefolgschaft versagen muß. — Und
"och nach einer anderen Seite hin erscheint es fraglich, ob die Gestaltung auf das
'Jefühlserleben hin zur Bestimmung des Wesens des Kunstwerks genüge. Es ist
"Urch solche Bestimmung implizite Stellung genommen gegen alle Meinungen, die
^as Hauptmoment des künstlerischen Erlebens im Erfassen der auf Anschaulichkeit
,n bearbeiteten Gegenständlichkeit sehen, — für die also das künstlerische Erleben
*'ne Form des Erkenntnismäßigen ist. Utitz findet treffende Worte gegen die
~enren, die seit Fiedler diese Meinung vertreten haben, ohne doch, wie mir scheint,
S'e endgültig widerlegt zu haben. Es liegt in der Tat doch ein mehr als bloß ge-
"hlsmäßiges Erlebnis in jenem anschaulichen Erfassen der »Raumklarheit«, von dem
ölese Theorien sprechen, und wenn Utitz selbst in wohldurchdachten Ausführungen
uern »Fühlen der Wahrheit« künstlerischen Gestaltungen gegenüber spricht, so ist
U'eses »Fühlen« etwas prinzipiell anderes als jene emotionellen Charaktere, an die
Sedacht ist, wenn von Gestaltung »auf Gefühlserleben hin« die Rede ist. So bleibt
n all diesen Punkten noch Raum für weitere Untersuchungen.

2. An ihrem Wert für die Diskussion von Einzelproblemen muß die methodische
t-förterung ihre Berechtigung erweisen. In der Tat, indem der Verfasser von seiner
^esensbestimmung der Kunst aus die Einzelprobleme anpackt, gelingt es ihm ern-
stlicher und treffsicherer die Fragen zu beantworten, als es bei dem vielfach üb-
lchen induktiven Verfahren möglich ist, bei dem für jedes einzelne Problem geson-
nt die Argumente herangeholt und diskutiert werden. Nur Einzelnes sei aus der
ülle der Probleme, die Utitz in den Kreis seiner Betrachtungen zieht, heraus-
griffen und besprochen. So öffnet sich ihm z. B. ohne weiteres von seinem Stand-
Punkt aus der Zugang zur Beantwortung der alten Frage des Verhältnisses von
^aturgenuß und Kunstgenuß. Es geht nicht an, der einen oder der anderen
Art des Genießens den Vorrang zu geben; jede Art des Genusses hat ihre Form
und Qualität, die durch die andere nicht ersetzt werden kann. Da die Kunst schon
",e Gestaltung auf ein bestimmtes Erleben hin enthält, so schreibt sie dem Beschauer
Ul viel höherem Maße die Art des Erlebens vor, als es die Natur tut. Die Natur

Zcitschr. f. Ästhetik u. allj. Kunstwissenschaft. XVI. 26
 
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