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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 4
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Hauttmann, Max: Ein Beitrag zur Kunstpädagogik
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Thomä, Walter: Kunstgeschichte und lebendige Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0511

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BEMERKUNGEN. 505

zum Zweck der Reproduktion mit Kohle auf unterlegtem weißen Papier entworfenen
Blätter jetzt das Wischen an, um die weichen Übergänge in diesen tiefwelligen
Oberflächen, die breiten, abgestuften Schatten, die sanftfließenden Kurven erfassen
zu können, und zur Wiedergabe der Oberflächenwerte und des Geflimmers im Ge-
wand der Meißener Adelheid (VI) ist auch der ganz verriebene Kohlestrich noch
zu hart und kantig. Mit Hilfe dieser Skala lassen sich instruktive Datierungsübungen
anstellen. Man zeigt auf der weißen Wand über der Tafel weniger bekannte oder
bis auf die Faltenpartien verklebte Bilder und läßt den Platz bestimmen, an den
sie in der auf der Tafel gezeichneten Reihe gehören, und wenn die Antwort lautet
zwischen III und IV kann man sie zu direkter Vergleichung zwischen oder über
die genannten Nummern rücken.

Die pädagogischen Vorteile dieses Durchzeichenverfahrens, das kein Ersatz und
keine Konkurrenz für freihändiges Zeichnen sein soll, wären die Anschaulichkeit, die
das gesprochene Wort unterstützt und das, worauf es ankommt, dem Hörer tiefer
einprägt als die eingehendsten mündlichen Analysen; die Unabhängigkeit von der
Zahl der Teilnehmer an den Übungen; die vom Kunsthistoriker sonst so schmerzlich
vermißte Möglichkeit manueller Betätigung am Kunstwerk, die die Erkenntnis des
Auges in Hand und Gefühl weiterleitet, in diesem Fall zwingt, für plastische Er-
scheinungen den besten zeichnerischen Ausdruck zu suchen, in jeder Weise zu in-
tensiver Beschäftigung mit dem Objekt führt. Wie für die Plastik ist das Verfahren
für die zeichnenden und malenden Künste, auch für Architektur (z. B. vereinfachende,
das Wesentliche unterstreichende Aufrißskizzen) zu verwenden. Man hat schon oft
Photographien durchgepaust, aber dieses Zeichnen im großen ist doch etwas anderes.
Das Verfahren leistet gegenüber kleineren Stücken und dadurch, daß man durch
Näherrücken des Apparates kleinste Bildpartien herausgreifen kann, fast dem Mikro-
skop vergleichbare Dienste. Ohne besondere Mühe kann zu Vergleichendes auf den
gleichen Maßstab gebracht, unmittelbar nebeneinander oder in Zeichnung und Licht-
bild direkt aufeinander gelegt, Faltenpartien, Proportionen usw. miteinander verglichen
werden. Man kann das Lichtbild über vorgezeichnete Konstruktions- oder Kom-
positionsschemata werfen —- wir haben Villardsche Konstruktionen so untereinander
verglichen: Aus dem Demonstrationsverfahren kann in geeigneten Fällen eine
Untersuchungsmethode werden.

Kunstgeschichte und lebendige Kunst.

Von
Walter Thomä.

Wir haben im 19. Jahrhundert die merkwürdige Erscheinung erlebt, daß die
Tradition der Stile mit den letzten Ausläufern des Empire erlosch und eine Stil-
losigkeit Platz griff, welche ohne Vorgang in der gesamten Kunstgeschichte dasteht.
Man baute und verzierte griechisch, dann gotisch, Renaissance usw., bis die ganze
Stilgeschichte der Vergangenheit heruntergebetet war. Dieses Anknüpfen an alte
Stile hatte nicht das Ansehen einer Tradition, welche weiterbildete, sondern suchte
eine möglichst getreue Wiederholung der alten Formen zu erreichen, so
sehr sich die Bedingungen auch geändert hatten.

Diese Erscheinung traf zusammen mit einem Aufblühen der Wissenschaften und
 
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