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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0137
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BESPRECHUNGEN.

einer Basilika und spätere Planänderungen. Meyer-Barkhausen macht aus dem Bau-
werk selbst dessen restlose künstlerische ^Einheit, aus einem Willen und nach
einem Gesetz, unbestreitbar. Jetzt will es uns fast unglaublich erscheinen, daß man
solange trotz des vollkommenen Zusammenstimmens aller Bauteile die volle Einheit
des Bauwerks übersehen hat. Beginn im Plan war sicher der Dreiflügelchor, der
zentralisierter ist als alle Kölner; ohne Betonung des Ostchors, den in Frankreich
Umgang oder Chorkapeilen hervorheben, eindeutiger Wille zur Konzentration, den
dann die Halle ebenso zeigt. Sie ist nicht in sich beschlossener Raum, sondern
Weg nach Osten im Sinne jener uralten basilikalen Tradition, Geleit für die Un-
zahl herandrängender Pügerscharen, die hinstreben zu der im Chor befindlichen
Grabstätte der Heiiigen. Die vorwärtsschreitenden Besucher werden von einer drei-
fachen Allee vorangefiihrt, die sachlich kühler ist als eine Basilika, deren Licht
immer mehr sphärenhaft wirkt. Drei Langschiffe, drei Chorarme, voraus noch drei
Turmhallen, »in dieser Folge ergibt sich eine Steigerung der Raumkonzentration
von den wandgesch'.ossenen Turmräumen zu den durch Pfeilerreihen getrennten
Schiffen und weiter zu der gesammelten Einheit des Dreiflügelchors« (S. 40), der
heiligen Stätte, wo rosene Wunder immer wieder geschehen. Nach außen bedeutet
jener zusammenbindende Ring der durchlaufenden doppelgeschossigen Wandgliede-
rung Ausdruck der einheitlichen und zentralen Geschlossenheit des Innern.

Meyer-Barkhausen führt und überzeugt in klarer edler Sprache, wie sie in
wissenschaftlichen Werken selten ist, Kästner ist von Begriffsbestimmungen be-
schwert; er verweilt auf den Stufen zum Heiligtum, Meyer-Barkhausen aber tritt
ein und findet mit den Mitteln seiner Wissenschaft, was immer aufs neu zu finden
uns gut tut: daß Kunstwerke wie Mensch und Gott nur ganz und als einzig be-
griffen werden können, wenn überhaupt.

Berlin. Luise Göpfert.

Joseph Sauer, Wesen und Wollen der christlichen Kunst. Freiburg i. Br.,
Herder, 1925. 22 S.

Sauers Rektoratsrede überblickt christliches Altertum und Mittelalter als die
Phase religiöser Kunst, die mit dem in total neuer Sprache gehaltenen Riesenwerk
Michelangelos an der Decke der Sixtinischen Kapelle abgeschlossen ist und deren
Wesen in der inhaltlichen Bedeutung und in der Umstilisierung ihrer Stoffe je nach
der geistigen Einstellung der Vergangenheit beruht. Sie geht aus von der Tatsache,
daß, wie über alle Gebiete unserer geistigen Kultur, auch über das Gebiet der
christlichen Kunstwissenschaft ein Zusammenbruch, ein Chaos, eine Krisis gekom-
men sei. »Statt der philologisch historischen Detailarbeit, die sich im Stoff erschöpft,
verlangt man die Seele und das Wesen der Kunst kennen zu lernen; statt des
Sezierens und Klassifizierens die großen Kulturzusammenhänge, in die alles künstle-
rische Schaffen unlösbar verwoben ist, wieder zu schauen; statt des äußerlich
Biographischen die immanenten Stilgesetze aufgedeckt zu bekommen« (3). Der
Methodenstreit ist entfacht. Gegen die schon länger befehdete mehr stoffliche Be-
trachtungsweise erhebt sich die Front einer mehr morphologischen Richtung (Wölff-
lin), einer rein ethnologischen (Strzygowski), einer ästhetisch-psychologischen (Schmar-
sow, Pinder und andere [Utitz sollte hier nicht ungenannt sein], völkerpsychologisch
formuliert bei Worringer), einer streng logisch-metaphysischen und pantheistisch-welt-
anschaulichen (Coellen, »in einer barbarisch un- und mißverständlichen Phraseologie«).
Sauer erinnert diesen oft recht einseitigen Bestrebungen gegenüber an das, was
schon Männer wie Schnaase, Kraus und zuletzt Dvofdk bezüglich der ideengeschichi-
lichen Erfassung der christlichen Kunst geleistet haben, und er hat unseren ganzen
 
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