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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0247
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BESPRECHUNGEN.

und Einflüsse auf Goethe behandelt hat, bringt das dritte, »Parallelismus im
Ganzen« betitelt, unter der Beleuchtung Plotins eine gründliche Abwägung der
Bedeutung, die Erfahrung und Geist im Denken und Schaffen Goethes besitzen.
Zutreffend führt es aus, daß »Goethe als Augenmenschen zu feiern« »nur halbe
Wahrheit« sei. Die Beziehung der beiden Elemente ist in der Tat die, daß Goethe
■ sich als beschauender Mensch einen Stockrealisten, dagegen bei jeder Art von
Tätigkeit, also auch künstlerischer, vollkommen ideal nennen« konnte. Empirie und
Geist, oder sinnliche Apperzeption und die sich rein im Geistigen vollziehende
Enträtselung des als Symbol erkannten sinnlich Gegebenen« machen eben das Wesen
des künstlerischen Menschen aus. Auf dieses immer als Eigentliches, letzthin Ver-
ursachendes im Hintergrund stehende Künstlertum laufen alle die Anschauungen
hinaus, die als denen Plotins parallel aufgewiesen werden: Vom Gesetze der Pola-
rität, der Kontinuität, zugehörend dem umfassenden Bekenntnis zum Organismus-
Gedanken. Sehr bemüht sich Koch um das uralte mystische Symbol des »Schaffen-
den Spiegels«, der empfangend produzierenden Kraft. Die Weiterleitung dieses be-
deutenden Symbols wird aufmerksam verfolgt, und gute Worte fallen dabei etwa
über Goethes Verhältnis zu Leibniz. An Hand des Spiegelsymbols wird Fausts Ent-
wicklungsgang charakterisiert: Einstrahlung, Ausstrahlung, schließlich Hohlspiege-
iung. Es wird dabei recht wahrscheinlich gemacht, daß der Einleitungsmonolog des
2. Teils sich an Gedanken und Situation aus dem 8. Buch der 5. Enneade Plotins
anlehnt, dessen erstes Kapitel Goethe bei seiner Lektüre im Jahre 1805 übersetzt
hatte. Bestätigt sich dies, so würde wohl Burdachs Zusammenrückung mit Motiven
der Mosessage, die ihn bestimmt, den Monolog schon 1797 entstehen zu lassen,
überflüssig. Dem Spiegelsymbol werden nun Goethes Anschauungen vom Typus,
vom Urphänotnen und schließlich auch vom symbolischen Fall als verwandt an die
Seite gestellt, wobei sich der bedeutsame Unterschied gegenüber dem Begriff der
starren Ideen Piatos, die, Plotin folgend, gleichsam biologisch umgedeutet werden,
herausschält. Hier ist es mir nun durchaus fraglich, ob die mit Aufbietung von viel
Scharfsinn gezogenen Verbindungslinien die aufgewandte Mühe wirklich lohnen.
Mag man die Spiegelungsvorstellung Plotins schließlich als Prototyp ansprechen,
Goethes hierhergezogene Ideen sind aus anderen, ästhetisch gerichteten Bedürf-
nissen entstanden, und so hat ihre Funktion mit der wesentlich kosmologischen
des Spiegels im Plotinischen Stufensystem realiter so gut wie nichts mehr gemein.
Starkes Interesse verdient das Kapitel »Innere Form«. Wie adäquat die Ästhetik
Plotins dem germanischen Formgefühl ist, wird hier überzeugend nachgewiesen,
Plotin mit seinem svSov etoog auf den Spuren Walzeis als der erste konsequente
Vertreter eines Kunstwillens gesehen, der die reine Nalurnachahmung aufgibt und
die Bedeutung des autochthonen Geistes hervorhebt. Fehlt bei Plotin auch im ein-
zelnen noch eine Bestimmung des technischen Ausdrucks der inneren Form, so
kommt doch auch hier wieder das organisch-dynamische Moment zur Erscheinung,
das allerdings Goethe ganz gemäß ist, wenn Plotin sagt: »Die Schönheit besteht
vielmehr in dem, was an der Symmetrie hervorstrahlt, als in der Symmetrie selbst.'
Wie moderner Individualismus muten ebenfalls Plotins Wertlegung auf »Schöpfungs-
genuß von innen« oder die Ansehung des Kunstgenusses als eines bewegten Vor-
ganges an. Im folgenden Kapitel, Dämon, Freiheit und Unsterblichkeit',
beschäftigt sich der Verfasser — hier geht er ganz selbständig vor — mit der ethisch-
religiösen Seite seines Problems und sucht auch hier die Goethischen und Ploti-
nischen Ansichten zu einer weitgreifenden Deckung zu bringen. Er muß aber gleich
im Anfang die umgekehrte Wertung des Guten und des Schönen zugestehen. Für
Goethe kann sich eben das Sittlich-Höchste nur im Sinnlich-Höchsten verkörpern,
 
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