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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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Duve, Helmuth: Das Bewegungsprinzip in der Skulptur
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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0457
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HELMUTH DUVE.

notwendig zum Baugefüge, erfüllen daran nicht einen Zweck des
Tragens oder Haltens, sondern sind wachehaltende Fabeltiere, die ihrer
formalen Bedeutung nach Skulpturornamente der Architektur sind
(Attribution). Dagegen tragen die Karyatiden im Erechtheion das Ge-
bälk; sie sind organisch eingegliederte Bestandteile des Baukörpers,
veranschaulichen außerdem gleichsam als lebendig gewordene Säulen
jenes Gleichgewicht zwischen Lasten und Tragen, das dem griechi-
schen Tempelbau eigen ist, und bieten dadurch, daß sie sich allseitig
dem Betrachter zuwenden, ein Gesamtbild wunderbarer organischer
Rhythmik (Relation). Ganz anders wiederum ist die Bedeutung der
barocken Portalatlanten an der Vorhalle des Schlosses Belvedere in
Wien: es sind dies mit potentieller Energie geladene Auswüchse der
bewegten, vor- und zurückdrängenden Baumasse, vermenschlichte
Kräfte, die unter der drückenden Last sich aufbäumen, darunter zu-
sammenzubrechen scheinen und doch standhalten (Funktion).

Im assyrischen Torwächter, der griechischen Karyatide und dem
barocken Portalatlanten verkörpern sich wohl die äußersten Möglich-
keiten an Bewegungslosigkeit, Bewegungsgebundenheit und Bewe-
gungsübersteigerung für die Skulptur, die Erscheinungstypen im Ge-
samtbereich dekorativer Plastik. Kunstwissenschaftlich gesprochen,
handelt es sich bei diesen Untersuchungen darum, die polaren Begriffe
der Statik und Dynamik (Exstatik) und den zentralen der Rhythmik
ihrer Struktur nach sich vorzustellen und in den einzelnen Phasen
der Kunstentwicklung und innerhalb des Bereichs jeder Einzelkunst
immer wieder veranschaulicht zu finden.
 
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