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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0481
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BESPRECHUNGEN.

rung der beiden Dichtungsgattungen die wirklichen Verhältnisse überspitzt zugunsten
einer sauberen logischen Begriffsbildung. Solche Untersuchungen, die auf eine mög-
lichst »reine« Herausarbeitung spezifischer Unterschiede hinauslaufen, geraten leicht
in Gefahr des Konstruktiven und übersehen die neben den Unterschieden bestehen-
den Gemeinsamkeiten, die in einer in allen Dichtungsgattungen wirksamen allge-
mein dichterischen Einstellung liegen und die sich in der Praxis so auswirken, daß
in aller Dramatik auch Schauerlebnisse, in aller Epik auch »Handlungs«motive vor-
kommen, die eine abstrakte Theorie vielleicht als stilfremd kennzeichnen kann, die
jedoch in der lebendigen Wirklichkeit nicht fehlen dürfen. Dieser Einwand kann
aber der Schätzung der geistvollen Arbeit Hartls nur wenig Eintrag tun.
Berlin-Halensee.

Richard Müller-Freienfels.

Die Ernte. Abhandlungen zur Literaturwissenschaft. Franz Muncker zu seinem
70. Geburtstage. Herausgeg. von Fritz Strich und Hans Heinrich Borcherdt.
Halle, Niemeyer, 1926. V, 413 S.

Wie Ehrismann, Kluge, Koch, Sauer, Sievers, Walzel ist auch Franz Muncker
im Verlauf des letzten Jahres durch eine Festschrift gefeiert worden. Sie feiert seinen
70. Geburtstag und stellt sich ebenbürtig neben jene, die ihm zum 60. Geburtstag
überreicht wurde, und deren Mitarbeiter nach einem Jahrzehnt im neuen Bande
zum Teil wiederkehren. Aufgabe des Berichterstatters kann es naturgemäß nur sein,
den Inhalt der Beiträge kurz zu kennzeichnen. Dadurch soll jedoch in keiner Weise
ihre Lesung ersetzt werden, weswegen auf Darlegung der genaueren Gedanken-
gänge durchweg verzichtet wurde.

Fritz Strich eröffnet die vorliegende Festschrift mit einem Aufsatz »Natur und
Geist der deutschen Dichtung«. Nach der Hervorkehrung übernationaler, gesamt-
europäischer Stilbildungen arbeitet er, dem Einzelwesen nationaler Dichtung sein
Recht gebend, die Eigenart der deutschen Dichtung im Verhältnis zu anderer, be-
sonders zur Antike, zur griechischen Klassik, heraus. Ihre »Natur« sieht er im
völligen Anderssein, völliger Fremdheit gegenüber der Antike, ihren »Geist« in der
Sehnsucht, im Streben nach ihr. Im deutschen Menschen findet er eine tragische
Spannung zwischen der deutschen Natur und dem deutschen Geist, während andere
Nationen einheitlicher — man darf wohl auch sagen: einseitiger — und darum
glücklicher sind. — Es folgt ein Aufsatz Roman Woerners über »Goethes Welt-
anschauung im Faust«. Woerners Antrittsrede in Freiburg 1901 galt schon »Fausts
Ende«'), und so liest man mit Freude, wie ein Kenner, dem man die tiefe Liebe
zu seinem Stoffe anmerkt, von neuem über den »Faust« spricht. Nicht Einzelfragen
sftid diese Seiten gewidmet, Woerner hebt nur hie und da an bezeichnenden Stellen
des Gesamtwerks weltanschauliche Züge hervor. — Ebenfalls Goethes »Faust« gilt
der nächste Beitrag: Wilhelm Hertz, »Fausts Himmelfahrt«. Der Verfasser verbreitet
sich eingehend und scharfsinnig über Goethes Beschäftigung mit Naturphilosophie

— Aristoteles' Entelechie, Leibnizens Monade — mit Bezug auf ein Fortwesen nach
dem leiblichen Tode und in Verbindung damit über die Entstehungsgeschichte der
Himmelfahrtsszenen im »Faust. Zweiter TeiL. Hier weist er überzeugend eine ge-
wandelte Tendenz nach, so daß die jetzige Fassung in ihrer gewaltigen metaphy-
sischen Größe von Goethe erst im Spätherbst 1S30 derartig konzipiert worden sei.

— Weiter handelt Eduard Berend über »Der Typus des Humoristen«. Als bekann-
testem Jean-Paul-Forscher liegt es ihm nahe, dem Humor in allen seinen Gestal-

') Freiburg i. Br., Troemer, 1902, 2. Aufl., 1904.
 
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