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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0485
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BESPRECHUNGEN.

daß ein auf längst historisch gewordenen Voraussetzungen beruhendes Werk durch
solche Nachweise nicht brauchbarer werden kann als es ist. Man hat eigentlich nur
die Wahl, entweder Hettner zu lesen, oder die Bücher, die in den Anmerkungen
genannt sind. Nicht zu billigen ist, daß der Herausgeber auch Einzelheiten retou-
chiert hat. — Am Schlüsse des ersten Bandes gibt der Herausgeber in einer Ab-
handlung von 60 Seiten (»Aufklärung, Klassik und Romantik ) eine kritische Würdi-
gung von Hettners Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Hier wird die zeitge-
schichtliche Bedingtheit des Werkes gut umrissen und seine Entstehungsgeschichte
skizziert. Insbesondere wird auf den Zusammenhang eingegangen, in dem das Werk
mit den ästhetischen Anschauungen Hettners steht. Boucke weist nach, daß die
durchsichtige Gruppierung des Stoffes hauptsächlich auf der systematischen Durch-
führung zweier Antithesen beruht: einerseits des Gegensatzes zwischen gelehrter
oder höfischer Dichtung und realistisch-volkstümlicher Kunst, anderseits des Zwie-
spalts zwischen einem hochgespannten Idealismus des Herzens und einer unzu-
reichenden Wirklichkeit. — Es genügt im Grunde, dieses Schema anzugeben. Daß
mit seiner Hilfe keine Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts geschrieben werden
kann, ist leicht einzusehen.

Dresden. - Alfred Baeumler.

Herbert Cysarz, Literaturgeschichte als Geisteswissenschaft. Kritik
und System. Halle, Niemeyer, 1926. 304 S. Mk. 10, geb. 12.
Wer sich von vorliegendem Buche für literaturgeschichtliche Arbeit unmittelbar
fördernde Grund- und Leitsätze verspricht, wird es kaum anders als enttäuscht aus
der Hand legen. Zwar verheißt der Verfasser anfangs eine Behandlung von theo-
retischen Grundfragen desjenigen Segments, das der kleinere Umkreis der Literatur-
geschichte mit dem größeren der Geisteswissenschaft gemein hat. In Wahrheit aber
handelt er von ganz allgemeinen Forschungskategorien der -Geisteswissenschaft«
überhaupt, der er mit stürmischer Begeisterung dienen will. Von literaturgeschicht-
lichen Fragen ist nur sehr beiläufig die Rede und meines Erachtens in einer Weise,
die, weil in allzu vielseitiger Allgemeinheit gehalten, dem Leser faßbaren Ertrag
schuldig bleibt.

Cysarz' Buch ist ganz zweifellos ein in allgemeinem Bildungssinn belangvolles
Werk. Ebenso bezeichnend erscheint es mir als Markstein eines geisteswissenschaft-
lichen Forschungswillens, wie er etwa durch Namen wie Diithey, Bergson, Simmel,
Keyserling, L. Ziegler, Gundolf, Kluckhohn, Rothacker und andere mehr gekenn-
zeichnet wird. In dieser Richtung behandelt Cysarz allgemein geisteswissenschaft-
liche Grundbegriffe wie Zeit und Raum, Individualität, Gestalt, Entwicklung, Kultur,
Freiheit und Sittlichkeit. Schon angesichts dieser Begriffe muß man zweifeln an
deren notwendigem, bündigem Zusammenhang mit literaturgeschichtlicher Arbeit.
Dieser Zweifel verstärkt sich, je weiter man des Verfassers überredend-dialektischen,
aufgeregten, superlativischen, ganz ungewöhnlich weit in andere Gebiete ausgreifen-
den, ja zuweilen fast an Gedankenflucht gemahnenden Ausführungen folgt. Ver-
gleicht man mit Ton und Charakter dieser Ausführungen des Verfassers Absicht,
wie er selbst sie ausspricht, -das Gesamtfeld der geisteswissenschaftlichen Literatur-
geschichte systematisch zu bestellen-, Sicherung des bislang Ungesicherten- in
deren Grundprinzipien, und zwar in einem -nach Einfachheit und Kürze- strebendem
Vortrage, so muß man sich wundern über soviel Selbsttäuschung. Denn was sich den
ungehemmt dahinfahrenden Gedankenfluchten des Verfassers, die von einer äußerst
vielseitigen Belesenheit zeugen, beiläufig und gar nicht systematisch an Ertrag für
literaturwissenschaftliche Methodik entnehmen läßt, ist, gemessen an der aufge-
 
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