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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0516
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BESPRECHUNGEN.

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arbeit immer nur um der Kunstwerte willen unternommen wird!« (S. 172). Der
Name »Kunstdenker= soll besagen, »daß wahre Kunstforschung nur noch im philo-
sophischen Geist, nicht mehr in dem der Philologie und der Historie getrieben
werden kann«. Nicht daß alles nun in irgend eine Philosophie aufgelöst werden
soll. Der Denker wird als geistiger Mensch verstanden, als einer, der geistige Wirk-
lichkeiten nicht nur anerkennt, sondern sich persönlich von ihnen abhängig und ihnen
sich verpflichtet weiß. Von den ethischen Bestimmungen sei hervorgehoben, daß
an ihm nicht die Kälte des Intellektualisten schreckt, daß in ihm der Eros treibende
Kraft geworden ist: der Idee nach. Es würde die letzte Konsequenz der Gedanken
des Verfassers fehlen, wäre nicht auch noch davon die Rede, daß auch die neue
Kunstforschung sich einmal erledigen wird: »Wenn gewußt werden könnte, ob und
wann eine neue Kultur, ob und wann ein neuer Gesamtstil sich verwirklichen wird,
so wäre damit zugleich auch über das Schicksal der Forschung entschieden« (S. 191).
Alles Kunsterkennen soll durch sich selber einmal überflüssig werden. Der Keim
dazu liegt gerade in der neuen Kunstforschung. Sie hat es ja nicht mehr mit Kunst-
vergangenheit, sondern letzten Endes mit Kunstgegenwärtigkeiten zu tun (S. 193 f.):
die neueste Kunstbewegung ist es gewesen, die »eine Revision der ästhetischen
Grundüberzeugungen notwendig« erscheinen hat lassen (S. 12, 74 Riegl-Worringer),
die neue Forschung ihrerseits hält die Verbindung mit denen aufrecht, die die
schöpferische Flamme heute in sich tragen (S. 194), das Erleben des unmittelbaren,
gegenwartsträchtigen Kunstwertes ist Kern und Stern aller Kunstforschung (S. 14)
und die Welt der Kunstwerte setzt zugleich das Überzeitliche (S. 158). Alle diese
Momente drängen zur Gegenwart. Der letzte Schritt aber zur Geburt von Kunst
liegt doch außerhalb des Wirkungsbereiches jeglicher Kunstforschung. Sie vermag
doch immer nur den Weg zu bereiten, die Berge abzutragen und die Täler auszu-
füllen. Dazu rechnet der Verfasser ganz besonders, das Volk an die Kunst heran-
zuführen. Er tut es, weil er »durchdrungen ist von der menschlich-geistigen Bedeu-
tung der Kunst, von ihrer Möglichkeit, grundsätzlich überall geboren zu werden,
und von der fundamentalen Wichtigkeit völkischer Gemeinschaft in bezug auf Er-
zeugung wahrer Kunstwerte« (S. 183), die »die Symbolik des Vorstellungs- und Trieb-
lebens eines Volkes darstellen (S. 90).

Es sei noch versucht, zu diesem Inhalt der »Umwertung der Kunstgeschichte«
Stellung zu nehmen. Eingangs wurde schon gesagt, daß sie Beachtung verdient.
In erster Linie durch die Forderung, das Stoffgebiet in dem angegebenen Umfang
zu erweitern. Dann durch die Forderung, erst nach Bearbeitung des vom ganzen
Stoffgebiet umschlossenen Materials die ästhetischen Kategorien aufzustellen. Hier
ist aber die Einschränkung zu machen, daß es sich hierbei nur um die endgültige
Aufstellung letzter Kategorien handeln kann. Denn Anwendung ästhetischer Kate-
gorien verlangt schon die Bearbeitung des Materials. Als berechtigt muß die Kritik
der Entwicklungsgeschichte bezeichnet werden, soweit wenigstens als durch sie die
Hauptfrage nach dem inneren künstlerischen Leben und Wert in den Hintergrund
gedrängt wird. Als Verflachung des Entwicklungsbegriffes muß es bezeichnet werden,
wenn man darunter nur Entwicklungen vom Roheren zum Feineren (S. 26) ver-
stehen wollte. Was der Verfasser gegen den individualistischen Künsllerbegriff sagt,
kann nur teilweise Zustimmung finden. Es müßte dagegen auf das etwa verwiesen
werden, was Tietze in »Die Kunstwissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen«
über den Künstler als Individuum sagt (S. 194 ff.). Außerdem: man kann darin ganz
mit dem Verfasser eins sein, daß die höchste Form der Kunst die der Gemeinschaft
darstellt, ohne, wie er es tut, die Kunst der Einzelnen zu degradieren. Es liest sich
wie eine Selbstmahnung, wenn es auf S. 164 heißt: »Auch von einer ungerecht-
 
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