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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 35.1941

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Hartlaub, Gustav Friedrich: Körper, Raum und Ton im frühen Mittelalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14214#0015
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Körper, Raum und Ton im frühen Mittelalter

Von

G. F. Hartlaub
I

Der einstimmige („monomorphe") Kirchengesang, dessen inneren Zu-
sammenhang mit dem Raumbau der altchristlich-byzantinischen Zentral-
kirche und Basilika, seinen Mosaiken, Miniaturen, seiner Kleinplastik und
seinem Kunsthandwerk man erweisen könnte, blieb nach der Jahrtausend-
wende im wesentlichen dort, erhalten, wo auch diese Kunstweise keine
umwälzende Änderung erfuhr: im christlichen Osten. Im Bereich der
westlich-abendländischen Kirche dagegen, vor allem nördlich der Alpen,
wo die Wandlung zu dem geschah, was wir romanischen Stil nennen, hat
auch die tönende Kunst jenen außerordentlichen Schritt gemacht, der mit
dem Übergang zur Mehrstimmigkeit verbunden ist1).

Der große Übergang hier und dort, im Ganzen gesehen mit über-
raschender Gleichzeitigkeit einsetzend, d. h. in den letzten 2 Jahrhunder-
ten des ersten Jahrtausends n. Chr., ist ein kennzeichnendes Beispiel dafür,
wie aus dem gleichen als solchem schwer zu bezeichnenden Grundantrieb
des Zeitgeistes sowohl auf der anschaulichen wie auf der tönenden Seite
menschlichen Kunstausdrucks ein Umschwung erfolgt, dessen einzelne
Eigenschaften sich wohl auf die gleiche Grundursache zurückführen lassen.
Nicht immer ist es so, daß einem Umschwung hier ein ebenso tief gehender
dort entspricht. Fälle sind denkbar, wo die innere Wandlung des Gemein-
geistes hier tatsächlich einen Neubeginn zeitigt, der sich auch mit einem
neuen Kennwort der Stilgeschichtsschreibung ausdrückt, während auf der
anderen Seite nur eine Beschleunigung, Verstärkung der Entwicklungsrich-

Vgl. die Aufsätze des Verfassers in dieser Zeitschrift: „Musik und Plastik
bei den Griechen", XXX. Band, Heft 2, 1936; „Das Problem der Vergleichbarkeit",

XXXI. Band, Heft 3, 1937; „Zum Problem der Wiederholung in der Geistesgeschichte",

XXXII. Band, Heft 1, 1938; „Ewige Archaik", XXXIV. Band, Heft 1, 1940; dazu:
„Die Musik im Generalbaßzeitalter und ihr Verhältnis zum Barockstil", in Deutsche
Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Jahrgang XVI,
Heft 2.

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft XXXV.

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