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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 35.1941

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Lossow, Hubertus: Kunstwerk, Künstler und Betracher: Versuch einer idealistischen Theorie des Künstlerischen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14214#0167
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Kunstwerk, Künstler und Betrachter

Versuch einer idealistischen Theorie des Künstlerischen

Von

Hubertus Lossow

L

Seit die Kunst Objekt einer besonderen Wissenschaft geworden ist,
gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Arten der wissenschaftlichen Be-
handlung des Kunstwerks und dementsprechend auch zwei verschiedene
Typen von Kunstwissenschaftlern. Diese Trennung trat anfänglich deut-
licher in Erscheinung, als es heut der Fall ist. Wie alle Wissenschaft
löste sich auch die Kunstwissenschaft zunächst von ihrer Mutter, der
Philosophie, blieb lange eine ihrer Disziplinen und hieß Ästhetik; sie
wurde, auf die Geschichte projiziert, Kunstgeschichte.

Die Ästhetik hatte ihre Hochzeit gleichzeitig mit dem Klassizismus
und ist auch eigentlich im klassizistischen Denken begründet: ihre Auf-
gabe war, das normative Ideal der Schönheit zu untersuchen, das als
bestehend vorausgesetzt wurde. Die Frage lautete nicht, gibt es Schön-
heit?, und auch nicht, was ist Schönheit?, sondern vielmehr, wie ist die
Schönheit. Die Kunstgeschichte wiederum entstand eigentlich aus dem
Historismus des 18. und 19. Jahrhunderts. Sie versuchte anfangs die
Gültigkeit des normativen Ideals der klassischen Schönheit an der
Geschichte zu erweisen, und erst am Ende des 19. Jahrhunderts drang
sie dazu vor, die geschichtliche Erscheinung der Kunst aus sich selbst
und ihrer Zeit verstehbar zu machen.

Grundsätzlich richtet sich die Ästhetik auf ein allgemeines Prinzip
aus, während die Kunstgeschichte sich mit der geschichtlichen Erschei-
nung des einzelnen Kunstwerks beschäftigt. Schon dies bedingt eine
grundsätzlich verschiedene Art der Betrachtung des Kunstwerks, die sich
auch dann noch erhalten muß, wenn Ästhetik und Kunstgeschichte, wie
es die Bedingungen des künstlerischen Seins in der Zeit erfordern, zu-
sammengefaßt als Kunstwissenschaft erscheinen. Es entsteht so zwangs-
läufig die Materialkunde und Formgeschichte auf der einen Seite und
die, auf die Erkenntnis des Künstlerischen an sich bedachte Forschung

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft XXXV. 10*
 
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