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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 35.1941

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Fritz Güttinger: Die romantische Komödie und das deutsche
Lustspiel. Wege zur Dichtung. Zürcher Schriften zur Literaturwissen-
schaft, hg. von Emil Ermatinger. Band XXXIV. Huber & Co. Frauenfeld-
Leipzig, 1939.

Die Absicht des Verfassers zielt auf die Beantwortung der Frage, warum es
ein deutsches Lustspiel als Gattung nicht gibt, warum die Blüteperiode deutscher
Dichtung sich im Schau- und Trauerspiel erschöpft. In einem ersten Teil „Komödie
der Irrungen" werden zunächst „die herkömmlichen Anschauungen vom Komischen"
gesichtet. Güttinger entwickelt eine, seine Theorie des Komischen im Betrachten von
dessen Leistung im Gemeinschaftsganzen. Danach kann das Lachen nur mit Vor-
behalt zur Bestimmung des Komischen beigezogen werden. Weder die Kontrast-
theorie noch die der Überlegenheit noch beider Vereinigung legen das Wesenhafte
des Komischen bloß. Güttinger erkennt es im Handlungsgehalt des Lachens und im
Starrbleiben einer ewig wechselnden Situation gegenüber. Als urwesentlich für die
Schlagkraft des Komischen behauptet Güttinger dessen Aufnahme im Gemein-
schaftserlebnis (was nicht ohne weiteres überzeugt). Nur die gesellschaftliche Situa-
tion des Zusammenseins ermögliche das Bewußtsein von Komik. Konstituierend für
die Komödie ist der Tendenzcharakter ihres Gedankengehaltes. Diese Zweckgerich-
tetheit ist aber keineswegs bloß oder besonders betont lehrhaft. Im Gegensatz zum
Gemeinschaftslachen, wie es die Komik auslöst, wird Humor von Güttinger als
Angelegenheit des einzelnen, einem Lachen der Verlegenheit sehr nahe gedeutet, als
Bekenntnis eines kampfmüde gewordenen Christentums. (Wofür ist dann ein be-
hagliches oder überlegenes Schmunzeln bezeichnend, dessen das deutsche Theater-
publikum bekanntlich leider gar nicht fähig ist, insofern es nur brüllen oder aber
an ganz verkehrtem Ort lachen kann?) Die Beziehung Christentum (wenn auch
kampfmüde) und Humor ist auch befremdlich. Komik und Humor sind wesenhafte
Gegensätze: der Humor erkennt, das Komische verkennt.

Der zweite Abschnitt beschreibt die „Reste der herkömmlichen Anschauung in
nachkantischer Zeit". Goethe hat der Komödie wenig systematische Beachtung ge-
schenkt; sie war ihm vor allem ein praktisches Spielplanproblem. Für Schiller ist
komisch ganz im herkömmlichen Sinn der Fehler, Verhaltungsregeln, die in natür-
lichen Verhältnissen sich bewährt haben, in einer ganz entgegengesetzten Lage zu
befolgen. Auch Tiecks theoretische Auslassungen stehen in der üblichen überlieferten
Auffassung vom Komischen. August Wilhelm Schlegel tauscht traditionell komisch
und lächerlich aus. Noch in Jean Pauls Vorschule der Ästhetik sind viele Bemer-
kungen zum Komischen ganz herkömmlich. In seinen Anfängen steht Friedrich
Hebbel noch durchaus in diesen traditionellen Auffassungen, die er später auf das
heftigste bekämpft.
 
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